BFH zur Besteuerung der Übertragung digitaler Gutscheine: Einzweck-Gutscheine unterliegen sofort der Umsatzsteuer

BFH, Beschluss vom 25.06.2025 – XI R 14/24 (XI R 21/21)
Pressemitteilung Nr. 73/25 vom 30.10.2025

Digitale Plattformen und Online-Netzwerke arbeiten häufig mit personalisierten Gutscheincodes, die Nutzer zum Abruf von Inhalten nutzen können. Doch wie sind solche Codes umsatzsteuerlich zu behandeln? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun – unter Einbeziehung einer EuGH-Entscheidung – wichtige Klarstellungen getroffen.

Worum ging es?

Eine Online-Händlerin verkaufte über ihren Webshop Gutscheincodes, mit denen Nutzer digitale Inhalte im Netzwerk „X“ abrufen konnten.

  • Die Nutzer verfügten über deutsche Nutzerkonten (Länderkennung DE).
  • Die Codes wurden zuvor von Zwischenhändlern aus anderen EU-Staaten erworben.
  • Die Klägerin behandelte den Weiterverkauf nicht als umsatzsteuerpflichtig – mit der Begründung, es handele sich um Mehrzweck-Gutscheine.

Finanzamt, Finanzgericht und schließlich der BFH sahen dies anders.

Kern des Streits

Einzweck oder Mehrzweck?
Die Unterscheidung ist entscheidend:

Typ GutscheinLeistungsort & Steuerhöhe bei Ausgabe bestimmt?Zeitpunkt der Umsatzsteuer
Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 UStG)JaBereits bei Ausgabe/Übertragung
Mehrzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 15 UStG)Nein (erst bei Einlösung sicher)Erst bei Einlösung

Die Klägerin argumentierte, dass Nutzer aus anderen EU-Staaten theoretisch Gutscheine einlösen könnten. Deshalb sei der Leistungsort nicht sicher bestimmbar.

EuGH und BFH: Entscheidung eindeutig

Bereits der EuGH (C-68/23) stellte klar:

✅ Entscheidend ist, ob zum Zeitpunkt der Ausgabe der Leistungsort gegenüber den Endverbrauchern feststeht.
✅ Ob der Gutschein vorher EU-weit weiterverkauft wird oder gegen Nutzungsbedingungen von anderen Ländern eingelöst werden könnte, spielt keine Rolle.

BFH setzt EuGH-Urteil um

Der BFH bestätigt:

Gutscheincodes für digitale Inhalte im X-Netzwerk sind Einzweck-Gutscheine.
Der Ort der Leistung stand aufgrund der deutschen Nutzerkonten fest, ebenso der Steuersatz (Regelbesteuerung digitaler Inhalte).
Folge: Die Übertragung an Endverbraucher unterliegt der Umsatzsteuer – unabhängig vom Vertriebsweg.

Damit unterfallen sowohl Verkäufe über den Betreiber der Plattform als auch Wiederverkäufe über Zwischenhändler der Besteuerung.

Wichtig: Abgrenzung zur alten Rechtslage

  • Seit dem 01.01.2019 gilt das neue Gutscheinrecht (§ 3 Abs. 13–15 UStG).
  • Für vor dem 01.01.2019 ausgegebene Gutscheine hat der BFH bereits 2022 entschieden, dass die Übertragung ebenfalls steuerpflichtig war (Anzahlung + Warencharakter).
    ➡️ Fazit: Praktisch ergeben sich kaum Unterschiede – aber die rechtliche Begründung ist heute eine andere.

Was bedeutet das für die Praxis?

Plattformen, App-Stores, Gaming- und Streaminganbieter:
Gutscheincodes mit Länderbindung (z. B. DE) sind regelmäßig Einzweck-Gutscheine → Umsatzsteuer entsteht sofort bei Ausgabe bzw. Weiterverkauf.

Zwischenhändler (EU-weit):
Der Vertriebsweg ändert nichts – auch der Weiterverkauf ist steuerpflichtig.

Buchhaltung & ERP-Systeme:
Behandlung als Einzweck-Gutschein muss systemseitig korrekt abgebildet sein (USt bei Verkauf, nicht erst bei Einlösung).

Betriebsprüfung:
Gerade in der Digitalwirtschaft ein häufiges Problemfeld. Fehler führen schnell zu Umsatzsteuer-Nachforderungen.


Fazit

Der BFH schafft Klarheit:
Gutscheincodes für digitale Inhalte mit feststehendem Leistungsort und Steuersatz sind Einzweck-Gutscheine.
Damit löst die Übertragung bereits bei Ausgabe Umsatzsteuer aus – unabhängig davon, über welche Händler oder Plattformen die Codes verkauft werden.