Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: BFH hält Aussetzungszinsen von monatlich einhalb Prozent für verfassungswidrig

BFH, Pressemitteilung Nr. 34/24 vom 22.08.2024 zum Beschluss VIII R 9/23 vom 08.05.2024

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinem Beschluss vom 08.05.2024 (VIII R 9/23) entschieden, den gesetzlichen Zinssatz von 6 % p.a. für sogenannte Aussetzungszinsen als verfassungswidrig einzustufen. Aufgrund dieser Einschätzung hat der BFH das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, um eine verfassungsrechtliche Prüfung des Zinssatzes vorzunehmen.

Hintergrund

Im Steuerrecht haben Einspruch und Klage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer zunächst zahlen muss. Eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) kann jedoch beantragt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Wird dem Antrag stattgegeben, muss die Steuer zunächst nicht gezahlt werden. Sollte das Rechtsmittel letztlich erfolglos bleiben, ist der Steuerpflichtige jedoch verpflichtet, die ausgesetzte Steuer nachträglich zu zahlen. Zusätzlich muss er für den Zeitraum der AdV Zinsen in Höhe von 6 % p.a. (0,5 % pro Monat) entrichten, gemäß § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO).

Verfassungsrechtliche Bedenken

Der BFH hat in seinem Beschluss festgestellt, dass der Zinssatz von 6 % p.a. im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 15.04.2021 gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen könnte. In Zeiten struktureller Niedrigzinsen sei der gesetzliche Zinssatz nicht mehr erforderlich, um den typischen Liquiditätsvorteil, den ein Steuerpflichtiger durch die spätere Zahlung erlangt, abzuschöpfen. Der Zinssatz sei daher unverhältnismäßig hoch.

Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen

Darüber hinaus sieht der BFH eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, die Aussetzungszinsen zahlen müssen, und solchen, die Nachzahlungszinsen schulden. Während Nachzahlungszinsen seit dem 01.01.2019 nur noch mit 1,8 % p.a. (0,15 % pro Monat) berechnet werden, verbleiben die Aussetzungszinsen unverändert bei 6 % p.a. Diese Differenzierung hält der BFH für verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Weiteres Vorgehen

Das BVerfG wird nun prüfen, ob der Zinssatz von 6 % p.a. für Aussetzungszinsen verfassungsgemäß ist. Die Entscheidung des BVerfG könnte weitreichende Folgen für die Praxis der Verzinsung im Steuerrecht haben, insbesondere hinsichtlich der Anpassung von Zinssätzen in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen.