Firmenumzug und Gewerbesteuer: Eine detaillierte Betrachtung für Einzelunternehmen und Personengesellschaften

Der Gedanke, das eigene Unternehmen in eine Gemeinde mit niedrigem Gewerbesteuerhebesatz zu verlegen, klingt für viele attraktiv. Das Versprechen: Weniger Gewerbesteuer zahlen und somit mehr Gewinn behalten. Doch die Realität im deutschen Unternehmenssteuerrecht ist komplexer. Gerade für Einzelunternehmen und Personengesellschaften (wie GbR, OHG, KG) kann ein solcher Schritt zu einem unerwarteten Ergebnis führen: einer höheren Gesamtsteuerlast. Lassen Sie uns genauer beleuchten, warum dies der Fall sein kann.

Das Gewerbesteuer-Paradox: Warum weniger manchmal mehr kostet

Das zentrale Missverständnis rührt oft daher, dass die Gewerbesteuer seit 2008 keine abzugsfähige Betriebsausgabe mehr ist (§ 4 Abs. 5b EStG). Dies bedeutet, sie mindert nicht mehr den Gewinn, der der Einkommensteuer unterliegt.

Doch es gibt eine andere, entscheidende Regelung: Die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG). Diese Vorschrift soll eine übermäßige Doppelbelastung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften vermeiden.

Hier die entscheidenden Punkte:

  1. Gewerbesteuer fällt an: Ihr Unternehmen muss, sobald es den Freibetrag überschreitet, Gewerbesteuer an die Gemeinde abführen. Die Höhe hängt vom Hebesatz der jeweiligen Gemeinde ab.
  2. Die Anrechnungsregel: Der Gesetzgeber erlaubt, einen Teil der gezahlten Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuerschuld des Unternehmers anzurechnen. Diese Anrechnung erfolgt pauschal mit dem 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrags.
    • Der „Neutralisierungseffekt“: Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von etwa 380 % (entspricht dem 3,8-fachen der bundeseinheitlichen Steuermesszahl von 3,5 %) ist die gezahlte Gewerbesteuer in der Regel genauso hoch wie der Betrag, der maximal auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann. In diesem Fall wird die Gewerbesteuer über die Anrechnung weitestgehend neutralisiert, d.h., sie führt zu keiner nennenswerten zusätzlichen Belastung über die Einkommensteuer hinaus, vorausgesetzt die Einkommensteuer ist hoch genug, die Anrechnung aufzunehmen.

Die Steuerfalle: Umzug in eine Gemeinde mit niedrigem Hebesatz

Stellen Sie sich vor, Sie verlegen Ihr Unternehmen von einer Stadt mit 380 % Hebesatz in eine „Steueroase“ mit 200 % Hebesatz.

  • Weniger Gewerbesteuer gezahlt: Ja, an die neue Gemeinde zahlen Sie absolut weniger Gewerbesteuer.
  • Aber: Die Anrechnungsmöglichkeit auf Ihre Einkommensteuer ist auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer begrenzt. Da Sie nun weniger Gewerbesteuer gezahlt haben als das theoretisch mögliche 3,8-fache, können Sie auch weniger auf Ihre Einkommensteuer anrechnen.
  • Die Folge: Da die Entlastung durch die geringere Anrechnung geringer ist als die Einsparung bei der Gewerbesteuer, kann die Einkommensteuer unterm Strich höher ausfallen, als sie es bei einem 380 %-Hebesatz wäre. In der Gesamtbetrachtung (Gewerbesteuer + Einkommensteuer + Solidaritätszuschlag) kann dies zu einer höheren Gesamtsteuerlast führen.

Ein typisches Rechenbeispiel (vereinfacht):

Angenommen, ein Einzelunternehmer erzielt einen hohen Gewinn.

  • Bei einem Hebesatz von 380 %: Die Gewerbesteuer wird zu einem großen Teil durch die Anrechnung auf die Einkommensteuer ausgeglichen. Die Gesamtsteuerlast ist somit primär durch die Einkommensteuer bestimmt.
  • Bei einem Hebesatz von 200 %: Die gezahlte Gewerbesteuer ist niedriger. Aber weil die Anrechnungsmöglichkeit nicht voll ausgeschöpft wird (da nur der geringere tatsächlich gezahlte Betrag angerechnet werden kann), bleibt ein größerer Teil der Einkommensteuer als tatsächliche Belastung bestehen. Die Gesamtsteuerlast kann steigen, auch wenn die Gewerbesteuer selbst sinkt.

Fazit und Handlungsempfehlung:

Die Entscheidung für einen Firmenumzug sollte niemals nur auf dem Blick auf den Gewerbesteuerhebesatz basieren. Insbesondere für Einzelunternehmen und Personengesellschaften kann der Wechsel in eine Gemeinde mit einem sehr niedrigen Hebesatz steuerlich kontraproduktiv sein, da die Ersparnis bei der Gewerbesteuer durch die geringere Anrechnung auf die Einkommensteuer überkompensiert wird.

Bevor Sie Ihren Umzug planen, ist eine detaillierte und individuelle Berechnung durch einen erfahrenen Steuerberater unerlässlich. Er kann:

  • Eine präzise Modellrechnung für Ihre spezifische Situation erstellen, die alle relevanten Parameter berücksichtigt.
  • Ihre gesamte Steuerlast an beiden Standorten exakt vergleichen.
  • Ihnen helfen, die volkswirtschaftlich optimale Entscheidung zu treffen und unnötige Steuerzahlungen zu vermeiden.
  • Zusätzlich weitere wichtige Faktoren wie Umzugskosten, Auswirkungen auf Mitarbeiter, Infrastruktur und mögliche lokale Förderungen in Ihre Überlegungen einbeziehen.

Ein Umzug ist eine weitreichende Entscheidung. Stellen Sie sicher, dass Sie alle steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Aspekte beleuchtet haben, damit sich der Schritt auch wirklich für Sie auszahlt.