Entgeltabrechnungen als elektronisches Dokument


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 28.01.2025 ein wegweisendes Urteil (Az.: 9 AZR 48/24) zur elektronischen Bereitstellung von Entgeltabrechnungen gefällt. Dieses Urteil bringt Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie Entgeltabrechnungen im digitalen Zeitalter rechtskonform bereitgestellt werden können.


Elektronische Entgeltabrechnung: Die rechtliche Grundlage

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann auch durch die Bereitstellung in einem passwortgeschützten digitalen Mitarbeiterpostfach erfüllt werden.

Die Textform gilt damit auch für elektronische Dokumente, wenn diese in einem gesicherten Umfeld zum Abruf bereitgestellt werden.


Der Streitfall: Papierform vs. Digital

Im verhandelten Fall war die Klägerin als Verkäuferin in einem Einzelhandelsbetrieb tätig. Der Konzern, zu dem der Arbeitgeber gehört, hatte mit einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 7. April 2021 geregelt, dass Personaldokumente ausschließlich über ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden. Diese Vereinbarung sah vor:

  • Bereitstellung der Entgeltabrechnungen durch einen externen Anbieter.
  • Zugang für Beschäftigte über ein Online-Portal.
  • Möglichkeit, Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken, wenn privater Zugriff nicht möglich ist.

Die Klägerin forderte weiterhin die Zustellung ihrer Abrechnungen in Papierform. Das Landesarbeitsgericht gab ihr zunächst recht, da das digitale Postfach der Klägerin nicht als Empfangsvorrichtung geeignet angesehen wurde.


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und stellte klar:

  1. Erfüllung der Textform: Die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach wahrt die Textform nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO.
  2. Holschuldprinzip: Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltabrechnung ist eine sogenannte Holschuld. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer sicherzustellen. Es genügt, dass die Abrechnung elektronisch bereitgestellt wird.
  3. Berücksichtigung berechtigter Interessen: Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Beschäftigte ohne privaten Online-Zugang die Möglichkeit haben, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken.
  4. Konzernbetriebsvereinbarung: Die digitale Bereitstellung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Arbeitnehmer ein.

Allerdings verwies das BAG die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht, da noch geprüft werden muss, ob die Einführung des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fällt.


Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Für Arbeitgeber:

  • Die elektronische Bereitstellung von Entgeltabrechnungen ist zulässig und erfüllt die Anforderungen der GewO, sofern die Dokumente in einem passwortgeschützten Postfach bereitgestellt werden.
  • Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Beschäftigte ohne privaten Online-Zugang die Abrechnungen alternativ im Betrieb einsehen können.
  • Betriebsvereinbarungen zur digitalen Bereitstellung sind ein geeignetes Mittel, um Prozesse zu standardisieren.

Für Arbeitnehmer:

  • Arbeitnehmer können nicht grundsätzlich auf eine Zustellung der Abrechnungen in Papierform bestehen.
  • Sie sollten sicherstellen, dass sie Zugang zum digitalen Mitarbeiterpostfach haben, um ihre Dokumente rechtzeitig abzurufen.
  • Bei fehlendem privatem Zugriff besteht das Recht, die Abrechnungen im Betrieb einzusehen.

Fazit

Das Urteil des BAG zeigt, dass die Digitalisierung von Entgeltabrechnungen rechtlich möglich und praxistauglich ist, solange berechtigte Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Arbeitgeber sollten jedoch sorgfältig prüfen, ob ihre internen Regelungen den Anforderungen des BAG entsprechen und Betriebsvereinbarungen entsprechend ausgestalten.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 28.01.2025