BFH, Urteil vom 19.12.2024 – V R 1/22
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Auch bei Finanzierung über ein Persönliches Budget können Betreuungs- oder Pflegeleistungen umsatzsteuerfrei sein – unter bestimmten Voraussetzungen.
Hintergrund der Entscheidung
§ 4 Nr. 16 UStG sieht unter bestimmten Bedingungen die Umsatzsteuerfreiheit für Pflege- und Betreuungsleistungen vor. Dies galt bereits in der bis 31.12.2020 gültigen Fassung (§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG) und gilt heute in § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG.
Im Fokus stand nun die Frage, ob Leistungen, die über ein Persönliches Budget finanziert werden – also Zahlungen, die der Pflegebedürftige direkt erhält –, ebenfalls unter die Steuerbefreiung fallen können.
Der BFH bejahte dies: Entscheidend ist die Anerkennung des Leistungserbringers durch den Kostenträger, nicht die unmittelbare Zahlung an diesen.
Kernaussagen des BFH-Urteils
- Mittelbare Kostentragung reicht aus: Auch wenn der Leistungserbringer vom Pflegebedürftigen bezahlt wird (und nicht direkt vom Kostenträger), kann die Leistung steuerfrei sein.
- Entscheidung über den Leistungserbringer: Voraussetzung ist, dass der Kostenträger im Bewilligungsbescheid des Persönlichen Budgets eine explizite Entscheidung über die Person des Leistungserbringers getroffen hat (z.B. Anerkennung oder Zulassung).
- Abgrenzung zum Umsatzsteuer-Anwendungserlass: Der BFH weicht damit von der bisherigen Verwaltungspraxis (Abschn. 4.16.3. Abs. 2 UStAE) ab, die eine direktere Finanzierung verlangte.
Bedeutung für die Praxis
Pflege- und Betreuungsdienste, die ihre Leistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets erbringen, können sich unter bestimmten Umständen auf die Umsatzsteuerbefreiung berufen.
Wichtig ist eine sorgfältige Prüfung der Bewilligungsbescheide: Nur wenn daraus eine Anerkennung des jeweiligen Dienstleisters hervorgeht, kann die Steuerfreiheit geltend gemacht werden.
Für Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste eröffnet das Urteil neue Möglichkeiten zur steuerfreien Abrechnung – bei gleichzeitig höherem Dokumentationsaufwand.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil V R 1/22 vom 19.12.2024