Abgasskandal: Kein Schadensersatz beim Kauf nach Update von „eigener“ Gesellschaft

Mit einer besonderen Konstellation im sog. „Abgasskandal“ hatte sich der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm in einem Urteil vom 21.01.2020 zu befassen.

Der Kläger aus Brakel verlangt Schadensersatz von der Volkswagen AG als Herstellerin eines von dem sog. „Abgasskandal“ betroffenen VW Golfs. Dieses Fahrzeug hatte er im Februar 2017 für etwa 8.000 Euro aus der Liquidationsmasse einer von ihm selbst als Gesellschaftergeschäftsführer geführten und Anfang 2017 abgewickelten Gesellschaft erworben, nachdem eine zunächst vorhandene „Umschaltlogik“ im Schadstoffmanagement des Motors durch ein Softwareupdate beseitigt worden war. Die Gesellschaft hatte den Pkw ursprünglich im November 2014 für circa 13.000 Euro von einem Autohändler gekauft.

Der Kläger verlangt von der Volkswagen AG im Wesentlichen die Erstattung des Kaufpreises von etwa 8.000 Euro unter Abzug einer Nutzungsentschädigung sowie des Erlöses von 4.500 Euro, den er wiederum beim Verkauf des Pkw erzielen konnte. Er meint, er sei vorsätzlich und sittenwidrig von der Volkswagen AG geschädigt worden. Über die vorhandene „Umschaltlogik“ sei bereits die von ihm geführte und zwischenzeitlich abgewickelte Gesellschaft getäuscht worden, als sie den ursprünglichen Kaufvertrag im November 2014 geschlossen habe. Auf diesen Zeitpunkt sei auch hier abzustellen, weil es sich bei dem Vertrag zwischen ihm und der Gesellschaft im Ergebnis nur um eine Entnahme in sein Privatvermögen handele.

Das Landgericht Paderborn ist in seinem Urteil vom 22.10.2018 (Az. 3 O 436/17) der Argumentation des Klägers nicht gefolgt. Von einer Täuschung, die zu dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen ihm und der abgewickelten Gesellschaft geführt hätte, könne – so das Landgericht – nicht ausgegangen werden. Der Kaufvertrag sei erst im Februar 2017 geschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Einsatz der „Umschaltlogik“ im Schadstoffmanagement allgemein bekannt gewesen.

Insbesondere sei dies breit in der Öffentlichkeit diskutiert worden; sämtliche Medien hätten hierzu berichtet. Auf den ursprünglichen Kaufvertrag aus November 2014, mit dem die abgewickelte Gesellschaft das Fahrzeug erworben habe, könne nicht abgestellt werden.

Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hat der 13. Zivilsenat zurückgewiesen. Zwar könne – wie der Senat zur Begründung ausführt – der Hersteller eines Fahrzeugs nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 10.09.2019, Az. 13 U 149/18, Pressemitteilung „Abgasskandal: VW muss Schadensersatz an Kundin zahlen“ vom 10.09.2019) unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung auf Erstattung des vom Käufer gezahlten Kaufpreises haften.

Allerdings habe der Kläger hier das Fahrzeug nach Aufspielen des Updates und damit nach Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung sowie in Kenntnis der Betroffenheit des Fahrzeuges vom sog. „Abgasskandal“ durch einen herkömmlichen Kaufvertrag erworben.

Die ursprüngliche Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung rechtfertige den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung nicht. Denn der Kläger habe den Pkw zu einem Zeitpunkt erworben, als diese Abschalteinrichtung durch das vom Kraftfahrtbundesamt geprüfte und für ausreichend erachtete Update bereits entfernt gewesen sei. Insbesondere drohe damit nicht mehr eine Betriebsuntersagung aufgrund der bei der Herstellung des Fahrzeugs verwendeten Software. Die Verwendung der unzulässigen Software sei dem Kläger zudem bei Erwerb des Pkw bekannt gewesen, wie er selbst bestätigt habe. Eine andere Bewertung sei nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger als alleiniger Gesellschaftergeschäftsführer der von ihm geführten Gesellschaft gegen Zahlung von etwa 8.000 Euro den Pkw vom Gesellschafts- in sein Privatvermögen überführt habe. Denn bei dem vom Kläger im Februar 2017 geschlossenen Vertrag handele es sich trotz seiner Stellung als Gesellschaftergeschäftsführer um einen Vertrag mit einem von ihm verschiedenen Rechtsträger und damit um einen herkömmlichen Kaufvertrag. Die Frage, ob er zu diesem Vertragsschluss in sittenwidrigerweise veranlasst worden sei, hänge nicht von einer etwaigen gesellschafts- und steuerrechtlichen Bewertung dieses Vorgangs als „Privatentnahme“ ab, sondern davon, ob der Kläger das Fahrzeug nicht ohne ein sittenwidriges Verhalten der Volkswagen AG gegen Zahlung des Kaufpreises übernommen hätte, was nicht festgestellt werden könne.

Auch vom Kläger behauptete nachteilige Folgen des Softwareupdates würden eine Haftung der Volkswagen AG nicht rechtfertigen. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Volkswagen AG über die Eigenschaften des Softwareupdates getäuscht hätte, zumal sie ihr Vorgehen bei der Entwicklung des Updates mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmt habe.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 29.01.2020 zum Urteil 13 U 476/18 vom 21.01.2020 (rkr)