Kurzfassung: Auch wenn einem Arbeitnehmer ein Dienstwagen zur Verfügung steht, können Dienstreisen mit dem eigenen Privat-Pkw steuermindernd berücksichtigt bzw. steuerfrei erstattet werden – wenn die tatsächliche berufliche Nutzung des Privatwagens nachgewiesen wird. Der bloße Anschein spricht zwar dafür, dass der Dienstwagen für berufliche Fahrten eingesetzt wird; dieser Anscheinsbeweis ist aber widerlegbar.
Ausgangslage in der Praxis
Viele Arbeitgeber überlassen Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung. Kommt es vor, dass Beschäftigte trotz Dienstwagen für Dienstreisen den eigenen Pkw nutzen (z. B. aus organisatorischen oder persönlichen Gründen), stellt sich die Frage: Sind die Privat-Pkw-Kosten abziehbar bzw. steuerfrei erstattungsfähig?
Antwort: Ja, wenn der berufliche Einsatz des Privatwagens verlässlich belegt ist.
Kernaussagen der Finanzgerichtsbarkeit
- Dienstwagen ≠ Nutzungspflicht für Dienstreisen: Ein überlassener Dienstwagen schließt den Werbungskostenabzug für Dienstreisen mit dem Privat-Pkw nicht aus.
- Kein besonderer Sachgrund erforderlich: Es braucht keine „besonderen“ betrieblichen Gründe, warum der Privatwagen statt des Dienstwagens genutzt wurde.
- Beweislast beim Arbeitnehmer: Wegen des Anscheins, dass der Dienstwagen für berufliche Fahrten genutzt wird, muss der Arbeitnehmer aktiv nachweisen, dass die konkrete Dienstreise mit dem Privat-Pkw erfolgte.
Nachweis & Dokumentation: So überzeugen Sie das Finanzamt
Ziel: Lückenlose, plausibilisierte Reisekette.
Empfohlene Unterlagen:
- Reisekostenübersicht mit Datum, Ziel, Anlass, Kilometerangaben
- Tank-/Strom- und Maut-/Parkbelege, Dusch-/Sanitärbelege etc. (falls tatsächliche Kosten angesetzt werden)
- Werkstatt-/Wartungsnachweise zur jährlichen Fahrleistung
- Kalendereinträge, Terminbestätigungen, Hotelrechnungen, ggf. Projekt-/Einsatzbefehle
- Indizienbelege wie z. B. Blitzerfotos, Standortprotokolle (sofern vorhanden und datenschutzkonform)
Praxis-Tipp: Führen Sie ein einfaches Fahrtenblatt (kein strenges Fahrtenbuch), das nur Dienstreisen mit dem Privat-Pkw dokumentiert. Das erleichtert die Beweisführung erheblich.
Erstattungsweg oder eigener Abzug: Ihre Optionen
1) Steuerfreie Arbeitgebererstattung
- Kilometerpauschale für den Privat-Pkw bei Dienstreisen: steuerfrei bis zur jeweils geltenden km-Pauschale.
- Höhere Erstattung ist möglich, der Mehrbetrag wäre dann steuerpflichtiger Arbeitslohn.
- Achtung: Steuerfreie Erstattungen mindern einen ggf. eigenen Werbungskostenabzug.
2) Eigener Werbungskostenabzug
- Pauschal: Ansatz der Entfernungspauschale gilt nur für Arbeitsweg (Wohnung ↔ erste Tätigkeitsstätte), nicht für Dienstreisen.
- Dienstreisen: Wahlrecht zwischen
- Kilometerpauschale oder
- tatsächlichen Kosten pro km (individuell ermittelter Kilometersatz auf Basis der Jahresgesamtkosten und Jahresfahrleistung).
- Der individuelle Kilometersatz kann – je nach Fahrzeug und Fahrleistung – deutlich über der Pauschale liegen. Eine „Angemessenheitsprüfung“ im Sinne einer Obergrenze findet grundsätzlich nicht statt; maßgeblich ist der berufliche Anlass und die tatsächliche Entstehung der Kosten.
Wichtig: Die Entscheidung „Pauschale vs. tatsächliche Kosten“ sollte einheitlich für das Kalenderjahr erfolgen und sauber belegt werden.
Ein-Prozent-Regelung beim Dienstwagen: Unabhängig vom Nutzungsanteil
Bei Arbeitnehmern kann der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens nach der 1-%-Regelung ermittelt werden – unabhängig davon, in welchem Umfang der Wagen tatsächlich beruflich genutzt wird. Selbst eine überwiegend oder ausschließlich private Nutzung schließt die Anwendung nicht aus.
Das häufig gehörte 50-%-Kriterium betrifft Gewinneinkünfte (Betriebsvermögenszuordnung), nicht Arbeitnehmer.
Was derzeit offen ist
Die Frage, wie weit die Grenzen des tatsächlichen Kostenansatzes und der Nachweisführung reichen und ob einzelne restriktive Verwaltungsauffassungen zu halten sind, beschäftigt weiterhin die Rechtsprechung. Gestalten Sie laufende Fälle belastbar – und halten Sie streitige Punkte durch Einspruch offen.
Checkliste für die Lohn- und Steuerpraxis
- Dienstreise statt Arbeitsweg? (Nur Dienstreisen sind hier relevant.)
- Privat-Pkw tatsächlich genutzt? (Belege/Indizien zusammenstellen.)
- Erstattungsweg festlegen: Arbeitgebererstattung (km-Pauschale) oder eigener Werbungskostenabzug.
- Kostenmethode wählen: Pauschale oder tatsächlicher km-Satz (einheitlich je Jahr).
- Unterlagen bündeln: Reisekostenblatt, Belege, Kalender, Projekt-/Auftragsnachweise.
- Dienstwagenbesteuerung prüfen: 1-%-Regelung oder Fahrtenbuch; Entfernungspauschale für Arbeitsweg.
- Streitpunkte offenhalten: Einspruch mit Hinweis auf laufende Rechtsprechung.
Muster: Kurze Dokumentationsnotiz (intern)
- Reise: 12.–13.03., Kunde X, Musterstadt
- Grund: Vor-Ort-Abnahme
- Fahrzeug: Privat-Pkw (Kennzeichen …)
- Strecke: 268 km hin/retour
- Belege: Tankbeleg 12.03., Hotelrechnung, Terminbestätigung Kunde
- Erstattungsweg: km-Pauschale / tatsächlicher km-Satz (bitte ankreuzen)
- Bemerkung: Dienstwagen wurde im Zeitraum privat genutzt; Dienstreise ausdrücklich mit Privat-Pkw durchgeführt.
Fazit
Ja, Dienstreisen mit dem Privat-Pkw sind trotz Dienstwagen steuerlich berücksichtigungsfähig – wenn sie eindeutig nachgewiesen werden. Für die Praxis entscheidend sind stringente Dokumentation, ein klar gewählter Erstattungs-/Abzugsweg und das konsequente Belegmanagement. So lassen sich Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung vermeiden – und legitime steuerliche Vorteile sichern.