Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum 31.12.2025 geändert


Redaktionelle Klarstellungen mit großer praktischer Bedeutung

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) umfangreich geändert. Nach offizieller Lesart handelt es sich zwar überwiegend um redaktionelle Anpassungen ohne materiell-rechtliche Auswirkungen, tatsächlich betreffen die Änderungen jedoch zahlreiche praxisrelevante Themen – von der Geschäftsveräußerung im Ganzen über unentgeltliche Wertabgaben, Vermittlungsleistungen, Vorsteuerabzug, Fahrzeugnutzung bis hin zu Holdingstrukturen und Rechnungsberichtigung.

Für Unternehmer, Berater und Finanzverwaltungen ergeben sich daraus wichtige Klarstellungen und ein erhöhter Anpassungsbedarf in der laufenden Umsatzsteuerpraxis.


1. Hintergrund der Änderungen

Der UStAE berücksichtigte bislang teilweise nicht die aktuelle Rechtsprechung des BFH und des EuGH, soweit diese bereits im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht war. Zudem enthielt der Anwendungserlass zahlreiche redaktionelle Unschärfen und veraltete Verweisungen, insbesondere nach Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes, des Bürokratieentlastungsgesetzes IV und des Jahressteuergesetzes 2024.

Das BMF fasst nunmehr diese Anpassungen in einem umfassenden Änderungsschreiben zusammen. Da nach Auffassung des BMF keine materiell-rechtlichen Änderungen vorgenommen wurden, ist keine gesonderte Anwendungsregelung vorgesehen.


2. Geschäftsveräußerung im Ganzen: Klarstellung nach BFH-Rechtsprechung

Besonders relevant ist die Anpassung in Abschnitt 1.5 UStAE zur Geschäftsveräußerung im Ganzen. Das BMF stellt klar, dass nur solche Leistungen von der Nichtsteuerbarkeit erfasst sind, die unmittelbar mit dem Übertragungsvorgang zusammenhängen und ausschließlich der Fortführung des Betriebs dienen.

Leistungen mit eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung, etwa eine gesondert vergütete Verpflichtung zur Betriebsfortführung durch den Erwerber, fallen nicht unter die Geschäftsveräußerung. Damit übernimmt die Finanzverwaltung ausdrücklich die Linie des BFH. Für Unternehmenskäufe und Asset Deals bedeutet dies eine noch genauere Abgrenzung steuerbarer und nicht steuerbarer Leistungsbestandteile.


3. Unentgeltliche Wertabgaben und Zuwendungen

Der UStAE wurde an mehreren Stellen zur unentgeltlichen Abgabe von Gegenständen präzisiert. Hervorzuheben ist die Klarstellung, dass die Steuerbarkeit nicht entfällt, wenn der Empfänger die zugewendeten Gegenstände unternehmerisch nutzt. Ebenso ist es unerheblich, ob der Zuwendende außerunternehmerische Zwecke verfolgt.

Praktisch bedeutsam sind auch die aufgenommenen Beispiele zur unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus Biogasanlagen sowie zur Abgrenzung von Warenmustern. Diese Klarstellungen erhöhen die Rechtssicherheit, erfordern aber eine saubere Dokumentation der Leistungszusammenhänge.


4. Vermittlungsleistungen und Steuerbefreiungen

In mehreren Abschnitten konkretisiert das BMF die Voraussetzungen steuerfreier Vermittlungsleistungen. Eine steuerfreie Vermittlung setzt nun ausdrücklich einen eindeutigen Bezug zu konkreten steuerfreien Umsätzen voraus. Eine Aufteilung einer einheitlichen Vermittlungsleistung in steuerfreie und steuerpflichtige Teile ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Diese Klarstellung betrifft unter anderem Versicherungs-, Finanz- und Schifffahrtsvermittlungen sowie sogenannte Klarierungsagenten. Für Vermittler steigt damit die Bedeutung einer klaren Leistungsbeschreibung und Vertragsgestaltung.


5. Fahrzeugnutzung: Umsatzsteuerliche Behandlung präzisiert

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Überarbeitung von Abschnitt 15.23 UStAE zur privaten Nutzung von Fahrzeugen. Das BMF stellt klar:

  • Die 1-%-Regelung kann nur angewendet werden, wenn das Fahrzeug zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird.
  • Wird kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt und greift auch keine Kostendeckelung, ist der private Nutzungsanteil sachgerecht zu schätzen.
  • Bei entgeltlicher Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer ist der umsatzsteuerliche Wert als Nettowert zu verstehen; die Umsatzsteuer ist hinzuzurechnen.

Diese Präzisierungen haben unmittelbare Auswirkungen auf die laufende Umsatzbesteuerung von Firmenwagen.


6. Vorsteuerabzug: Stärkere Betonung der wirtschaftlichen Zuordnung

Ein zentraler Schwerpunkt der Änderungen liegt im Bereich des Vorsteuerabzugs. Das BMF betont an zahlreichen Stellen:

  • Maßgeblich ist nicht nur die tatsächliche Verwendung, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes.
  • Bei gemischter Nutzung ist vorrangig eine direkte wirtschaftliche Zuordnung vorzunehmen; erst wenn dies nicht möglich ist, erfolgt eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG.
  • Der Vorsteuerabzug ist auch bei formellen Mängeln nicht ausgeschlossen, sofern die Identität der Beteiligten und die Leistung eindeutig feststehen.

Besonders relevant sind diese Klarstellungen für Holdinggesellschaften, gemischt genutzte Immobilien und Beteiligungsstrukturen.


7. Rechnungen, Steuerschuldnerschaft und Missbrauchsfälle

Das BMF greift aktuelle EuGH- und BFH-Rechtsprechung auf, insbesondere zu Fällen, in denen Rechnungen ohne Wissen oder Zustimmung des Unternehmers ausgestellt werden. Hier wird klargestellt, unter welchen Voraussetzungen dennoch eine Steuerschuld entstehen kann und wann ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.

Zugleich wird die Feststellungslast beim Vorsteuerabzug ausdrücklich dem Unternehmer zugewiesen. Finanzbehörden dürfen neben Rechnungen auch weitere Nachweise verlangen.


8. Fazit: Formal redaktionell – praktisch hochrelevant

Auch wenn das BMF die Änderungen als rein redaktionell einstuft, entfalten sie in der Praxis erhebliche Wirkung. Die Anpassungen sorgen für mehr Systematik, übernehmen aktuelle Rechtsprechung und verschärfen an mehreren Stellen die Anforderungen an Dokumentation, Zuordnung und Vertragsgestaltung.

Unternehmer und Berater sollten ihre umsatzsteuerlichen Prozesse, insbesondere bei Fahrzeugnutzung, Vorsteueraufteilung, Vermittlungsleistungen und Konzernstrukturen, zeitnah überprüfen. Andernfalls drohen Risiken in Betriebsprüfungen – nicht wegen neuer Gesetze, sondern wegen präzisierter Verwaltungsauffassung.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schreiben vom 19.12.2025 – Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses zum 31.12.2025