Wichtig für Entwickler, Bauträger, Investoren und Berater
Mit Urteil vom 2. Juli 2025 (II R 19/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zentrale Aussagen zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer sowie zur Ermessensausübung des Finanzamts getroffen. Die Entscheidung ist für Praxisfälle rund um Grundstückskauf + Bauverpflichtung besonders relevant.
Im Folgenden die wichtigsten Punkte im Überblick:
1. Grunderwerbsteuer: Finanzamt muss Ermessen begründen, wenn Käufer und Verkäufer Kosten teilen
Haben die Vertragsparteien vereinbart, dass Käufer und Verkäufer die Grunderwerbsteuer je zur Hälfte tragen, und ist diese Vereinbarung dem Finanzamt bekannt, gilt Folgendes:
👉 Wird der Käufer dennoch für die gesamte Steuer herangezogen, muss das Finanzamt dies begründen.
Es genügt nicht, einfach die gesamte Steuer festzusetzen. Vielmehr müssen die maßgeblichen Ermessenserwägungen nachvollziehbar im Bescheid stehen.
Praktische Bedeutung
- Käufer können Bescheide angreifen, wenn das FA keine ausreichende Ermessensbegründung liefert.
- Steuerberater sollten in der Einspruchsbegründung gezielt auf fehlendes Ermessen hinweisen.
2. Keine Einbeziehung von Baukosten in die Grunderwerbsteuer bei Erwerb über die „Veräußererseite“
Dies ist der zentrale Punkt des Urteils:
Baukosten gehören NICHT in die Bemessungsgrundlage, wenn
- das unbebaute Grundstück von einer Person erworben wird,
- die zur Veräußererseite gehört und
- die bestimmenden Einfluss darauf hat, ob und wie gebaut wird.
Das gilt auch dann, wenn:
- das Grundstück nicht von der Person selbst, sondern
- von einer von dieser Person beherrschten Gesellschaft
erworben wird.
Warum ist das wichtig?
Normalerweise wird beim Erwerb eines „zu bebauenden Grundstücks“ (klassischer Bauträgerfall) ein einheitlicher Erwerbsgegenstand unterstellt. Dann fließen Baukosten mit in die Bemessungsgrundlage ein – oft mit enormer steuerlicher Wirkung.
Der BFH stellt nun klar:
👉 Wenn der Erwerber Teil der Veräußererseite ist, fehlt es an der typischen Gegenleistungskette.
Der Erwerber befindet sich dann nicht in der Position eines marktüblichen Vertragspartners. Die Bebauung ist nicht „von außen“ vorgegeben.
Damit entfällt der Tatbestand des einheitlichen Erwerbsgegenstands.
3. Vorteile für Konzern-, Familien- und Beherrschungsstrukturen
Das Urteil wirkt vor allem in folgenden Gestaltungen:
- Erwerb durch Schwestergesellschaften
- Erwerb durch Tochtergesellschaften eines beherrschenden Gesellschafters
- Familiengesellschaften, in denen eine Person faktisch das Bauvorhaben steuert
- Konstellationen, in denen ein Gesellschafter sowohl beim Verkäufer als auch beim Projektentwickler dominiert
Der BFH ermöglicht hier mehr steuerliche Neutralität:
Baukosten führen nicht automatisch zu höherer Grunderwerbsteuer, wenn es sich um “interne” Strukturierungen handelt.
4. Beratungshinweis
Das Urteil eröffnet Gestaltungsspielräume, erfordert aber präzise Analyse:
- Wer gehört zur „Veräußererseite“?
- Wer hat den „bestimmenden Einfluss“?
- Wie ist die gesellschaftsrechtliche Beherrschung ausgestaltet?
- Liegt dennoch ein faktisches Bauangebot vor?
Die Entscheidung ist ein Gewinn an Rechtssicherheit – kann aber je nach Strukturierung auch Risiken bergen, wenn der Einfluss nicht klar nachweisbar ist.
Fazit
Der BFH stärkt die Rechte von Erwerbern und bringt Klarheit ins Baukosten-Dilemma bei der Grunderwerbsteuer:
- Aufteilungsvereinbarungen der Grunderwerbsteuer müssen vom Finanzamt beachtet und begründet werden.
- Keine Einbeziehung von Baukosten in die Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerber der Veräußererseite zuzurechnen ist oder durch diese beherrscht wird.
Ein Urteil mit hoher Relevanz für Projektentwickler, Gesellschaftsstrukturen und die steuerliche Gestaltung von Grundstückserwerben.