Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems als medizinisch indizierte Krankheitskosten

Der 5. Senat hat mit Urteil vom 14. August 2013 (Az. 5 K 238/12, veröffentlicht in EFG 2013, 1846) entschieden, dass Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems, die damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten zur Vorbesprechung und zu dem Operationstermin selbst sowie die im Zuge der Operation entstandenen Medikamentenkosten, als medizinisch indizierte Krankheitskosten zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG sein können.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die 1968 geborene, 168 cm große und 63 kg schwere Klägerin klagte über Schwellung und Schmerzen der unteren Extremitäten, die schon seit Jahren bestünden und mit der Zeit an Stärke zugenommen hätten. Es wurde ein Lip-/Lymphödem beider Beine diagnostiziert. Ein Venenleiden bestehe nicht, letztlich dürfte eine Liposuktion in Frage kommen. Der Klägerin wurde bestätigt, dass es bei der Erkrankung der Klägerin darauf ankomme, eine frühzeitige Behandlung einzuleiten, um Folgeschäden zu vermeiden. Da sich gezeigt habe, dass eine alleinige Therapie mit Lymphdrainagen und Kompression nicht zum Erfolg geführt habe, solle auch an operative Maßnahmen gedacht werden. Ergänzend führte Dr. B aus, dass bei aktiver sportlicher Betätigung Schmerzen in den Fettpolstern angegeben worden seien, ohne dass bei der Klägerin eine Übergewichtigkeit vorgelegen habe. Er habe eine Lipohyperplasie vom Typ 1b festgestellt. Dabei handelte es sich um eine Fettanlagestörung, die symmetrisch auftrete und bei Frauen meist nach hormonellen Umstellungen beginne und durch einen chronischen Verlauf gekennzeichnet sei. Die Störung sei grundsätzlich nicht diätetisch behandelbar. Die krankhaft vermehrten Fettzellen blieben erhalten und würden durch Quetschung der Lymphbahnen, der Blutgefäße und Nerven zur Entwicklung von Beschwerden führen. Am 17. Oktober 2011 wurde die Operation durchgeführt. Den dafür anfallenden Betrag in Höhe von 5.500 Euro entrichtete die Klägerin in bar. Die Kosten der Behandlung wurden, auch nicht teilweise, von dritter Seite ersetzt. Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung auch im Einspruchsverfahren.

Der 5. Senat hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Von einer nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Krankheit sei auszugehen, wenn es sich nicht um einen allenfalls als missbeliebigen anzusehenden Zustand handele, sondern um einen anormalen Zustand, der Störungen oder Behinderungen in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen von solchem Gewicht zur Folge habe, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedürfe. Liege eine Krankheit in diesem Sinne vor, entscheide allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für die Linderung seiner Krankheit tragen wolle. Berücksichtigungsfähig seien allerdings nur solche Aufwendungen, die medizinisch indiziert seien, also diejenigen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren, deren Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sei.

Die Liposuktion diene ausschließlich der Therapie der durch die bei der Klägerin vorliegenden Lipohyperplasie vom Typ 1b verursachten Beschwerden und sei medizinisch notwendig gewesen. Insbesondere schieden für die Vornahme des Eingriffs kosmetische Motive der Klägerin aus. Im konkreten Einzelfall stehe der Zwangsläufigkeit nicht entgegen, dass die gesetzlich krankenversicherte Klägerin vor der Durchführung der Operation nicht versucht habe, eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung durch die Versicherung zu erreichen. Die Klägerin habe keine Veranlassung gehabt, über eine Kostenerstattung oder Kostenübernahme durch Dritte nachzudenken. Der Klägerin sei zu einer Liposuktion geraten worden, obgleich diese Behandlungsmöglichkeit nicht im GKV-System vorgesehen sei. Tatsächlich habe es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode gehandelt, für die bis dato keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bezüglich des diagnostischen und therapeutischen Nutzens vorliege. Für neuartige Behandlungsverfahren gelte im Bereich der ambulanten Versorgung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, §§ 135 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 L 1 KR 391/12, juris). Dies bedeute, dass die Klägerin gegen die gesetzliche Krankenversicherung keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für die ambulant durchgeführte Liposuktion hatte. Die Klägerin auf den Weg zu verweisen, vor einer steuerlichen Geltendmachung der Kosten eine Kostenübernahme in einem ggf. mehrere Jahre andauernden Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstreiten, hielt der Senat vorliegend für nicht zumutbar.

Hinzuweisen ist ergänzend auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 04.02.2013 (10 K 542/12; Revision zugelassen VI R 51/13) sowie auf die Besprechung und Hinweise von Hennigfeld in EFG 2013, 1848.

Quelle: FG Schleswig-Holstein