Übernachtung: Streit um die Pauschale bei mehrtägiger Auswärtstätigkeit von Berufskraftfahrern

Kurzfassung: Das FG Thüringen hat entschieden: Die Übernachtungspauschale nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG gibt es bei mehrtägigen Touren nur für Kalendertage mit tatsächlicher Übernachtung im Fahrzeug – nicht automatisch für jeden Reisetag mit Verpflegungspauschale. Die Frage liegt jetzt beim BFH (Az. VI R 6/25). Unternehmen sollten entsprechende Fälle offenhalten.


Was ist die Übernachtungspauschale?

Für Berufskraftfahrer, die in der Lkw-Schlafkabine übernachten, gibt es seit 2020 einen gesetzlichen Pauschbetrag für Übernachtungs-Mehraufwendungen.

  • 2020–2023: 8 € pro Kalendertag
  • ab 01.01.2024: 9 € pro Kalendertag (Wachstumschancengesetz)
    Die Pauschale gilt zusätzlich zur Verpflegungspauschale und kann wahlweise als Werbungskosten angesetzt oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden. Selbständige Fahrer nutzen sie als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 10 EStG).

Gesetzeswortlaut (Auszug): Begünstigt sind „notwendige Mehraufwendungen im Zusammenhang mit einer Übernachtung in einem Kraftfahrzeugfür Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale beanspruchen könnte.“

Typische Kosten, die die Pauschale typisiert: Gebühren für Duschen/Toiletten, Park-/Abstellgebühren, Reinigung der Schlafkabine/Bettwäsche.


Der Streitfall: „Pauschale für jeden Reisetag?“ (FG Thüringen)

Eine Spedition setzte die Pauschale für jeden Reisetag an – also auch für An- und Abreisetage ohne tatsächliche Lkw-Übernachtung –, weil für diese Tage grundsätzlich Verpflegungspauschalen möglich sind.
Das FG Thüringen (Urt. v. 18.06.2024 – 2 K 534/22) lehnte ab: Die 8/9-€-Pauschale setze neben dem Anspruch auf Verpflegungspauschale auch eine tatsächliche Übernachtung im Fahrzeug voraus. Für Tage ohne Übernachtung gibt es keine Übernachtungspauschale.

Status beim BFH: Die Revision wurde über Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen. Der BFH verhandelt das Grundsatzthema unter VI R 6/25 („An- und Abreisetage“). Bis zur Entscheidung empfiehlt sich, Einspruch einzulegen und Ruhen zu beantragen.


Praxisfolgen für Unternehmen und Fahrer

1) Erstattung/Ansatz der Pauschale

  • Sicher anerkannt sind Kalendertage, an denen tatsächlich im Lkw übernachtet wurde und Verpflegungspauschalen beansprucht werden können.
  • Für An- und Abreisetage ohne Übernachtung ist die Rechtslage streitig (BFH anhängig). Fälle offenhalten.

2) Alternativ: tatsächliche Kosten
Statt der Pauschale können höhere tatsächliche Mehraufwendungen (z. B. Dusch-/Sanitärgebühren, Parken) geltend gemacht bzw. steuerfrei erstattet werden – die Entscheidung einheitlich je Kalenderjahr treffen.

3) Mitfahrende Beschäftigte
Die Pauschale ist auch bei mitfahrenden Arbeitnehmern möglich, wenn sie ebenfalls im Fahrzeug übernachten und keine weiteren Übernachtungserstattungen gezahlt werden.

4) Selbständige Berufskraftfahrer
Nutzung als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 10 EStG; kein Vorsteuerabzug aus der Pauschale.


Checkliste für die Lohn- & Reisekostenpraxis

  • Tourenplanung dokumentieren: Reisetage, tatsächliche Übernachtungen im Lkw (Datum/Ort), Abwesenheitszeiten.
  • Erstattungsweg festlegen: Pauschale (9 €) oder tatsächliche Kosteneinheitlich für das Jahr.
  • An-/Abreisetage: Aktuell strittig → Einsprüche gegen abweichende Festsetzungen einlegen und Ruhen bis VI R 6/25 beantragen.
  • Mitfahrerregel prüfen: Pauschale auch für Beifahrer, sofern Übernachtung im Fahrzeug. |
  • Selbständige: § 4 Abs. 10 EStG berücksichtigen.

Beispiele

A) 4-Tage-Tour mit 3 Lkw-Übernachtungen

  • Verpflegung: nach § 9 EStG (28 € / 14 €) je nach Abwesenheit.
  • Übernachtungspauschale: 3 × 9 € sicher; An-/Abreisetag ohne Lkw-Übernachtung aktuell streitig.

B) 2-Tage-Tour, 0 Übernachtungen (Hotel gestellt)

  • Keine Lkw-Übernachtungspauschale; ggf. Arbeitgeber übernimmt Hotelkosten nach Reisekostenrecht.

Rechtliche Einordnung & Entwicklung

  • Einführung 2020: 8-€-Pauschale durch JStG 2019 (EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b; § 4 Abs. 10 für Selbständige).
  • Erhöhung ab 2024: 9 € (Wachstumschancengesetz).
  • Streitfrage: „Kalendertage mit Verpflegungspauschale“ = jeder Reisetag oder nur Tage mit tatsächlicher Lkw-Übernachtung? FG Thüringen sagt: nur letztere; BFH entscheidet.

Fazit

Bis zur BFH-Entscheidung gilt: Unternehmen und Fahrer fahren rechtssicher, wenn sie die 9-€-Pauschale nur für Tage mit tatsächlicher Lkw-Übernachtung ansetzen. Für eine optimistische Auslegung (Ansatz auch für An-/Abreisetage) sollten Sie Einspruch einlegen und das Verfahren ruhen lassen, um an einer positiven BFH-Entscheidung zu partizipieren.


Quellen (Auswahl): FG Thüringen, Urt. v. 18.06.2024 – 2 K 534/22; BFH anhängig VI R 6/25; § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG; JStG 2019; Wachstumschancengesetz (Erhöhung auf 9 €); BMF-Schreiben v. 25.11.2020 (Reisekosten).