Alt-Lebensversicherungen: Besteuerung der Rentenzahlungen wieder offen – Ertragsanteil vs. BFH-Rechtsprechung

Bei vielen Mandanten laufen aktuell private Lebens- und Rentenversicherungen aus, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden. Genau hier wird die steuerliche Einordnung wieder spannend: Die Frage, ob Rentenzahlungen aus solchen Altverträgen tatsächlich nur mit Ertragsanteil zu versteuern sind, ist erneut Gegenstand gerichtlicher Musterverfahren.


🔍 Ausgangslage

Altverträge genießen grundsätzlich eine steuerliche Privilegierung:

  • Kapitalauszahlung → steuerfrei
  • Rente statt Kapitalauszahlung → bislang Ertragsanteilsbesteuerung (§ 22 EStG)

Die Finanzverwaltung vertrat seit Jahren:
Entscheidet sich der Versicherungsnehmer gegen das Kapitalwahlrecht und für eine monatliche Rente, sind diese Renten zwingend mit dem Ertragsanteil zu versteuern.


⚖️ BFH 2021: „Keine Ertragsanteilsbesteuerung“

Der Bundesfinanzhof stellte 2021 überraschend klar:

  • Bei Auskehrung als Rente mit Verzicht auf das Kapitalwahlrecht
  • gehören die Rentenzahlungen zunächst vollständig zu den Einkünften aus Kapitalvermögen
  • und bleiben steuerfrei, solange die Rentensumme das eingezahlte Kapital nicht übersteigt.

Erst danach greife die Vollbesteuerung – nicht der Ertragsanteil.

💡 Ergebnis: Die Besteuerung wäre später, aber deutlich höher – und im Regelfall erst nach vielen Jahren.


🏛️ Jahressteuergesetz 2024: BFH-Urteil ausgehebelt

Mit dem JStG 2024 wurde die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich zementiert:

  • Ertragsanteil bleibt zwingend
  • auch für Alt-Verträge mit Kapitalwahlrecht
  • und das rückwirkend für alle offenen Fälle

➡️ Der Gesetzgeber erklärte die BFH-Rechtsprechung damit für „nicht anwendbar“.


❗ Problem: Rückwirkungsverbot?

Steuerjuristisch ist streitig:

PunktBewertung
BFH-Urteil war für Steuerpflichtige günstigerja
Gesetzgeber kassiert dieses Ergebnis rückwirkendja
Handelt es sich um eine echte Rückwirkung?umstritten

🔸 Eine echte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig, wenn belastend.
🔸 Der Gesetzgeber spricht von „Klarstellung“, faktisch liegt aber eine Änderung zulasten der Steuerpflichtigen vor.


⚖️ Musterverfahren laufen bereits

Aktuell anhängig:

  • FG Münster
  • FG Nürnberg

Beide Gerichte prüfen:
Ist die rückwirkende Festschreibung des Ertragsanteils verfassungsgemäß?

👉 Für vergleichbare Fälle sollte Einspruch eingelegt und auf diese Verfahren verwiesen werden.

Ob das Finanzamt einem Ruhensantrag zustimmt, ist offen – aber aufgrund der Masse der Betroffenen wahrscheinlich.


📌 Fazit

  • Die neue gesetzliche Regelung belastet bestimmte Altverträge stärker als das BFH-Modell.
  • Die Frage der Verfassungsmäßigkeit ist noch offen.
  • Steuerpflichtige sollten ihre Bescheide unbedingt offenhalten.

📝 Empfehlung für die Praxis

  1. Bei Rentenzahlung aus Altvertrag (vor 2005):
    • Bescheid prüfen
    • Einspruch einlegen
    • Ruhen des Verfahrens beantragen
    • Verweis auf FG Münster & FG Nürnberg
  2. Auszahlungsvarianten vorab durchrechnen:
    • Kapital vs. Rente steuerlich vergleichen
    • Rentendauer und Gesamtbezugsvolumen berücksichtigen

Wenn Sie betroffen sind oder Verträge ab 2024 in die Auszahlungsphase wechseln, sprechen Sie uns an – wir prüfen, welche Option steuerlich optimal ist und sichern Ihre Ansprüche im laufenden Musterverfahren.