BFH, Pressemitteilung Nr. 71/25 vom 23.10.2025 zum Urteil XI R 27/22 vom 02.07.2025
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 02.07.2025 (Az. XI R 27/22) klargestellt, dass eine zu Unrecht gebildete Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG zwingend nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs zu korrigieren ist. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Unternehmen, die Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter auf neue Investitionen übertragen.
Hintergrund des Streitfalls
Die Klägerin veräußerte im Jahr 2002 ihren gesamten Immobilienbestand und bildete für den Veräußerungsgewinn eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG. Diese wurde zunächst im Rahmen der Körperschaftsteuer 2002 anerkannt; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde später aufgehoben.
Für das Streitjahr 2003 kam das Finanzamt (FA) jedoch zu der Auffassung, dass die Bildung der Rücklage unzulässig gewesen sei. Konsequenz: Auflösung der Rücklage in der ersten noch verfahrensrechtlich offenen Schlussbilanz, also im Jahr 2003.
Entscheidung des Finanzgerichts – und warum sie scheiterte
Das Finanzgericht stellte sich zunächst auf die Seite der Klägerin:
- Es liege kein Bilanzfehler vor.
- Die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG sei nur ein rechnerischer Ausgleich im Eigenkapital.
- Das Eigenkapital sei in Summe unverändert – daher kein Korrekturbedarf.
BFH: Rücklage ist Bilanzposten – und damit bilanzberichtigungsfähig
Der BFH hob die Vorentscheidung auf. Seine wesentlichen Argumente:
✅ Eine Rücklage nach § 6b EStG ist ein eigener Passivposten in der Steuerbilanz
✅ Wird sie zu Unrecht gebildet, liegt ein Bilanzfehler vor
✅ Korrektur hat im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr zu erfolgen
Damit bestätigt der BFH die strenge Bindung an den formellen Bilanzenzusammenhang: Fehler in einer früheren Bilanz wirken in die Folgejahre fort, solange diese noch nicht bestandskräftig sind.
Praxisrelevanz für Unternehmen und Steuerberater
Die Entscheidung zeigt deutlich:
🔹 Fehler bei § 6b-Rücklagen wirken lange nach
🔹 Die Verfahrenslage (Bestandskraft!) kann über hohe Steuernachzahlungen entscheiden
🔹 Dokumentation und Prüfung der Rücklagenvoraussetzungen sind essenziell
Unternehmen sollten Rücklagen nach § 6b EStG regelmäßig im Rahmen der Jahresabschlusserstellung überprüfen – insbesondere bei längerfristigen Investitionsplanungen.
Quelle: Bundesfinanzhof