Kurzfassung: Ärztliche Heilbehandlungen sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei, wenn sie in einem Krankenhaus durchgeführt werden – selbst wenn die Krankenhausbefreiung nach Buchst. b im konkreten Fall nicht greift. Entscheidend ist nicht der Ort der Leistung oder die Rechtsform (z. B. GmbH), sondern dass es sich inhaltlich um eine Heilbehandlung handelt. Aber: Zuerst ist stets zu prüfen, ob eine einheitliche Leistung (Heilbehandlung plus stationäre Unterbringung u. a.) vorliegt; ist das der Fall und ist die Hauptleistung nicht steuerfrei, ist alles steuerpflichtig. Das hat der BFH jüngst klargestellt und den Fall zur Einheitsleistungsprüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Kernaussagen des BFH
- Heilbehandlung bleibt Heilbehandlung – auch im Krankenhaus: § 4 Nr. 14 a UStG wird nicht von § 4 Nr. 14 b UStG „verdrängt“. Heilbehandlungen eines Arztes sind steuerfrei, gleich wo sie stattfinden.
- Rechtsform egal: Die Steuerfreiheit greift auch, wenn der Arzt in einer GmbH tätig ist.
- Subunternehmer & Belegarzt erfasst: Heilbehandlungen eines Subunternehmer-Arztes im Krankenhaus bzw. eines Belegarztes können unter § 4 Nr. 14 a UStG fallen.
- Einheitliche Leistung vs. Mehrzahl von Leistungen: Vor der Steuerbefreiung steht die Leistungsbündel-Prüfung: Ist die Krankenhausunterbringung eigenständiger (gleichwertiger) Bestandteil eines untrennbaren Vorgangs, kann eine einheitliche (insgesamt steuerpflichtige) Leistung vorliegen. Das muss die Vorinstanz im Einzelfall würdigen.
Praxisfilter: Steuerfreiheit nach Buchst. a greift für die ärztliche Heilbehandlung. Sobald jedoch Unterkunft, Pflege, Infrastruktur etc. gleichwertig mitverkauft werden, droht der „einheitliche Umsatz“ – und damit ggf. USt auf alles.
Was bedeutet das für die Praxis?
1) Struktur & Abrechnung sauber gestalten
- Leistungsbild trennen, wo es tatsächlich trennbar ist (Heilbehandlung ↔ Krankenhausleistungen). Künstliche Aufspaltungen sind unzulässig und werden u. U. zusammengefasst.
- Verträge (mit Krankenhäusern/Patient:innen) auf Inhalt & Abrechnung prüfen: Wer schuldet was? Wer stellt wem was in Rechnung?
2) Rollenmodelle im Blick
- Belegärzte/Subunternehmer-Ärzte: Heilbehandlungen können nach Buchst. a steuerfrei sein – unabhängig vom Ort; die Krankenhausbefreiung nach Buchst. b ist kein Ausschlussgrund.
- Privatkliniken/GmbHs: Rechtsform unschädlich für die Heilbehandlungsbefreiung – maßgeblich bleibt der ärztliche Charakter der Leistung.
3) Vorsicht Vorsteuer!
- Steuerfreie Umsätze bedeuten regelmäßig kein Vorsteuerabzug. In gemischten Strukturen (frei/steuerpflichtig) sind Vorsteueraufteilungen und wirtschaftliche Effekte frühzeitig zu kalkulieren.
Der entschiedene Fall – und was noch offen ist
- Ausgangsfall: Privatklinik (GmbH) in der ästhetisch-plastischen Chirurgie; OPs in angemieteten Krankenhausräumen; medizinische Indikation unstreitig. Das FG Schleswig-Holstein bejahte die Steuerfreiheit; der BFH bestätigte zwar die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 a im Krankenhaus, hob das Urteil jedoch auf und verwies zurück – wegen der Einheitsleistungsfrage (Heilbehandlung plus stationäre Komponenten).
- Nächster Schritt: Die Vorinstanz muss klären, ob eine einheitliche Leistung vorliegt. Tendenz des BFH: Bei gleichwertigen Bestandteilen sei eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd – dann insgesamt steuerpflichtig.
Handlungsempfehlungen für Leistungserbringer
- Leistungsketten analysieren: Welche Bausteine (Heilbehandlung, Pflege, Unterkunft, Infrastruktur) werden tatsächlich erbracht und wie?
- Verträge & Rechnungen justieren: Klare Leistungsbeschreibung, Abrechnungswege (direkt Patient:in vs. über Krankenhaus) und Leistungsschuldner festlegen.
- Dokumentation stärken: Indikation, ärztliche Durchführung, Abgrenzung zu nicht-ärztlichen Komponenten nachvollziehbar dokumentieren.
- USt-/VSt-Effekte simulieren: Variantenrechnung (steuerfreie Heilbehandlung vs. einheitliche steuerpflichtige Leistung) inkl. Vorsteuer.
- Rechtsprechung verfolgen: Ausgang des zweiten Rechtsgangs beachten; ggf. Einspruch und Ruhen bei vergleichbaren Fällen erwägen.
Einordnung der Vorinstanz
Das Schleswig-Holsteinische FG hatte bereits 2022 entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen auch innerhalb von Krankenhausleistungen nach § 4 Nr. 14 a UStG steuerfrei sein können, wenn die Voraussetzungen des Buchst. b nicht vollständig vorliegen. Diese Linie bestätigt der BFH grundsätzlich – die Einheitsleistungsprüfung bleibt jedoch der Knackpunkt.
Fazit
Gute Nachrichten für Belegärzte, Subunternehmer und Privatkliniken: Heilbehandlungen bleiben auch im Krankenhaus nach § 4 Nr. 14 a UStG steuerfrei – unabhängig von Ort und Rechtsform. Aber: Wer stationäre Elemente mitverkauft, muss die Einheitsleistungsfalle im Blick haben. Jetzt kommt es auf kluge Vertrags- und Abrechnungsstrukturen an – und auf die Entscheidung der Vorinstanz im zweiten Rechtsgang.
Quellen: BFH, Urt. v. 19.12.2024 – V R 10/22 (mit Zurückverweisung); vorgehend FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.05.2022 – 4 K 119/18; BFH, Urt. v. 18.10.2023 – XI R 18/20; st. Rspr. zu Subunternehmer-/Belegarztfällen.