EuGH bestätigt Vertrauensschutz bei Abschreibungen spanischer Auslandsbeteiligungen

Mit Urteil vom 26. Juni 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in mehreren verbundenen Rechtssachen (C‑776/23 P bis C‑780/23 P) die Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union bestätigt, mit denen der Kommissionsbeschluss zur Rückforderung angeblicher Beihilfen bei indirekten Beteiligungen spanischer Unternehmen an ausländischen Gesellschaften aufgehoben wurde.

Die Richter stärken damit den Grundsatz des Vertrauensschutzes und setzen der Beihilfeaufsicht der Kommission klare rechtsstaatliche Grenzen.


⚖️ Hintergrund der Entscheidung

Spanien hatte 2002 eine steuerliche Regelung eingeführt, nach der spanische Unternehmen den bei Beteiligungserwerben an ausländischen Gesellschaften entstehenden Firmenwert (Goodwill) abschreiben konnten – und zwar auch bei indirekten Beteiligungen über ausländische Holdings.

Zunächst hatte die EU-Kommission 2006 keine Einwände gegen diese Regelung. Doch 2009 und 2011 erklärte sie die Praxis in zwei Beschlüssen („Erstbescheide“) als unzulässige staatliche Beihilfe, ließ aber Ausnahmen unter Berufung auf Vertrauensschutz zu.

2014 untersagte die Kommission dann auch die Abschreibungen bei indirekten Beteiligungen – also dann, wenn spanische Unternehmen über ausländische Holdings Anteile an operativen Gesellschaften im Ausland erwerben. Dagegen klagten Spanien und mehrere Konzerne – mit Erfolg.


🧑‍⚖️ Kernaussagen des EuGH

  • Die Erstbescheide der Kommission erfassten explizit auch indirekte Beteiligungserwerbe. Daraus ergibt sich Vertrauensschutz für Unternehmen, die sich auf die bestehende Praxis gestützt haben.
  • Die Rechtssicherheit verbietet es der Kommission, dieselbe Maßnahme später unter leicht veränderter Begründung erneut als neue Beihilfe zu untersagen.
  • Der EuGH betont, dass die ständige Änderung der Beurteilung durch die Kommission den Vertrauensschutz der Unternehmen untergräbt.
  • Die Berufung der Kommission gegen die Urteile des EU-Gerichts wird daher vollständig zurückgewiesen.

🧾 Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen und deren steuerliche Strukturierung erhebliche Relevanz:

Vertrauensschutz gilt auch im Steuerrecht der Beihilfenkontrolle
Rückwirkende Änderungen von Verwaltungspositionen sind unzulässig, wenn zuvor gegenteilige Aussagen gemacht wurden
✅ Die Kommissionsaufsicht über Steuermaßnahmen ist nicht schrankenlos, sondern an rechtsstaatliche Grundsätze gebunden


❓ FAQ zur Entscheidung des EuGH

Was war das Problem mit der spanischen Steuerregelung?

Spanische Unternehmen durften den Goodwill bei Erwerb ausländischer Beteiligungen (auch indirekt) steuerlich abschreiben. Die EU-Kommission wertete dies später als staatliche Beihilfe.


Warum hat der EuGH der Kommission widersprochen?

Weil die Erstbescheide der Kommission selbst sowohl direkte als auch indirekte Beteiligungen einbezogen hatten – und der Grundsatz des Vertrauensschutzes greift.


Was bedeutet das Urteil für betroffene Unternehmen?

Unternehmen, die auf die ursprüngliche steuerliche Praxis vertraut haben, müssen keine Rückforderungen fürchten, sofern sie unter den Schutz der Erstbescheide fallen.


Gilt das Urteil nur für Spanien?

Inhaltlich ja – formalrechtlich aber richtungsweisend für alle Mitgliedstaaten: Die Kommission kann nicht beliebig frühere Positionen umdeuten und darauf aufbauende Maßnahmen als neue Beihilfe verbieten.


Was bedeutet das Urteil für die steuerliche Gestaltungsfreiheit?

Es stärkt den Anspruch von Unternehmen auf Rechtssicherheit bei genehmigten steuerlichen Regelungen – auch im internationalen Kontext.


📝 Fazit

Der EuGH setzt mit diesem Urteil ein wichtiges Zeichen für Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im europäischen Steuer- und Beihilferecht. Unternehmen, die sich auf rechtlich zulässige Steuervorteile berufen konnten, dürfen nicht im Nachhinein für Positionswechsel der Kommission haften gemacht werden.

Das Urteil dürfte auch in anderen beihilferechtlich relevanten Steuerfragen für Diskussionen sorgen – etwa bei nationalen Lizenzboxen, Zinsschrankenregelungen oder Steuererleichterungen für Investitionen.


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