BFH, Urteil vom 11.12.2024 – II R 44/21
(Veröffentlicht: 02.05.2025)
In einer praxisrelevanten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass die Erklärung zur optionalen Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG (a. F. 2013) auch erstmals im Rahmen eines Änderungs- oder Einspruchsverfahrens berücksichtigt werden kann – sofern der Änderungsrahmen nicht überschritten wird.
🧾 Hintergrund: Regel- vs. Optionsverschonung
Beim Erwerb von Betriebsvermögen im Rahmen einer Schenkung oder Erbschaft können Steuerpflichtige zwischen:
- der Regelverschonung (85 %) und
- der Optionsverschonung (100 %) wählen.
Letztere setzt voraus, dass bestimmte zusätzliche Voraussetzungen erfüllt werden – z. B. eine längere Behaltensfrist und eine strengere Lohnsummenregelung.
Wichtig:
Die Option auf 100 %-Verschonung muss ausdrücklich erklärt werden, eine automatische Anwendung erfolgt nicht.
⚖️ Der Fall vor dem BFH
Ein Steuerpflichtiger hatte bei Abgabe seiner Erklärung keine Option auf die Vollverschonung erklärt. Erst im Einspruchsverfahren gegen den Feststellungsbescheid zur Schenkungsteuer wurde die Option nachträglich ausgeübt.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Optionserklärung ab – unter Verweis auf die Bindungswirkung des ursprünglichen Bescheids gemäß § 351 Abs. 1 AO.
📌 Die Entscheidung des BFH
Der BFH urteilte zugunsten des Steuerpflichtigen:
- Die Optionserklärung zur Vollverschonung ist nicht fristgebunden und kann im Einspruchsverfahren nachgeholt werden.
- Maßgeblich ist, ob die steuerlichen Auswirkungen der Option im Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO liegen.
- Verlässt die Wirkung der Option den Änderungsrahmen, ist nicht automatisch die gesamte Verschonung zu versagen – nur der übersteigende Teil darf nicht berücksichtigt werden.
💡 Bedeutung für die Praxis
Diese Entscheidung bringt mehr Flexibilität bei der Gestaltung erbschaftsteuerlicher Betriebsübertragungen:
✅ Optionserklärungen sind grundsätzlich nicht verfristet, wenn der Bescheid noch änderbar ist.
✅ Auch im Einspruchsverfahren kann erstmals die Option auf 100 %-Verschonung ausgeübt werden.
⚠️ Die Änderungsmöglichkeiten nach § 351 AO begrenzen aber die Reichweite der Berücksichtigung.
🔎 In der Praxis empfiehlt es sich, bei Betriebsübertragungen regelmäßig zu prüfen, ob die Option zur Vollverschonung strategisch vorteilhaft ist – auch nachträglich.
📣 Fazit
Der BFH stärkt mit seinem Urteil die Rechte von Steuerpflichtigen bei der Gestaltung der Betriebsnachfolge. Die erstmalige Optionserklärung zur Vollverschonung nach § 13a ErbStG kann auch nachträglich im Änderungsverfahren erfolgen – allerdings nur im zulässigen Rahmen der Änderungsbefugnis der Finanzverwaltung.
Quelle: BFH, Urteil vom 11.12.2024 – II R 44/21