BFH: Selbstunterhaltsfähigkeit bei behinderten volljährigen Kindern – ALG II/Bürgergeld kann angerechnet werden

BFH, Urteil vom 25.09.2025 – III R 20/23

Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, wie Sozialleistungen bei der Prüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit volljähriger behinderter Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind.


🔍 Kernaussagen des Urteils

  1. Sozialleistungen erhöhen grundsätzlich die Selbstunterhaltsfähigkeit
    • Dazu gehören insbesondere:
      • Erwerbsminderungsrenten
      • früheres ALG II
      • Bürgergeld nach § 19 ff. SGB II
  2. Ausnahme: Leistungen sind nicht zur eigenen Lebensführung bestimmt
    Sozialleistungen dürfen dann nicht angerechnet werden, wenn sie:
    • nicht zur Deckung des persönlichen Lebensunterhalts bestimmt sind oder
    • hierfür tatsächlich nicht geeignet sind.
  3. Bedarfsgemeinschaft kann Anrechnungsfähigkeit einschränken
    • Bei ALG II/Bürgergeld ist eine Ausnahme möglich, wenn das Kind in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und seine eigenen finanziellen Mittel (z. B. Erwerbsminderungsrente) sozialrechtlich auf andere Haushaltsmitglieder umverteilt werden.
    • Dann gelten diese Leistungen nicht als reale Mittel für den Selbstunterhalt des Kindes.

📌 Bedeutung für Kindergeld/Behindertenstatus

Die Entscheidung ist relevant für die Frage, ob Eltern weiterhin Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag haben.

Denn:
Für behinderte volljährige Kinder kommt es darauf an, ob sie sich selbst unterhalten können.

ZustandFolgen für Kindergeld
Leistungen decken eigenen Lebensbedarfkein Kindergeldanspruch
Leistungen werden innerhalb der Bedarfsgemeinschaft umverteiltKindergeldanspruch kann bestehen bleiben

🧾 Praxisbeispiel

Ein volljähriges Kind mit Behinderung erhält:

  • Erwerbsminderungsrente
  • Bürgergeld als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft

➡️ Wird die Rente im Rahmen der Haushaltsgemeinschaft anteilig für andere Familienmitglieder verwendet, ist das Kind nicht voll selbstunterhaltsfähig.
Damit kann der Anspruch auf Kindergeld bestehen bleiben.


💡 Bedeutung des Urteils für Eltern

  • Prüfung des Selbstunterhalts muss künftig differenzierter erfolgen.
  • Entscheidend ist nicht nur die Leistungshöhe, sondern ob die Leistung dem Kind tatsächlich zur Verfügung steht.
  • Bei Bedarfsgemeinschaften ist eine genaue Aufschlüsselung der Mittelverwendung wichtig.

📎 Quelle: BFH, Urteil vom 25.09.2025 – III R 20/23