BFH: Keine Einsicht in die Grundlagen der Richtsatzsammlung – Vertraulichkeit geht vor

📆 BFH, Urteil vom 09.05.2025 – IX R 1/24
📢 Pressemitteilung Nr. 43/25 vom 10.07.2025


Worum geht es?

Die sogenannte amtliche Richtsatzsammlung ist ein wichtiges Instrument für die Betriebsprüfung durch das Finanzamt. Doch wie genau entstehen diese Richtsätze – und wer darf Einblick in die zugrunde liegenden Daten verlangen?

Ein Steuerpflichtiger versuchte genau das herauszufinden – und ist nun vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gescheitert. Das höchste deutsche Steuergericht hat mit Urteil vom 09.05.2025 (Az. IX R 1/24) entschieden: Ein Anspruch auf Offenlegung der internen Datenbasis besteht nicht.


Was ist die Richtsatzsammlung?

Die Richtsatzsammlung wird jährlich vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlicht. Sie enthält branchenübliche Umsatz- und Gewinnspannen, die zur Schätzung und Verprobung von Betriebsergebnissen im Rahmen von Außenprüfungen genutzt werden – insbesondere bei Bargeschäften und kleineren Betrieben ohne detaillierte Buchführung.


Was wollte der Kläger wissen?

Ein Antragsteller berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und forderte unter anderem:

  • Angaben zur Anzahl der geprüften Betriebe, deren Daten in die Richtsatzsammlung eingeflossen sind
  • Kriterien zur Auswahl der Betriebe
  • Einsicht in Prüfungsauswertungen und Protokolle

Das zuständige Finanzministerium gab allgemeine Informationen preis, verweigerte aber die Herausgabe konkreter Unterlagen – mit Hinweis auf die Vertraulichkeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die die Richtsätze erarbeitet.


Was hat der BFH entschieden?

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Ablehnung und stellte klar:

Kein Anspruch auf Akteneinsicht oder Offenlegung der Entstehungsunterlagen der Richtsatzsammlung
Sitzungen und Arbeitsunterlagen der beteiligten Gremien sind gemäß § 21a Abs. 1 Satz 4 und 5 FVG vertraulich
✅ Der Gesetzgeber schützt bewusst den freien, sachbezogenen Austausch innerhalb der Finanzverwaltung
✅ Informationsfreiheitsgesetze der Länder gelten nicht, wenn spezielle bundesgesetzliche Regelungen (wie hier das FVG) eine Vertraulichkeit vorschreiben


Was bedeutet das für Sie als Unternehmer oder Berater?

Die Richtsatzsammlung bleibt ein wirkungsvoller Maßstab der Finanzverwaltung, dessen genaue Entstehung für Außenstehende nicht überprüfbar ist.

Das Urteil stärkt die Position der Finanzverwaltung, schränkt aber zugleich die Transparenz für Steuerpflichtige deutlich ein. Dies hat vor allem praktische Relevanz in Fällen, in denen:

  • Schätzungen auf Basis der Richtsätze vorgenommen werden
  • Mandanten gegen solche Schätzungen argumentieren wollen
  • die Herleitung der Zahlen nachvollzogen werden soll

Unser Praxistipp

▶️ Wenn Richtsätze zur Schätzung herangezogen werden, lohnt es sich, Betriebsindividuelle Besonderheiten frühzeitig zu dokumentieren
▶️ Widerspruch gegen Schätzungen sollte immer gut begründet erfolgen – etwa durch betriebswirtschaftliche Auswertungen, Wareneinsatzanalysen oder Vergleichszahlen aus der Branche
▶️ Lassen Sie sich nicht auf allgemeine Diskussionen über die Richtsatzsammlung ein, sondern argumentieren Sie konkret am Einzelfall


Fazit

Das BFH-Urteil zeigt: Die amtliche Richtsatzsammlung bleibt für Steuerpflichtige eine „Black Box“. Einblick in die Datengrundlage oder Methodik gibt es nicht – auch nicht über das Informationsfreiheitsgesetz. Damit wird der Fokus noch stärker auf eine sorgfältige und plausible Betriebsdokumentation gelegt, um Schätzungen wirksam entgegentreten zu können.


📌 Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 43/25 vom 10.07.2025


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