FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 23.10.2025 zum Urteil 14 K 2016/21 vom 24.04.2024
(nicht rechtskräftig – Revision beim BFH: V R 37/24)
Das FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Herstellung und Lieferung alkoholischer Flüssigkeiten – selbst wenn das Obst aus dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb stammt – nicht nach § 24 UStG pauschalbesteuert werden darf.
Grund: Alkohol ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis, und die Destillation stellt keine landwirtschaftliche Nebenleistung dar.
Der Fall in Kürze
Ein Landwirt mit Obstbau betrieb eine angeschlossene Brennerei:
- Teil des Obstes wurde direkt verkauft ✅
- Teil wurde selbst gebrannt → Verkauf als Schnaps an Verbraucher und Hofläden
- Rohalkohol wurde an Großhändler geliefert
Umsatzsteuerliche Behandlung durch den Landwirt:
| Produkt | Bislang angewendet | Steuersatz |
|---|---|---|
| Selbst abgefüllter Schnaps | Pauschalbesteuerung | effektiv 8,3 % |
| Rohalkohol an Großhändler | Regelbesteuerung | 19 % |
Später beantragte er, alle alkoholischen Umsätze pauschal zu behandeln.
→ Das Finanzamt lehnte ab.
→ Die Klage vor dem FG wurde abgewiesen.
Die wesentliche Begründung des FG
❌ Alkohol ≠ landwirtschaftliches Erzeugnis
- nicht in der MwStSystRL (Anhang VII) aufgeführt
- Destillation ist kein Obstbau und geht über einfache Verarbeitung hinaus
❌ Destillation ist kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb
- Brennerei ist keine typische Ausstattung eines landwirtschaftlichen Betriebs
- nur ca. 11 % der Betriebe besitzen eine Brennerei → nicht „normal“
❌ Kein Fall einer landwirtschaftlichen Dienstleistung
- Ergebnis ist ein eigenständiges, hochverarbeitetes Produkt
- nicht vergleichbar mit z. B. Trocknung, Reinigung, Einsilierung
Ergebnis:
➡ Sämtliche Umsätze aus der Brennerei unterliegen der Regelbesteuerung (19 %)
Praxisrelevanz für landwirtschaftliche Betriebe
Risikofelder:
| Bereich | Steuerliche Folge |
|---|---|
| Hofbrennerei (eigene Destillation) | Regelbesteuerung 19 % |
| Verkauf abgefüllter Brände | Regelbesteuerung |
| Lieferung von Rohalkohol | Regelbesteuerung |
| Nebentätigkeiten „nicht typisch landwirtschaftlich“ | regelmäßig keine Pauschalierung |
Achtung:
Auch wenn Tradition und regionale Verbreitung bestehen – umsatzsteuerrechtlich entscheidend ist EU-konforme Auslegung.
Praxistipp
Landwirte mit Brennerei sollten:
✅ Umsatzsteuerstatus überprüfen
✅ getrennte Buchführung für Obstbau / Destillation führen
✅ Kleinbrennerei-Konstellationen steuerlich neu beurteilen lassen
✅ ggf. Option zur Regelbesteuerung prüfen, um vollen Vorsteuerabzug zu erhalten
Nicht rechtskräftig
Gegen das Urteil ist Revision beim BFH anhängig
➡ Az. V R 37/24
Quelle
Finanzgericht Baden-Württemberg, Newsletter 1/2025
✅ 1) Checkliste: Was gilt als Landwirtschaft – was nicht? (USt § 24)
| Tätigkeit | USt-Einordnung | Steuerfolgen |
|---|---|---|
| Obstbau, Weinbau, Gemüsebau | Landwirtschaftlicher Betrieb | Pauschalierung möglich |
| Ernte, Sortierung, Lagerung (typische Erzeugertätigkeiten) | Landwirtschaftliche Verarbeitung | Pauschalierung möglich |
| Keltern von Trauben zu Wein | Landwirtschaftliche Verarbeitung | Pauschalierung möglich |
| Brennen von Obst zu Schnaps/Branntwein | Keine Landwirtschaft | Regelbesteuerung (19 %) |
| Verkauf selbst gebrannter Spirituosen | Keine Landwirtschaft | Regelbesteuerung (19 %) |
| Verkauf von Rohalkohol | Keine Landwirtschaft | Regelbesteuerung (19 %) |
🧩 Merksatz:
Sobald eine Verarbeitung besondere Technik benötigt, die nicht typisch für einen Hof ist → Regelbesteuerung
✅ 2) Abgrenzungsgrafik (logisch)
STAMMT DAS PRODUKT AUS
LANDWIRTSCHAFTLICHER ERZEUGUNG?
|
Ja ───┴─── Nein
| |
Wird mit typischen Regelbesteuerung
Hofmitteln verarbeitet? 19 %
|
Ja ───┴─── Nein
| |
Pauschalierung Regelbesteuerung
möglich 19 %
🔎 Ein Schnapsbrennkessel ist kein „typisches Hofmittel“
➡ deshalb Regelbesteuerung für alle alkoholischen Flüssigkeiten