|
|
|
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). |
|
|
Entgegen der Ansicht des FG stellt das hier zu beurteilende Set kein Warenmuster i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG für die beworbenen Teststreifen dar. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Überlassung eines Sets ein Geschenk von geringem Wert im Sinne dieser Vorschrift ist. |
|
|
1. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG werden einer Lieferung gegen Entgelt jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens, gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). |
|
|
a) In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/23, 196) wird zu der mit Wirkung ab 1. April 1999 durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingeführten Vorschrift ausgeführt: |
|
|
„Nach dem neuen § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG werden unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen besteuert, die aus unternehmerischen Gründen (z.B. zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege) erbracht werden. Hierunter fallen z.B. höherwertige Geschenke an Geschäftsfreunde, Sachspenden an Vereine, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen usw. zu Werbezwecken. Ausgenommen von der Besteuerung werden lediglich Geschenke von geringem Wert oder die Abgabe von Warenmustern. Die Regelung entspricht Artikel 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie und dient der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs. Geschenke und andere unternehmerisch veranlasste Warenabgaben werden nur besteuert, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des abgegebenen Gegenstands oder seine Bestandteile mit Umsatzsteuer belastet waren und der Unternehmer hinsichtlich dieser Steuer entweder zum vollen oder zumindest teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt war.“ |
|
|
b) Die Vorschrift entspricht Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, unter II.1.; vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61). |
|
|
Durch Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter (Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). |
|
|
c) Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG sicher, dass ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen entnimmt, und ein gewöhnlicher Verbraucher, der einen Gegenstand gleicher Art kauft, gleich behandelt werden. Diese Bestimmung lässt es daher nicht zu, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt, und dass er so gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher, der beim Erwerb des Gegenstands Mehrwertsteuer zahlt, einen ungerechtfertigten Vorteil genießt. Die Besteuerung der in Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG erwähnten Entnahmen dient nämlich der Verhinderung von unversteuertem Endverbrauch (vgl. EuGH-Urteile vom 6. Mai 1992 C-20/91 –de Jong–, Slg. 1992, I-2847, Rz 15; vom 20. Januar 2005 C-412/03 –Hotel Scandic Gåsabäck–, Slg. 2005, I-743, UR 2005, 194, Rz 23; in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 17; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61). |
|
|
Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, da er Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens gleichwohl von der Besteuerung ausnimmt (vgl. EuGH-Urteile vom 27. April 1999 C-48/97 –Kuwait Petroleum–, Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 23; in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 18 f.). Die Begriffe in Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG sind daher eng auszulegen, damit die Ziele von Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht beeinträchtigt werden, wobei darauf zu achten ist, dass der Ausnahme für Warenmuster und Geschenke von geringem Wert nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. EuGH-Urteile vom 18. November 2004 C-284/03 –Temco Europe–, Slg. 2004, I-11237, UR 2005, 24, Rz 17; vom 14. Juni 2007 C-434/05 –Horizon College–, Slg. 2007, I-4793, UR 2007, 587, Rz 16; in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 20). |
|
|
2. Das FG hat in der Überlassung eines Sets zu Recht eine unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG gesehen. |
|
|
a) Die GmbH als Zuwendende hat dem jeweiligen Diabetiker als Empfänger des Sets zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft. |
|
|
aa) Das FG hat insoweit festgestellt, dass die GmbH die Sets „über Ärzte, Schulungszentren für Diabetiker und bestimmte Laboreinrichtungen … an interessierte Diabetiker“ überlassen hat. Dies versteht der Senat als Feststellung dahingehend, dass entsprechend dem Zweck der kostenlosen Abgabe eine unentgeltliche Zuwendung des jeweiligen Sets an den Diabetiker und nicht an die Ärzte usw. vorliegt. |
|
|
Ohne Erfolg wendet das FA hiergegen ein, dass nach den Feststellungen des FG die Klägerin ihre Sets vor allem an Ärzte, Schulungszentren für Diabetiker und bestimmte Laboreinrichtungen abgegeben habe. Denn das FG hat den „gewöhnliche[n] Vertriebsweg“ dahingehend konkretisiert, dass nach der Vorstellung der zuwendenden GmbH im Streitfall letztlich die Diabetiker die Beschenkten sein sollten. Den Ärzten, Schulungszentren für Diabetiker und Laboreinrichtungen kam insoweit lediglich eine Botenfunktion zu. Die an die Diabetiker abgegebenen Sets ermöglichten ihnen die Beurteilung und Prüfung des Wesens, der Eigenschaften und der Qualität des Blutzuckermesssystems. |
|
|
bb) Die GmbH hat dem begünstigten Diabetiker unbeschränkte Verfügungsmacht an dem Set eingeräumt, ohne dass dieser eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Der spätere entgeltliche Erwerb der Teststreifen stellt kein „Entgelt“ i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG für den Erhalt des Sets dar. Es fehlt –entgegen der Auffassung der Klägerin– an einem unmittelbaren Leistungszusammenhang und dem Austausch gegenseitiger Leistungen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile vom 3. März 1994 C-16/93 –Tolsma–, Slg. 1994, I-743, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1994, 357, Rz 14; in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 26; BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 31/04, BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183, unter II.1. und 2.; vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N.; vom 15. April 2010 V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879). |
|
|
Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Ablehnung einer entgeltlichen Leistung würde zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung, nämlich zu einer zweimaligen Besteuerung der Abgabe der Sets führen, da sich die unentgeltliche Zuwendung des Sets über den Preis der Teststreifen amortisiere und die Klägerin diesen Verkauf der Teststreifen versteuert habe. Denn die unentgeltliche Zuwendung des Sets (vgl. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG) ist umsatzsteuerrechtlich von einem evtl. späteren Umsatz aus der Veräußerung der Teststreifen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) zu unterscheiden (vgl. auch EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 28). |
|
|
cc) Der Senat folgt nicht der Anregung der Klägerin, gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine Vorabentscheidung des EuGH zur Frage der (Un-)Entgeltlichkeit einzuholen. |
|
|
Die Klägerin hat insoweit die Frage aufgeworfen, ob Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen ist, „dass eine entgeltliche Zuwendung nicht vorliegt, wenn zwischen dem unentgeltlich zugewendeten Gegenstand und späteren entgeltlichen Umsätzen mit anderen Gegenständen ein innerer Zusammenhang dergestalt gegeben ist, dass die später gelieferten Gegenstände ohne den unentgeltlichen zugewendeten Gegenstand technisch nicht benutzt werden können“. |
|
|
Diese Frage stellt sich nicht, weil sie fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Teststreifen nur mit zuvor unentgeltlich zugewendeten Messgeräten benutzt werden können. Vielmehr können die Teststreifen auch mit gekauften Messgeräten der GmbH verwendet werden. Im Übrigen erachtet der Senat die Unionsrechtslage in Anbetracht des zwischenzeitlichen Stands der Rechtsprechung des EuGH als geklärt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 26, 28). |
|
|
Unter diesen Umständen besteht für den Senat keine Vorlagepflicht (vgl. zu den Voraussetzungen EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982 283/81 –C.I.L.F.I.T. u.a.–, Slg. 1982, 3415, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 –Gaston Schul–, Slg. 2005, I-10513, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 –Intermodal Transports–, Slg. 2005, I-8151, Rz 33). |
|
|
dd) Ebenso wenig besteht ein Vorlagebedarf, soweit die Klägerin vorbringt, dass nach der Textfassung der Richtlinie 77/388/EWG eine Auslegung des Art. 5 Abs. 6 dahingehend möglich sei, dass die grammatikalisch mit einem „oder“ verbundene „unentgeltliche Zuwendung“ sich auf den in der Richtlinie 77/388/EWG vorher angeführten Bedarf seines Personals beziehe, so dass lediglich eine unentgeltliche Zuwendung an das Personal den Steuertatbestand erfülle, eine unentgeltliche Abgabe aus unternehmerischen Gründen an andere Personen hingegen nicht. |
|
|
Denn der EuGH hat mit Urteil –Kuwait Petroleum– (Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 22) entschieden, „bereits aus dem Wortlaut“ des Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG gehe hervor, dass „die Sechste Richtlinie die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen, den dieser unentgeltlich weitergibt, dann einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellt, wenn dieser Gegenstand zu einem Vorsteuerabzug berechtigt hat, ohne daß es grundsätzlich entscheidend wäre, ob diese Weitergabe für die Zwecke des Unternehmens stattfindet. Denn Satz 2 dieser Bestimmung, der Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens von der Steuer ausnimmt, hätte keinen Sinn, wenn Satz 1 Entnahmen, die der Steuerpflichtige – für die Zwecke des Unternehmens – unentgeltlich weitergibt, nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen würde.“ Nach dem EuGH (Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 22; vgl. auch Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 8, 9, 11 und 46) ist Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG daher nicht lediglich dahin zu verstehen, dass alleine eine unentgeltliche Zuwendung für den Bedarf des Personals einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist. Die Auslegung des EuGH wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG bestätigt (dazu im Detail vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278, Rz 23). |
|
|
b) Es liegt auch die Zuwendung eines Gegenstands i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor. Überlassen wurde das Set, bestehend aus seinen in einem Karton verpackten und nur zusammen abgegebenen drei Bestandteilen. Dass ein Gegenstand auch aus mehreren Bestandteilen bestehen kann, ergibt sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG. |
|
|
c) Das FG hat ferner festgestellt, dass die Klägerin –wie nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG erforderlich– die Vorsteuern aus den Aufwendungen für die Herstellung der Sets geltend gemacht hat, und dass die Abgabe der Sets für Zwecke des Unternehmens, nämlich zu Werbezwecken, erfolgte. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. |
|
|
3. Entgegen der Ansicht des FG ist das von der GmbH unentgeltlich an Diabetiker abgegebene Set kein Warenmuster i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG für die Teststreifen. |
|
|
Das FG hat die Klagestattgabe darauf gestützt, dass ein Set ein Warenmuster der für den Betrieb des Messgeräts erforderlichen Teststreifen sei. Denn das Blutzuckermessgerät und die Teststreifen stellten eine technische Einheit dar. Die einzelnen Produkte könnten nicht unabhängig voneinander sinnvoll genutzt werden. Es handele sich daher um ein zusammengesetztes Warenmuster. |
|
|
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben. |
|
|
a) Der EuGH hat in dem Urteil –EMI Group– (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 16) entschieden, dass die Richtlinie 77/388/EWG keine Definition des Warenmusterbegriffs enthält. Bei dessen Auslegung sind daher der Wortlaut, der Zusammenhang und die Ziele von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. März 2008 C-98/07 –Nordania Finans und BG Factoring–, Slg. 2008, I-1281, UR 2008, 625, Rz 17, m.w.N.). Ein Warenmuster i.S. von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist danach ein Probeexemplar eines Produkts, durch das dessen Absatz gefördert werden soll und das eine Bewertung der Merkmale und der Qualität dieses Produkts ermöglicht, ohne zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen Endverbrauch zu führen (EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 40 und 1. Leitsatz; vgl. auch Klenk in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 380). |
|
|
b) Diese vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen eines Warenmusters sind im Streitfall nicht erfüllt. |
|
|
aa) Das von der GmbH an Diabetiker unentgeltlich abgegebene Set, bestehend aus Blutzuckermessgerät, Stechhilfe und Teststreifen, ist kein „Probeexemplar eines Produkts, durch das dessen Absatz gefördert werden soll“ im Sinne der dargelegten Definition des EuGH eines Warenmusters. |
|
|
Denn gefördert werden soll mit dieser unentgeltlichen Abgabe des Sets lediglich der Absatz von (nachzukaufenden) Teststreifen, nicht aber auch ein späterer entgeltlicher Erwerb eines weiteren Sets oder eines weiteren Blutzuckermessgeräts oder einer weiteren Stechhilfe. |
|
|
bb) Die unentgeltliche Abgabe des Sets kann auch deshalb nicht als Warenmuster qualifiziert werden, weil sie im Sinne der dargelegten Definition des EuGH eines Warenmusters „zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen Endverbrauch“ führt. |
|
|
Denn die Diabetiker haben mit dem Set unentgeltlich und dauerhaft ein Blutzuckermessgerät und eine Stechhilfe erhalten. |
|
|
Durch das von der GmbH durchgeführte Geschäftsmodell erspart sich der Diabetiker den Kauf des Blutzuckermessgeräts und der Stechhilfe. Diesen umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Letztverbrauch soll § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG –wie dargelegt– gerade verhindern. Die Abgabe eines Warenmusters soll dem Empfänger den Kauf nicht ersparen, sondern zum Kauf anregen (vgl. Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 322.44; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1290; Widmann, UR 2000, 19, 21). |
|
|
Dabei ist es nicht entscheidungserheblich und kann offenbleiben, ob es Vorführgeräte gibt, die bei Ärzten oder in Schulungszentren aufgestellt sind und dort von Patienten ausprobiert werden können, oder ob aus hygienisch-medizinischen Gründen ein Messgerät nur von einem einzigen Diabetiker benutzt werden kann. |
|
|
c) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf Rz 20 des EuGH-Urteils –EMI Group– (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816) vorbringt, es sei darauf zu achten, dass dem Warenmuster nicht die „praktische Wirksamkeit“ genommen werde, kann dieser Einwand im Streitfall nicht durchdringen. Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass der Ausnahme für Warenmuster nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird, weil es bei dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell hinsichtlich der Messgeräte und Stechhilfen an den Eigenschaften von Warenmustern fehlt. |
|
|
d) Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt die Annahme des FG, bei einem Set handele es sich um ein „zusammengesetztes Warenmuster“, keine den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindende Tatsachenfeststellung dar. |
|
|
Der Begriff des Warenmusters ist ein umsatzsteuerrechtlicher Rechtsbegriff (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 16 bis 40). Im Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Bewertung der Überlassung von Sets, bei der es sich um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt. Das FG, das die vom EuGH in der Rechtssache –EMI Group– nach Ergehen des FG-Urteils aufgestellten Rechtsgrundsätze und die in dieser Rechtssache erfolgte rechtliche Begriffsdefinition des Warenmusters nicht kennen konnte, ist bei der Anwendung seiner im vorinstanzlichen Urteil formulierten Rechtssätze auf den konkreten Sachverhalt von anderen Grundsätzen ausgegangen. |
|
|
e) Eine abweichende rechtliche Beurteilung folgt –entgegen der Ansicht der Klägerin– auch nicht aus dem Beispiel im Schlussantrag des Generalanwalts Jääskinen vom 15. April 2010 in der Rechtssache –EMI Group– (Slg. 2010, I-8607). Nach Ansicht des Generalanwalts könne ein Warenmuster auch dann vorliegen, wenn es einen Werbezweck dahingehend erfülle, dass es bei den Käufern eine neue Gewohnheit entstehen lasse. Auch könnten Einzelexemplare, etwa von Büchern, Zeitschriften oder CDs, Warenmuster sein, wenn mit der Abgabe das Ziel verfolgt werde, für eine Serie, Sammlung, Mitgliedschaft in einem Buchclub oder das Abonnement einer Zeitschrift zu werben. |
|
|
Der EuGH hat in dem Urteil –EMI Group– (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816) diese Erwägung nicht übernommen und insbesondere den Begriff „Gewohnheit“ nicht benutzt. Im Übrigen ist der Streitfall auch nicht mit dem Beispielssachverhalt vergleichbar. |
|
|
f) Ferner folgt der Senat nicht der Anregung der Klägerin, gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des EuGH zu den Rechtsfragen einzuholen, ob auch zusammengesetzte Warenmuster unter den Begriff des „Warenmusters“ fallen, und wie die Voraussetzung „ohne zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen Endverbrauch“ für die Annahme eines Warenmusters zu verstehen ist. Die Vorlage kommt nicht in Betracht, weil die Fragen, die der EuGH nach Ansicht der Klägerin beantworten soll, von den konkreten, festgestellten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen. Darüber hinaus erachtet der Senat für den Streitfall die Definition eines Warenmusters in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH als geklärt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 40 und 1. Leitsatz). Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht. |
|
|
4. Die Sache ist nicht spruchreif. |
|
|
§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG nimmt –neben der unentgeltlichen Zuwendung von Warenmustern– auch Geschenke von geringem Wert von einer Besteuerung aus. Die Feststellungen des FG –das ausgehend von seiner Rechtsauffassung diese Ausnahme nicht abschließend geprüft hat– reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Überlassung des jeweiligen Sets ein Geschenk von geringem Wert ist. Für diese Beurteilung hat das FG im zweiten Rechtsgang die im EuGH-Urteil –EMI Group– (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816) aufgestellten Grundsätze zu beachten. |
|
|
Ausgehend von den Feststellungen des FG ist –wie unter II.2.a aa dargelegt– der Diabetiker für das jeweilige Set Geschenkempfänger, da die Beurteilung der Übergabe eines Gegenstands als „Geschenk von geringem Wert“ davon abhängt, wer nach der Vorstellung des Schenkers der letztlich Beschenkte sein sollte (EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 49). |
|
|
Bei Geschenken von geringem Wert handelt es sich im Streitjahr um die Abgabe von Waren, deren individueller Nettowert ohne Umsatzsteuer den Betrag von 75 DM nicht übersteigt (vgl. § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 1. April bis 31. Dezember 1999; Abschn. 24b Abs. 8 Satz 6 UStR 2000; Michl in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 74d; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 322.42 f.). Diese auf das Streitjahr bezogene Wertgrenze liegt innerhalb des durch Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Ermessensspielraums (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816, Rz 44; Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 3 Rz 1270 f.; Widmann, UR 2000, 19, 21). Auf die durchschnittlichen Aufwendungen der GmbH kommt es nicht an. |
|
|
Soweit die Klägerin einwendet, dass das Set bereits vor der Zuwendung durch die im Rahmen des Ausprobierens erfolgte Kontamination wertlos wird, folgt der Senat dem im Ergebnis nicht. Die Zuwendung und Übergabe des Sets gehen dem Ausprobieren durch den Diabetiker voraus. Im Streitfall stand von vornherein fest, dass der Diabetiker das im Rahmen einer Schulung benutzte Set behalten und nach Belieben darüber verfügen durfte. |
|