Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 23. Juni 2025 (Az. 1 BvR 1718/24) finanzgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die eine Klage aufgrund nicht fristgerechter Einreichung über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) für unzulässig erklärt hatten. Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich.
📄 Veröffentlichung: BVerfG, Pressemitteilung vom 18.07.2025
📌 Kernpunkte: effektiver Rechtsschutz, rechtliches Gehör, Übergangsprobleme beim beSt
Hintergrund: beSt-Pflicht seit 1. Januar 2023 – und die praktische Umsetzung
Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 wurden Steuerberater durch das Steuerberatungsgesetz verpflichtet, über das sogenannte besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) mit Gerichten elektronisch zu kommunizieren. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) konnte jedoch zum Jahresbeginn keine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge gewährleisten. Die ersten Registrierungscodes wurden erst im Laufe des Januars 2023 verschickt. Zwar bestand die Möglichkeit eines „Fast Lane“-Verfahrens – dies wurde aber ausdrücklich als freiwillig bezeichnet.
Der Fall: Fristversäumnis wegen fehlendem Zugang
Im Januar 2023 erhob eine Steuerberaterin im Namen eines Mandanten Klage auf dem Postweg. In einem Begleitschreiben wies sie darauf hin, dass eine elektronische Einreichung mangels Registrierungsbrief für das beSt nicht möglich sei.
Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig zurück und versagte die Wiedereinsetzung in die Klagefrist. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück – mit Verweis auf die Pflicht zur beSt-Nutzung ab dem 1. Januar 2023.
Entscheidung des BVerfG: Rechtsschutz verletzt, Verfahren wird zurückverwiesen
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob nun beide Entscheidungen auf. Die Kernaussagen:
1. Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz)
Das Finanzgericht habe die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung unzumutbar überspannt. Insbesondere:
- Die Flächendeckung des beSt war tatsächlich nicht gegeben.
- Die BStBK kommunizierte bis Ende Januar 2023, dass der beSt-Zugang erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs beginne.
- Die „Fast Lane“ war ausdrücklich freiwillig und konnte nicht als zumutbare Pflicht gelten.
Die Kammer kritisierte, dass sich das Finanzgericht nicht mit der Übergangssituation auseinandergesetzt habe.
2. Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör)
Der BFH habe den zentralen Vortrag des Beschwerdeführers, wonach das Finanzgericht das Begleitschreiben zur Klage missverstanden habe, nicht inhaltlich gewürdigt. Damit wurde das rechtliche Gehör verletzt.
Fazit: Kein Formverstoß bei fehlendem beSt-Zugang
Mit dem Beschluss des BVerfG wird klar:
➡ Kein Steuerberater konnte zur Nutzung des beSt verpflichtet werden, solange ihm kein Zugang verschafft wurde.
➡ Übergangs- und Einzelfallsituationen müssen von den Gerichten sorgfältig geprüft werden.
➡ Rechtsschutz darf nicht an technischen Startproblemen scheitern.
📌 Das Verfahren wurde zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
📄 Die vollständige Pressemitteilung ist abrufbar auf www.bundesverfassungsgericht.de.