BFH-Urteil: Kein Zins-Erlass trotz langem Erbscheinverfahren – Was Erben jetzt wissen müssen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 9. April 2025 (Az. X R 12/21) entschieden, dass Nachzahlungszinsen auf Einkommensteuer auch dann zu zahlen sind, wenn sich die Klärung der Erbenstellung – etwa durch ein langwieriges Erbscheinverfahren – über viele Jahre hingezogen hat. Ein Billigkeitserlass der Zinsen komme laut BFH nicht in Betracht.

Worum ging es im Streitfall?

Ein Steuerpflichtiger war als Erbe eines verstorbenen Unternehmers betroffen. Aufgrund eines komplexen Erbscheinverfahrens konnte er die steuerpflichtigen Einkünfte des Erblassers nicht rechtzeitig ermitteln oder versteuern. Das Finanzamt setzte später auf Grundlage eines Grundlagenbescheids rückwirkend die Einkommensteuer fest – inklusive Nachzahlungszinsen nach § 233a AO.

Der Erbe beantragte einen Billigkeitserlass der Zinsen, da er während des Erbscheinverfahrens weder auf den Nachlass zugreifen noch die Steuern vorausberechnen konnte. Der BFH wies diese Argumentation zurück.


Kernaussagen des BFH (Urteil vom 09.04.2025 – X R 12/21)

🔹 Zinsen sind auch dann zu zahlen, wenn der zugrunde liegende Bescheid erst Jahre nach dem Veranlagungszeitraum ergeht – maßgeblich bleibt die gesetzliche Karenzzeit nach § 233a Abs. 2 AO.
🔹 Eine unverschuldete Unkenntnis der Einkünfte wegen erbrechtlicher Unsicherheiten führt nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit.
🔹 Der Steuerpflichtige hatte durch die verspätete Festsetzung einen typisierend unterstellten Zins- und Liquiditätsvorteil – auch wenn er faktisch keinen Zugriff auf das Vermögen hatte.
🔹 Die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Nachlasses während des Erbscheinverfahrens sei nicht relevant für die Frage der Zinsfestsetzung.


Was bedeutet das für die Praxis?

Das Urteil zeigt deutlich:
➡️ Zinsfestsetzungen lassen sich kaum mit Billigkeitsgründen angreifen, selbst wenn der Steuerpflichtige ohne eigenes Verschulden handlungsunfähig war.
➡️ Auch langjährige Erbscheinverfahren entbinden nicht von der Pflicht, sich frühzeitig steuerlich zu organisieren.
➡️ Erben müssen damit rechnen, dass sie Zinsen auf verspätet festgesetzte Steuern tragen – auch wenn sie den Nachlass noch gar nicht verwerten konnten.


Praxistipp für Erben und steuerliche Berater

Frühzeitig steuerlichen Rat einholen, sobald ein Erbfall mit steuerlich relevanten Einkünften eintritt
✅ Auch ohne Erbschein kann in vielen Fällen eine vorläufige Besteuerung erfolgen – ggf. unter Vorbehalt
Zinsschonende Vorauszahlungen sind möglich – insbesondere bei bekannten oder schätzbaren Einkünften
✅ Frühzeitig mit dem Finanzamt kommunizieren und auf mögliche Verzögerungen hinweisen


Fazit

Der BFH macht deutlich: Die gesetzliche Zinsregelung gilt auch in Härtefällen. Steuerpflichtige – auch Erben – müssen sich frühzeitig um die Besteuerung kümmern, selbst wenn rechtlich noch keine volle Klarheit besteht. Eine unverschuldete Verzögerung im Erbscheinsverfahren schützt nicht vor Nachzahlungszinsen.


Sie haben geerbt und wissen nicht, was steuerlich zu tun ist?

Wir unterstützen Sie bei allen steuerlichen Pflichten im Erbfall – von der Einkommensteuer des Erblassers bis zur Erbschaftsteuer und Zinsvermeidung. Sprechen Sie uns frühzeitig an – damit Sie nicht unnötig draufzahlen.

📘 Mini-Leitfaden: Erben und Steuer – 5 Dinge, die Sie sofort klären sollten

  1. Wer erbt?
    → Erbengemeinschaft? Testament? Noch unklar? → Trotzdem steuerlich handeln.
  2. Was wird geerbt?
    → Immobilien, GmbH-Anteile, Vermietung, Kapitalerträge? → Besteuerung prüfen.
  3. Gab es steuerpflichtige Einkünfte?
    → Einkommensteuer des Verstorbenen kann auch nach dem Tod nachgefordert werden – mit Zinsen!
  4. Was tun ohne Erbschein?
    → Möglich: Vorläufige Erklärung abgeben & Zinsen durch Vorauszahlung vermeiden.
  5. Zinsbescheid erhalten?
    → Schnell prüfen lassen – Erlassanträge sind oft aussichtslos, aber Fehler passieren.

📌 Kurz gesagt: Auch wer noch nicht sicher Erbe ist, kann steuerpflichtig werden. Lassen Sie sich rechtzeitig beraten!

Mandanten-Checkliste: Erbfall und Einkommensteuer – So vermeiden Sie Nachzahlungszinsen

Was tun nach dem Erbfall? Diese Schritte helfen, steuerliche Risiken zu vermeiden:

  1. Steuerberater kontaktieren, sobald ein Erbfall mit unternehmerischen oder vermieteten Einkünften bekannt wird
  2. Einkünfte des Erblassers schätzen oder ermitteln (ggf. mit Einsicht in Bankunterlagen oder Jahresabschlüsse)
  3. Kontakt zum Finanzamt aufnehmen, auf ungeklärte Erbsituation hinweisen
  4. Vorläufige Steuererklärung abgeben (ggf. unter dem Vorbehalt der Erbenfeststellung)
  5. Möglichkeit von Vorauszahlungen prüfen, um Nachzahlungszinsen nach § 233a AO zu vermeiden
  6. Dokumentation sichern, z. B. Schriftverkehr mit Nachlassgericht und Mitteilungen an das Finanzamt
  7. Zinsbescheide prüfen lassen – ein Erlassantrag hat selten Erfolg, kann aber in Ausnahmefällen versucht werden

📌 Tipp: Lassen Sie sich steuerlich begleiten – die Zinsfalle bei Erbschaften ist ein häufiger, vermeidbarer Kostenfaktor.