BFH: Umsatzsteuerbefreiung für nicht zugelassene private Krankenhäuser – nur bei sozial vergleichbaren Bedingungen

Urteil vom 08.07.2025 – XI R 36/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausleistungen privater Einrichtungen Stellung genommen – diesmal mit Fokus auf Krankenhäuser, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind.

Das Urteil ist für private Klinikbetreiber, medizinische Versorgungszentren und Investoren besonders relevant.


1. Kernaussagen des BFH

Der BFH stellt zwei wesentliche Punkte klar:

1.1. Berufung auf EU-Recht möglich – aber nur bis 31.12.2019

Ein nicht zugelassenes privates Krankenhaus konnte sich bis Ende 2019 unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen.

➡️ Folge: Krankenhausleistungen konnten unter Umständen umsatzsteuerfrei sein, auch wenn keine Zulassung nach § 108 SGB V vorlag.

(Ab 2020 gelten neue gesetzliche Anforderungen, die eine solche Berufung faktisch ausschließen.)


1.2. Umsatzsteuerfreiheit setzt „soziale Vergleichbarkeit“ voraus

Die Steuerbefreiung gilt nicht automatisch.

Sie setzt voraus, dass das Krankenhaus Leistungen unter Bedingungen erbringt, die mit den gesetzlichen Krankenhäusern sozial vergleichbar sind.

Der BFH verlangt insbesondere:

  • leistungsfähige medizinische Versorgung,
  • wirtschaftlicher Betrieb,
  • Vergleichbarkeit der Patientengewährleistung mit § 108 SGB V-Krankenhäusern,
  • keine reine „Luxus- oder Wahlleistungsmedizin“ ohne sozialen Charakter.

➡️ Fehlt diese Vergleichbarkeit, besteht keine USt-Befreiung.


2. Hintergrund der Entscheidung

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL sind „Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen“ steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder „anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art“ erbracht werden.

Deutschland knüpft diese Anerkennung grundsätzlich an die Zulassung nach § 108 SGB V.

Private Krankenhäuser, die nicht zugelassen waren, beriefen sich lange erfolgreich auf das EU-Recht – allerdings nur unter engen Voraussetzungen.

Mit der Neuregelung ab 2020 wurde die Möglichkeit der direkten Berufung eingeschränkt.


3. Bedeutung des Urteils für die Praxis

Nachforderungen möglich?

Für Zeiträume bis 2019 kann das Urteil zu Streitigkeiten führen, wenn private Kliniken Steuerbefreiungen geltend gemacht haben, ohne die sozialen Voraussetzungen nachweisbar zu erfüllen.

Für aktuelle und zukünftige Jahre

Ab 2020 ist der Spielraum deutlich kleiner – die Steuerbefreiung setzt höhere nationale Anforderungen voraus.

Wirtschaftliche Risiken

Nicht anerkannte Kliniken müssen bei fehlender Vergleichbarkeit Umsatzsteuer auf Behandlungen erheben – mit Auswirkungen auf:

  • Preisgestaltung
  • Wettbewerbsfähigkeit
  • Margen

Dokumentationspflichten

Private Krankenhausträger sollten sorgfältig dokumentieren:

  • medizinische Standards
  • Personalstruktur
  • Patientenmix (z. B. gesetzlich/privat)
  • Kooperationen mit GKV-System

4. Fazit

Der BFH bleibt seiner Linie treu:

➡️ Keine Umsatzsteuerbefreiung für private Krankenhäuser ohne Zulassung nach § 108 SGB V, wenn diese nicht unter sozial vergleichbaren Bedingungen arbeiten.
➡️ Berufung auf EU-Recht war bis Ende 2019 möglich, schützt aber nur Einrichtungen, die ähnliche soziale Aufgaben erfüllen wie öffentliche oder zugelassene Krankenhäuser.

Für die Branche bedeutet das:
Die Anforderungen an die Steuerbefreiung bleiben hoch – und die Nachweispflichten steigen.