BFH: Steuerbefreiung für Strom zur Stromerzeugung und zur Aufrechterhaltung der Stromerzeugungsfähigkeit

Mit Urteil vom 15.10.2024 (Az. VII R 31/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) wichtige Grundsätze zur Stromsteuerbefreiung nach dem Stromsteuergesetz (StromStG) sowie zur unmittelbaren Anwendbarkeit europarechtlicher Vorschriften klargestellt. Die Entscheidung betrifft die steuerliche Behandlung von Strom, der in Kraftwerken verbraucht wird – nicht nur zur eigentlichen Erzeugung von Strom, sondern auch zur Sicherstellung der Betriebsfähigkeit der Anlagen.


Kernaussagen des Urteils

1. Zurechnung der Stromentnahme: Nicht nur „wer den Schalter umlegt“

Der Begriff der Stromentnahme i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StromStG ist nicht auf die unmittelbar handelnde Person beschränkt. Der BFH stellt klar, dass die Entnahme auch einer Person zugerechnet werden kann, die aufgrund einer besonderen Einwirkungsmöglichkeit über eine andere Person sowie über die stromverbrauchenden Anlagen faktisch die Sachherrschaft ausübt. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls.

2. Unmittelbare Berufung auf EU-Recht möglich

Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Alt. 2 der EnergieStRL (Richtlinie 2003/96/EG) sieht vor, dass elektrischer Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit zur Stromerzeugung verwendet wird, von der Steuer zu befreien ist. Diese Regelung wurde bislang nicht ins nationale Recht umgesetzt. Dennoch erkennt der BFH an, dass sich betroffene Unternehmen unmittelbar auf diese Vorschrift berufen können, da sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist.

3. Erweiterte Steuerbefreiung für betriebsnotwendige Prozesse

Bestimmte vorgelagerte oder nachgelagerte Prozesse in einem Kraftwerk – z. B. die Kühlung, Schmierung, Aufrechterhaltung der Startbereitschaft oder Reinigung – sind steuerfrei, wenn sie funktional erforderlich sind, um die Stromerzeugung aufrechterhalten zu können.


Praktische Relevanz

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für Energieversorger und Betreiber von Stromerzeugungsanlagen. Insbesondere eröffnet sie steuerliche Entlastungspotenziale für den innerbetrieblichen Stromverbrauch, der nicht unmittelbar der Stromproduktion dient, aber essenziell für den Kraftwerksbetrieb ist.

Die Urteilsbegründung stärkt zudem die Möglichkeit, sich unmittelbar auf europarechtliche Vorgaben zu berufen, wenn deren Umsetzung in deutsches Recht unterblieben ist.


Fazit

Der BFH erweitert die steuerliche Begünstigung im Stromsteuerrecht und betont gleichzeitig die Durchgriffswirkung europäischer Vorgaben. Für Unternehmen im Energiesektor empfiehlt sich eine kritische Prüfung bisher nicht geltend gemachter Steuerbefreiungen, insbesondere im Hinblick auf betrieblich notwendige Stromverwendungen zur Sicherstellung der Erzeugungsfähigkeit.


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