BFH zur Ausübung des Vorsteuerabzugs: Kein rückwirkender Abzug bei nachträglichem Steuerausweis

BFH, Urteil vom 25.06.2025 – XI R 17/22

Beim Vorsteuerabzug ist der Zeitpunkt entscheidend – das bestätigt erneut ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). Besonders relevant ist die Entscheidung für Unternehmer, die ihre Inlandstätigkeit aufgegeben haben oder bereits steuerbefreite Leistungen erbringen.

Worum ging es?

Ein Unternehmer hatte im Inland Umsätze ausgeführt und war damit zum Vorsteuerabzug im allgemeinen Besteuerungsverfahren berechtigt. Erst nachdem er seine inländischen Umsätze aufgegeben hatte, erhielt er eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis – bzw. eine berichtigte Rechnung, die den Steuerausweis erstmals enthielt.

Die zentrale Frage: Darf der Unternehmer den Vorsteuerabzug noch im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen? Und wirkt die Rechnungsberichtigung rückwirkend?

Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellt klar:

Zeitpunkt des Entstehens entscheidend
Ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden war, kann der Unternehmer dieses Recht auch noch später ausüben – selbst wenn er inzwischen keine inländischen Umsätze mehr ausführt.

Kein rückwirkender Vorsteuerabzug bei erstmaligem Steuerausweis
Wird die Umsatzsteuer erstmals in einer (berichtigten) Rechnung ausgewiesen, entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug erst in diesem Zeitpunkt.

➡️ Eine Rückwirkung – wie sie bei anderen Arten der Rechnungsberichtigung möglich ist – findet hier ausdrücklich nicht statt.

Leitsatz des BFH:

„Ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu einer Zeit entstanden, in der das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden war, … kann er das Recht auch dann im allgemeinen Besteuerungsverfahren ausüben, wenn er die Rechnung mit Steuerausweis … erhält, in der er im Inland keine Umsätze mehr ausführt.
Der erstmalige Ausweis von Umsatzsteuer … führt nicht rückwirkend zum Vorsteuerabzug.“

(BFH, Urteil XI R 17/22 vom 25.06.2025 – Volltext als LEXinform-Dokument Nr. 0954335)

Was bedeutet das in der Praxis?

1. Vorsteuerabzug bleibt erhalten – trotz späterer Rechnung
Für Unternehmer gibt es Planungssicherheit: Auch wenn die Rechnung mit Steuerausweis verspätet kommt oder erst nach Aufgabe der inländischen Tätigkeit – der Vorsteuerabzug bleibt grundsätzlich möglich, sofern er ursprünglich entstanden ist.

2. Aber: Keine Rückwirkung!
Wird Umsatzsteuer erst nachträglich ausgewiesen, kann der Abzug erst im Zeitpunkt des Rechnungszugangs erfolgen. Eine rückwirkende Steuererstattung oder Zinsberechnung zugunsten des Unternehmers gibt es nicht.

3. Wichtig für Betriebsprüfungen
Streitpunkte rund um verspätete Rechnungen oder Rechnungsberichtigungen spielen in Außenprüfungen regelmäßig eine Rolle. Das Urteil schafft Klarheit bei folgenden Konstellationen:

  • Aufgabe der Inlandstätigkeit
  • Umstellung auf steuerfreie Umsätze
  • verspätete Lieferung oder Berichtigung von Rechnungen

Für wen ist das Urteil besonders relevant?

  • Unternehmer, die ihr Geschäft ins Ausland verlagern
  • Holding- oder Investmentgesellschaften ohne laufende Inlandserlöse
  • Unternehmen mit verspäteten oder fehlerhaften Eingangsrechnungen
  • Steuerberater, die in Betriebsprüfungen Vorsteuerpotenziale sichern wollen

Fazit

Der BFH stärkt die Rechtssicherheit: Ein entstandenes Recht auf Vorsteuerabzug bleibt bestehen, auch wenn Unternehmer später keine inländischen Umsätze mehr ausführen.
Allerdings gilt: Der erstmalige Umsatzsteuerausweis in einer Rechnung wirkt nicht rückwirkend. Der Vorsteuerabzug ist erst zum Zeitpunkt des Rechnungszugangs möglich.