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Neue Hammer Unterhaltsleitlinien

Das Oberlandesgericht Hamm hat die neuen Leitlinien zum Unterhaltsrecht (Stand 01.08.2015) bekannt gegeben. Die Leitlinien sind von den Familiensenaten des Oberlandesgerichts Hamm erarbeitet worden, um eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts zu erzielen.

Die Bedarfssätze/Tabellenbeträge der Düsseldorfer Tabelle sind zum 01.08.2015 aufgrund des erhöhten Mindestbedarfs geändert worden. Dies ist der Grund für die im Übrigen unveränderten neuen Leitlinien.

Zwar ist auch das Kindergeld rückwirkend zum 01.01.2015 erhöht worden. Gemäß § 8 Abs. 3 des Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags und des Kinderzuschlags ist allerdings bei der Anwendung von § 1612b Abs. 1 BGB für die Zeit bis zum 31.12.2015 weiterhin das Kindergeld in bisheriger Höhe maßgebend.

Die Leitlinien finden Sie auf der Homepage des OLG Hamm.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 27.07.2015

 

Neue „Düsseldorfer Tabelle“ ab 01. August 2015

Zum 01. August 2015 wird die „Düsseldorfer Tabelle“ geändert. Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden erhöht. Die ab dem 01. August 2015 geltende neue Düsseldorfer Tabelle sowie die ab diesem Zeitpunkt geltenden, aktualisierten unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Düsseldorf werden auf einer Pressekonferenz im Oberlandesgericht Düsseldorf am Dienstag, 28. Juli 2015, 10.00 Uhr, Plenarsaal des Oberlandesgerichts, vorgestellt und erläutert. Im Anschluss an die Pressekonferenz werden die neue Düsseldorfer Tabelle und die aktualisierten Leitlinien auf der Internetseite des Oberlandesgerichts Düsseldorf veröffentlicht.
Die Erhöhung der Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder beruht auf dem am 22. Juli 2015 verkündeten Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Der steuerliche Kinderfreibetrag für das Jahr 2015 steigt von bisher 4.368,00 Euro um 144,00 Euro auf 4.512,00 Euro.

Unter Berücksichtigung des neuen Kinderfreibetrags von 4.512,00 Euro steigt der Mindestunterhalt eines Kindes bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (1. Altersstufe) von bisher mtl. 317,00 Euro auf mtl. 328,00 Euro, eines Kindes vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) von mtl. 364,00 Euro auf mtl. 376,00 Euro und der eines Kindes ab dem 13. Lebensjahr bis zu Volljährigkeit (3. Altersstufe) von bisher mtl. 426,00 Euro auf mtl. 440,00 Euro. Der Unterhalt volljähriger Kinder berechnet sich nach dem Bedarfssatz der 3. Altersstufe zuzüglich der Differenz zwischen der 2. und 3. Altersstufe. Er steigt daher von mtl. 488,00 Euro auf mtl. 504,00 Euro.

Zwar wird der steuerliche Kinderfreibetrag rückwirkend zum 01. Januar 2015 erhöht, die Unterhaltssätze steigen jedoch erst ab dem 01. August 2015.

Das Kindergeld wird rückwirkend zum 1. Januar 2015 um jeweils 4,00 Euro erhöht und zwar von monatlich 184,00 Euro auf 188,00 Euro für ein erstes und zweites Kind, von 190,00 Euro auf 194,00 Euro für ein drittes Kind und von 215,00 Euro auf 219,00 Euro für das vierte und jedes weitere Kind. Das Kindergeld ist in der Regel zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ist für das Jahr 2015 bei der Berechnung des Zahlbetrages jedoch nicht von den erhöhten, sondern von den bisherigen Kindergeldbeträgen (184,00 Euro, 190,00 Euro und 215,00 Euro) auszugehen.

Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden sich voraussichtlich zum 1. Januar 2016 weiter erhöhen, da der steuerliche Kinderfreibetrag zu diesem Zeitpunkt von 4.512,00 Euro auf 4.608,00 Euro steigen wird. Da deshalb die ab dem 01.08.2015 gültige Tabelle zum 01.01.2016 aufgrund dieses höheren Kinderfreibetrages wohl erneut eine Änderung zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder erfahren wird, sind mit der Neufassung der Tabelle zum 01. August 2015 nur die Bedarfssätze angepasst und von weiteren Änderungen – etwa Erhöhung des Bedarfs für Studenten von derzeit 670,00 Euro – zunächst abgesehen worden. Diese bleiben der Änderung der Tabelle zum 01.01.2016 vorbehalten.

Quelle: OLG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 23.07.2015

 

Verbesserung von Familienleistungen

Mehr Leistungen für Familie

Familien sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Deshalb werden sie mit unterschiedlichen familienpolitischen Leistungen passgenau unterstützt. Spürbare Verbesserungen erreicht wurden mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags, das auch die Anhebung des Unterhaltsvorschusses und des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende regelt.

Kindergeld
Das Kindergeld zählt zu den wichtigsten Leistungen für Familien in Deutschland. Es erreicht die Familien direkt und trägt damit zu ihrer finanziellen Entlastung bei. Es wird einkommensunabhängig gezahlt und ist nach der Zahl der Kinder gestaffelt. Das Kindergeld beträgt rückwirkend zum 1. Januar 2015 für das erste und zweite Kind monatlich 188 Euro, für das dritte Kind monatlich 194 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind monatlich 219 Euro. Zum 1. Januar 2016 wird eine weitere Erhöhung des Kindergeldes um jeweils zwei Euro monatlich erfolgen.

Kindergeld gibt es grundsätzlich für alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr, für Kinder in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr und für arbeitslose Kinder bis zum 21. Lebensjahr.

Kinderfreibetrag
Eltern bekommen entweder Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder bei der Einkommensteuer. Das Finanzamt prüft im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung, ob für die Eltern die Freibeträge für Kinder oder das ausbezahlte Kindergeld günstiger sind. Diese Prüfung erfolgt automatisch und muss nicht beantragt werden.

Der Kinderfreibetrag wird rückwirkend zum 1. Januar 2015 auf 4.512 Euro angehoben. Ab 2016 erfolgt eine weitere Erhöhung auf 4608 Euro. Darüber hinaus gibt es noch einen Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf der Kinder in Höhe von 2.640 Euro. Bei der Einkommensteuerveranlagung werden beide Freibeträge zusammen gezogen.

Kinderzuschlag
Der Kinderzuschlag ist eine Familienleistung, die Familien im Niedrigeinkommensbereich spürbar entlastet. Durch den Kinderzuschlag können viele erwerbstätige Eltern den Bezug von Arbeitslosengeld 2 vermeiden, mit dem Zuschlag wird die Bereitschaft von Eltern, für ihren eigenen Lebensunterhalt aktiv zu sorgen, honoriert.

Der Kinderzuschlag beträgt monatlich bis zu 140 Euro je Kind, ab dem 1. Juli 2016 wird er um einen Betrag von 20 Euro auf 160 Euro monatlich angehoben. Der Kinderzuschlag wird an Eltern für das in ihrem Haushalt lebende Kind gezahlt, wenn sie mit ihrem Einkommen zwar den eigenen Bedarf decken können, nicht aber den ihrer Kinder. Der Kinderzuschlag muss schriftlich bei der örtlich zuständigen Familienkasse beantragt werden.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Alleinerziehende machen einen wesentlichen Bestandteil der Familien in Deutschland aus: Von den rund 8,1 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in Deutschland sind knapp 20 Prozent alleinerziehende Mütter oder Väter. Alleinerziehende dürfen nicht schlechter gestellt werden als beispielsweise verheiratete Paare mit Kind.

Um alleinerziehende Familien gezielt zu unterstützen, können alleinerziehende Steuerpflichtige den sogenannten Entlastungsbetrag steuerlich geltend machen. Mit dem Gesetz zu Verbesserungen von Familienleistungen wird der Entlastungsbetrag rückwirkend zum 1. Januar 2015 von 1.308 Euro auf 1.908 Euro angehoben. Bei mehreren Kindern erhöht sich der Entlastungsbetrag rückwirkend ab dem 2. Kind um 240 Euro pro Kind.

Unterhaltsvorschuss
Alleinerziehende erziehen ihre Kinder meist unter erschwerten Bedingungen. Die Situation verschärft sich noch, wenn das Kind keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhält oder dieser nicht rechtzeitig gezahlt wird. Diese besondere Lebenssituation soll mit der Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erleichtert werden.

Unterhaltsvorschuss erhalten Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten. Nach Abzug des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes ergibt sich für Kinder von bis zu fünf Jahren ein Unterhaltsvorschuss von 144 Euro pro Monat und für Kinder von 6 bis 11 Jahren von 192 Euro pro Monat. Ab 1. Januar 2016 erhöhen sich die Sätze auf 145 Euro beziehungsweise 194 Euro pro Monat.

Quelle: BMFSFJ, Pressemitteilung vom 22.07.2015

 

Betreuungsgeld ist verfassungswidrig

Keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Betreuungsgeld

Dem Bundesgesetzgeber fehlt die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit am 21.07.2015 verkündetem Urteil entschieden. Die §§ 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, die einen Anspruch auf Betreuungsgeld begründen, sind daher nichtig. Sie können zwar der öffentlichen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zugeordnet werden, auf die sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Ausübung dieser Kompetenz durch den Bund liegen jedoch nicht vor. Das Urteil ist einstimmig ergangen.

Sachverhalt:
Antragsteller im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Er wendet sich gegen die mit dem Betreuungsgeldgesetz vom 15. Februar 2013 eingefügten §§ 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes. Diese Regelungen sehen im Wesentlichen vor, dass Eltern in der Zeit vom 15. Lebensmonat bis zum 36. Lebensmonat ihres Kindes einkommensunabhängig Betreuungsgeld in Höhe von zunächst 100 Euro und mittlerweile 150 Euro pro Monat beziehen können, sofern für das Kind weder eine öffentlich geförderte Tageseinrichtung noch Kindertagespflege in Anspruch genommen werden.

Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Die Regelungen zum Betreuungsgeld sind dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen. Ein anderer Kompetenztitel kommt nicht in Betracht. Der Begriff „öffentliche Fürsorge“ ist nicht eng auszulegen. Er setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine – sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute – Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt. Dies ist beim Betreuungsgeld der Fall.

2. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG sind jedoch nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift hat der Bund – u. a. im Bereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG – das Gesetzgebungsrecht nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machen.

a) Die Regelungen sind nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich.

aa) Dies wäre dann der Fall, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnete. Das bloße Ziel, bundeseinheitliche Regelungen in Kraft zu setzen oder eine allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen, genügt hierfür nicht.

bb) Diesen Anforderungen genügen die Bestimmungen über ein bundeseinheitliches Betreuungsgeld nicht. Insbesondere bilden die in der Begründung des Gesetzentwurfs niedergelegten Erwägungen insoweit keine tragfähige Grundlage.

Zwar gibt es gegenwärtig nur in Bayern, Sachsen und Thüringen ähnliche staatliche Leistungen. Dies führt jedoch nicht zu einer erheblichen Schlechterstellung von Eltern in jenen Ländern, die solche Leistungen nicht gewähren. Ohnehin könnte das Bundesbetreuungsgeld ein bundesweit gleichwertiges Förderungsniveau von Familien mit Kleinkindern schon deshalb nicht herbeiführen, weil keine Anrechnungsvorschrift bezüglich bereits bestehender Landesregelungen existiert, so dass Eltern neben dem Bundesbetreuungsgeld in den drei genannten Ländern weiterhin zusätzlich das Landeserziehungsgeld beziehen können.

Die Erforderlichkeit des Betreuungsgeldes zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ergibt sich auch nicht daraus, dass der Ausbau der Kindertagesbetreuung von Bund und Ländern seit Jahren gefördert wird und es darum einer Alternative zur Inanspruchnahme von Betreuung durch Dritte bedürfte. Das Merkmal der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zielt auf den Ausgleich von Nachteilen für Einwohner einzelner Länder zur Vermeidung daraus resultierender Gefährdungen des bundesstaatlichen Sozialgefüges, nicht aber auf den Ausgleich sonstiger Ungleichheiten.

Aus den Grundrechten ergibt sich – ungeachtet der Frage, ob dies überhaupt Bedeutung hinsichtlich der Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG entfalten könnte – nichts anderes. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, die Pflege- und Erziehungsleistung der Eltern zu unterstützen, nicht herleiten. Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiet weder dem Bundes- noch dem Landesgesetzgeber, ein Betreuungsgeld zu gewähren, um eine vermeintliche Benachteiligung gegenüber jenen Eltern zu vermeiden, die einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen. Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen Eltern es nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig, ohne dass dies eine verfassungsrechtliche Kompensationspflicht auslöste.

Dass bis heute zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit öffentlicher und privater Angebote im Bereich der frühkindlichen Betreuung bestehen, vermag die Erforderlichkeit des Betreuungsgeldes zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ebenfalls nicht zu begründen. Denn das Betreuungsgeld ist nicht als Ersatzleistung für den Fall ausgestaltet, dass ein Kleinkind keinen Platz in einer Betreuungseinrichtung erhält. Vielmehr genügt die Nichtinanspruchnahme eines Platzes auch dann, wenn ein solcher vorhanden ist. Vor allem aber besteht ein einklagbarer Leistungsanspruch für den Zugang zu öffentlich geförderten Betreuungseinrichtungen, der nicht unter Kapazitätsvorbehalt gestellt ist. Daher ist das Betreuungsgeld von vornherein nicht auf die Schließung einer Verfügbarkeitslücke gerichtet.

Schließlich vermag auch der gesellschaftspolitische Wunsch, die Wahlfreiheit zwischen Kinderbetreuung innerhalb der Familie oder aber in einer Betreuungseinrichtung zu verbessern, für sich genommen nicht die Erforderlichkeit einer Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG zu begründen. Auf die Frage, ob das Betreuungsgeld überhaupt geeignet ist, dieses Ziel zu fördern, kommt es daher nicht an.

b) Das Betreuungsgeld ist nicht zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich.

aa) Der Annahme, die angegriffene Bundesregelung sei zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich, steht bereits entgegen, dass sie zusätzliche vergleichbare Leistungen in einzelnen Ländern bestehen lässt, so dass eine Rechtsvereinheitlichung ohnehin nicht herbeigeführt wird. Die bundesgesetzliche Bereitstellung von Betreuungsgeld ist auch nicht zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich, denn unterschiedliche Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder haben keine erkennbaren erheblichen Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich gebracht.

bb) Die Erwägungen aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Kinderförderungsgesetz sind auf das Betreuungsgeld nicht übertragbar. Während dort auf den Zusammenhang zwischen Kinderbetreuung und Beteiligung von Eltern am Arbeitsleben abgestellt und damit an die Bedeutung der Regelungen als Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsfaktor angeknüpft wurde, fördert das hier zu beurteilende Betreuungsgeld die Erwerbsbeteiligung von Eltern nicht. Insbesondere ist es weder dazu bestimmt noch ist es angesichts seiner Höhe dazu geeignet, eine private, nicht öffentlich geförderte Kinderbetreuung zu finanzieren.

cc) Auch die Erwägungen des Gesetzentwurfs zur Einführung des Elterngeldes, in dem das bundesstaatliche Regelungsinteresse vor allem auf die Arbeitsmarkteffekte elternschaftsbedingter Auszeiten gestützt wurde, sind nicht auf das Betreuungsgeld übertragbar. Das Elterngeld stellt mit einer Höhe von 67 % des vorherigen Einkommens einen erheblichen Faktor für die Frage einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit dar. Dass das Betreuungsgeld mit einer monatlichen Zahlung von 150 Euro geeignet wäre, einen auch nur annähernd ähnlichen Unterbrechungseffekt zu entfalten, ist nicht erkennbar.

c) Auch die Überlegung, das Betreuungsgeld sei im Verbund mit dem Kinderförderungsgesetz kompetenzrechtlich als Ausdruck eines Gesamtkonzepts zu betrachten, vermag die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelungen nach Art. 72 Abs. 2 GG nicht zu begründen.

aa) Will der Bundesgesetzgeber verschiedene Arten von Leistungen der öffentlichen Fürsorge begründen, muss grundsätzlich jede Fürsorgeleistung für sich genommen den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG genügen.

Der hier zu entscheidende Fall lässt davon keine Ausnahme zu. Die angegriffenen Regelungen genügen nicht deshalb den Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG, weil sie in solch untrennbarem Zusammenhang mit anderen bundesrechtlich geregelten Förderinstrumenten stünden, dass sich deren Erforderlichkeit ausnahmsweise auf die angegriffenen Regelungen erstreckte. Die Regelungen des Kinderförderungsgesetzes verlören nichts von ihrer Tragfähigkeit, wenn das Betreuungsgeld entfiele. Auf die Frage, ob die Erwähnung des Betreuungsgeldes bereits im Kinderförderungsgesetz belegt, dass schon dort ein Gesamtkonzept zur Förderung der Betreuung von Kleinkindern angelegt war, kommt es deswegen nicht an. Mit dieser Absichtserklärung des Gesetzgebers wird zwar eine konzeptionelle Verbindung der Regelungen dokumentiert. Maßgeblich ist aber nicht die konzeptionelle Verbindung, sondern die objektive Untrennbarkeit der Regelungen, an der es hier fehlt.

bb) Aus der Prärogative des Bundesgesetzgebers hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG ergibt sich kein anderes Ergebnis. Sie bezieht sich insbesondere auf die Einschätzung und Bewertung tatsächlicher Entwicklungen und erstreckt sich auch auf eine Prärogative für Konzept und Ausgestaltung von Gesetzen, was einschließt, eine Verbindung zwischen eigenständigen Instrumenten der Fürsorge herzustellen. Dies bedeutet jedoch keine vollständige Freistellung von verfassungsrechtlicher Kontrolle, ob eine Regelung im Rahmen eines regulatorischen Gesamtkonzepts des Bundesgesetzgebers erforderlich ist. Dem Bundesgesetzgeber hier eine nicht justiziable Verknüpfungskompetenz zu überlassen, verbietet sich nicht zuletzt angesichts der Entstehungsgeschichte des Art. 72 Abs. 2 GG. Könnte er kraft politisch gewollter Verklammerung eine Kompetenz begründen, hätte er die tatbestandlichen Voraussetzungen selbst in der Hand. Dies wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahr 1994 durch die Reform des Art. 72 Abs. 2 GG ausschließen.

3. Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob die angegriffenen Vorschriften mit den Grundrechten vereinbar sind, bedarf keiner Antwort, weil die Bestimmungen wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz nichtig sind.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung vom 21.07.2015 zum Urteil 1 BvF 2/13 vom 21.07.2015

 

NRW: Medizinische Versorgung in Alten- und Pflegeheimen ist künftig komplett umsatzsteuerfrei

Nordrhein-Westfalen sorgt mit einer Initiative für eine Klarstellung des Umsatzsteuergesetzes und eine bessere ärztliche Versorgung in Pflege- und Altenheimen: Künftig sind ärztliche Leistungen, die über die eigentliche Heilbehandlung hinausgehen und im Rahmen eines Strukturvertrags erfolgen, regelmäßig von der Umsatzsteuer befreit.

„Mein Ziel ist es, Steuergesetze so fair und transparent wie möglich zu machen“, sagt Finanzminister Walter-Borjans. „Niemand kann einem Pflegebedürftigen vermitteln, warum nur die unmittelbare Behandlung durch den Arzt von der Umsatzsteuer befreit ist und warum Leistungen, die mittelbar der Heilbehandlung dienen umsatzsteuerpflichtig sind. Jetzt haben wir eine gute und einfache Lösung.“

Gesundheitsministerin Steffens ergänzt: „Die neue Vorgehensweise kommt Pflegebedürftigen und Ärztinnen und Ärzten gleichermaßen zu gute. Ärztinnen und Ärzte brauchen künftig nicht mehr zwischen Heilbehandlungen und anderen Leistungen zu unterscheiden. Die Bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten, sich für ihre Patientinnen und Patienten auch in Pflegeheimen zu engagieren, darf nicht durch Steuernachteile behindert werden.“

Die Klarstellung der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Umsätze von Ärzten beruht auf einem Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen. Bislang war es so, dass nur die tatsächlich erbrachte Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit ist. Leistungen, die nicht zu einer konkreten Heilbehandlung führten wie Visiten, Rufbereitschaft oder die Koordinierung des ärztlichen Therapieplans wurden separat mit dem jeweiligen Pflegeheim abgerechnet und waren umsatzsteuerpflichtig.

Der Vorteil der Regelung ist, dass die Ärzte ihre Abrechnung künftig nur noch an einer Stelle einreichen und auch nicht mehr zwischen den Leistungen unterscheiden müssen.

Die Neuregelung sieht vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung mit den Krankenkassen Strukturverträge abschließt. In diesen ist vertraglich geregelt, dass sich Ärzte einer Region, zu einem haus- und fachärztlichen Verbund zusammenschließen – dem Praxisnetz. Alle Leistungen, die auf Grundlage des Strukturvertrags erfolgen und von Ärzten aus Praxisnetzen ausgeführt werden, vergütet künftig die Kassenärztliche Vereinigung. Da das Praxisnetz zudem eine eng mit der Sozialfürsorge verbundene Koordinierungsleistung erbringt, die im Gesundheitssystem gesetzlich vorgesehen ist, können diese Leistungen steuerfrei sein. Entsprechend ist auch die ausgezahlte Vergütung an die teilnehmenden Ärzte umsatzsteuerfrei.

Die Neuregelung tritt in Kraft, sobald das Bundesministerium für Finanzen ein entsprechendes Schreiben zur Ergänzung der bisherigen Verwaltungsauffassung veröffentlicht.

Quelle: FinMin Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 17.07.2015

 

Mit der Entscheidung über elterliche Verantwortung befasstes Gericht ist auch für Entscheidung über Unterhaltspflicht zuständig

Das mit der Entscheidung über die elterliche Verantwortung befasste Gericht ist auch für die Entscheidung über die Unterhaltspflicht eines Elternteils für seine minderjährigen Kinder zuständig. Dies gilt auch dann, wenn über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats entschieden wird.

Eine Verordnung der Union1 sieht vor, dass für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Hingegen kann für Entscheidungen über die Ehescheidung oder die Trennung der Eheleute ohne Auflösung des Ehebandes ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig sein (insbesondere dann, wenn die Eheleute nicht die Staatsangehörigkeit des Staates haben, in dem sie sich mit ihren Kindern aufhalten).

Außerdem sieht eine andere Verordnung der Union2 vor, dass das Gericht, das für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand (z. B. Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes) zuständig ist, auch für jede Entscheidung in Unterhaltssachen zuständig ist, die zu diesem Verfahren akzessorisch ist; umgekehrt wird über einen Antrag in Bezug auf eine Unterhaltspflicht, der zu einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung akzessorisch ist, vom für dieses Verfahren zuständigen Gericht entschieden.

A und seine Ehefrau B sowie ihre beiden minderjährigen Kinder sind italienische Staatsangehörige und leben in London (Vereinigtes Königreich), wo die Kinder auch geboren sind. Im Jahr 2012 erhob A in Italien eine Klage gegen B auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, wobei er beim italienischen Gericht zugleich beantragte, über das Sorgerecht und die Unterhaltsleistungen für die Ehefrau und die Kinder zu entscheiden. Das italienische Gericht erklärte sich für zuständig, über den Antrag auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zu entscheiden, ging jedoch davon aus, das ausschließlich britische Gerichte zuständig seien, über die Fragen in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu entscheiden, da sich die Kinder in London aufhielten.

Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen erachtete sich das italienische Gericht als zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Unterhaltsleistung zugunsten von B, weil es sich um eine Frage handle, die zum Verfahren auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes akzessorisch sei. Dagegen entschied es, dass es nicht zuständig sei, über den Antrag auf Unterhaltsleistung für die minderjährigen Kinder zu entscheiden, da dieser Antrag zum Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung akzessorisch sei. Für den zuletzt genannten Antrag seien somit die britischen Gerichte zuständig.

Die mit der Rechtssache in letzter Instanz befasste Corte suprema di cassazione (italienischer Kassationsgerichtshof) möchte vom Gerichtshof wissen, welche Gerichte – also italienische oder britische – für die Entscheidung über die Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern zuständig sind.

In seinem Urteil vom 16.07.2015 prüft der Gerichtshof, ob der Antrag in Bezug auf die Unterhaltspflicht von A für die Kinder eher mit dem Personenstand (d. h. mit dem Verfahren auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes) oder eher mit der elterlichen Verantwortung zusammenhängt. Das Unionsrecht unterscheidet nämlich die gerichtlichen Verfahren grundsätzlich danach, ob sie die Rechte und Pflichten zwischen den Eheleuten oder aber die Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern betreffen.

Dem Gerichtshof zufolge ist ein Antrag in Bezug auf die Unterhaltspflichten für die minderjährigen Kinder naturgemäß untrennbar mit dem Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung verbunden. Das für Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständige Gericht ist nämlich in der besten Position, um im Einzelnen die Probleme des Antrags in Bezug auf eine Unterhaltspflicht zugunsten eines Kindes zu beurteilen: Es kann so den Betrag der Unterhaltspflicht festsetzen und ihn dabei je nach Sorgerecht, Besuchsrecht, dessen Dauer und den anderen Gegebenheiten in Bezug auf die Ausübung der elterlichen Verantwortung anpassen. Eine derartige Lösung entspricht auch dem Wohl des Kindes, das nach dem Unionsrecht eine vorrangige Erwägung sein muss.

Der Gerichtshof kommt demnach zu folgendem Ergebnis: Wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats mit einem Verfahren betreffend die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes befasst wird, während ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats mit der Frage der elterlichen Verantwortung befasst wird, ist ein Antrag in Bezug auf eine Unterhaltspflicht eines Elternteils für seine minderjährigen Kinder zum Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung akzessorisch und daher vom für dieses Verfahren zuständigen Gericht (d. h. im vorliegenden Fall das britische Gericht) zu prüfen.

1 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1).

2 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. 2009, L 7, S. 1).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 16.07.2015 zum Urteil C-184/14 vom 16.07.2015

 

Bundesregierung setzt Kampf gegen Steuerhinterziehung fort

Das Bundeskabinett hat am 15.07.2015 zwei Gesetzentwürfe beschlossen, mit denen der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten ab 2017 wirksam werden kann. Die Bundesregierung zählt zu den Initiatoren einer umfassenden internationalen Steuerkooperation.

Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble:

„Deutschland wird ab 2017 mit anderen Staaten in den automatischen steuerlichen Informationsaustausch über Finanzkonten eintreten. Dies ist das wirksamste Mittel, um Steuerflucht und Steuerhinterziehung umfassend einzudämmen. Damit handeln wir im Interesse aller steuerehrlichen Bürger und Unternehmen.“

Steuerflucht, also das Nicht-Deklarieren steuerpflichtiger Einkünfte im Ausland, kann am wirkungsvollsten durch einen umfassenden Datenaustausch mit einer möglichst großen Anzahl von Staaten bekämpft werden. Auf Einladung von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble haben am 29. Oktober 2014 in Berlin die Bundesrepublik Deutschland und 50 weitere Staaten und Gebiete einen völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnet, in dem sie sich zur Einführung des automatischen Informationsaustauschs nach dem Gemeinsamen Meldestandard der OECD verpflichtet haben. Inzwischen ist die Zahl der teilnehmenden Staaten auf über 60 angestiegen, darunter auch die Schweiz und Liechtenstein.

Das Bundeskabinett hat am 15.07.2015 einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem der völkerrechtliche Vertrag, zu dessen innerstaatlicher Wirksamkeit die Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist, in nationales Recht umgesetzt werden soll. Zudem hat die Bundesregierung den Entwurf für das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz beschlossen. Damit werden die Einzelheiten des automatischen Informationsaustauschs in Deutschland geregelt. Der Gesetzentwurf sieht zugleich eine entsprechende Anpassung des EU-Amtshilfegesetzes aufgrund der im Dezember 2014 ebenfalls erfolgten Übernahme des Gemeinsamen Meldestandards in die EU-Amtshilferichtlinie vor.

Für die Bundesrepublik Deutschland wird das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die maßgeblichen Daten von den deutschen Finanzinstituten erheben und zentral an die zuständigen Behörden der anderen Staaten senden. Dafür ist es erforderlich, dass die Finanzinstitute die entsprechenden Daten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zuvor dem BZSt elektronisch übermitteln. Diese Verpflichtung soll per Gesetz den Finanzinstituten übertragen werden. Umgekehrt wird das Bundeszentralamt für Steuern die Daten aus den anderen Staaten empfangen, die diese zu in Deutschland steuerlich ansässigen Personen von den jeweiligen Finanzinstituten erhalten haben und an die zuständigen Landesfinanzbehörden weiterleiten.

Die Bundesregierung hat sichergestellt, dass bei dem automatischen Informationsaustausch höchste Anforderungen an den Datenschutz eingehalten werden. Deutschland wird dazu eine besondere Datenschutzklausel bei der OECD hinterlegen. Diese gewährleistet, dass sämtliche Staaten, die zukünftig aufgrund des Übereinkommens mit Deutschland einen automatischen Informationsaustausch betreiben, den hohen deutschen Datenschutzstandard erfüllen müssen. Dabei legt Deutschland die Bedingungen fest, die von dem anderen Staat bei der Übermittlung von personen- und unternehmensbezogenen Daten zu beachten sind.

Den Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer Gesetze finden Sie auf der Homepage des BMF.

Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung „Weltweiter Informationsaustausch: Gemeinsam gegen Steuerhinterziehung“ der Bundesregierung.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 15.07.2015

 

Jedes sechste Unternehmen zahlt Rechnungen verspätet

Die Unternehmen in Deutschland machen derzeit gute Erfahrungen mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden. 16,5 Prozent der Unternehmen beglichen ihre Rechnungen im Mai 2015 verspätet oder gar nicht. Im Juni 2014 lag die Quote der Nicht- oder Spätzahler noch bei 17,5 Prozent. Von Juni 2014 bis Mai 2015 erreichte die Zahlungsmoral der Firmen im Februar und März 2015 den besten Wert: Lediglich 16,0 Prozent der Firmen kamen den Zahlungsverpflichtungen verspätet oder gar nicht nach – der Rest überwies innerhalb des Zahlungsziels. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Zahlungsmoral deutscher Unternehmen“ der Wirtschaftsauskunftei Bürgel. Die Studie analysiert mittlerweile zum vierten Mal das Zahlungsverhalten von knapp 470.000 Unternehmen in Deutschland innerhalb der vergangenen zwölf Monate.

„Den Unternehmen in Deutschland geht es zurzeit recht gut. Dies spiegelt sich auch in der positiven Zahlungsmoral der Unternehmen wider. Die Firmen profitieren weiterhin von der guten Binnenkonjunktur, die vor allem durch den privaten Konsum und vorteilhaften Finanzierungsbedingungen gestützt wird. Trotzdem kommt es bei knapp jedem sechsten Unternehmen zu Zahlungsverzögerungen. Einfach ausgedrückt: Ein Unternehmen, das 100 Rechnungen schreibt, muss davon ausgehen, dass im Durchschnitt 16,5 Rechnungen nicht fristgerecht bezahlt werden. Eine durch den Kunden oder Auftraggeber nicht bezahlte Rechnung zieht einen erheblichen Verwaltungsaufwand, Ärger und zusätzliche Kosten nach sich“, sagt Bürgel Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin zu den aktuellen Zahlen. „Das größte Risiko für die Unternehmen besteht weiterhin in der Entwicklung des Euroraums. Es ist durchaus denkbar, dass sich die Zahlungsmoral der Unternehmen im Jahresverlauf verschlechtert“, so Dr. Sellin.

Leichte Ansätze eines nachlässigeren Zahlungsverhaltens der Firmen sind schon in den letzten Monaten zu erkennen gewesen. „So verschlechterte sich die Zahlungsbereitschaft der Unternehmen von April auf Mai um 2,9 Prozent.“

Die meisten Firmen mit überfälligen Forderungen gibt es im Saarland. Hier lag die Quote der Unternehmen, die ihre Rechnungen verspätet oder gar nicht bezahlen, im Mai 2015 bei 22,1 Prozent. Ebenfalls hohe Werte lieferten Berlin (20,5 Prozent Firmen mit Überfälligkeiten), Bremen (19,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (18,9 Prozent) und Niedersachsen (18,2 Prozent). Die beste Zahlungsmoral haben Unternehmen in Sachsen. Hier liegt die Spät- bzw. Nichtzahlerquote bei 12,9 Prozent. Auch in Thüringen (13,4 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (14,6 Prozent), Bayern (14,8 Prozent) und Schleswig-Holstein (15,0 Prozent) liegt die Zahlungsmoral der Firmen über dem Bundesdurchschnitt. Die Zahlungsverspätungen in Deutschland liegen laut Bürgel bei durchschnittlich 22 Tagen im Mai 2015. Bei einem Zahlungsziel von 26 Tagen warten Unternehmen bei Nicht- oder Spätzahlern im Durchschnitt folglich 48 Tage auf ihr Geld. „Für die Unternehmen bedeutet dieses Verhalten, dass sie knapp doppelt so lange auf ihr Geld warten müssen, als ursprünglich einkalkuliert. Damit werden sie unfreiwillig zur Bank ihrer Kunden“, so Dr. Sellin. Betriebe und Unternehmen jeder Größenordnung sind darauf angewiesen, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen umgehend bezahlt werden. Eine durch den Kunden oder Auftraggeber nicht bezahlte Rechnung zieht einen erheblichen Verwaltungsaufwand, Ärger und zusätzliche Kosten nach sich. Zudem droht im schlimmsten Fall ein kompletter Ausfall der Forderung.

Den deutlichsten Zahlungsverzug haben Unternehmen in Berlin. In der Hauptstadt zahlen die Firmen im Schnitt mit 32,4 Tagen Verspätung. Viele Überfälligkeitstage leisten sich zudem die Unternehmen in Brandenburg (25,8 Tage), Hamburg (23,7 Tage) und Bremen (23,6 Tage). Schneller kommen die Firmen in Bayern an ihr Geld. Unternehmen, die zu spät zahlen, tun dies im Schnitt 18,7 Tage zu spät. In Hessen waren es 19,7 Tage und in Schleswig-Holstein 19,8 Tage.

Laut Bürgel hat sich der Anteil der Firmen, die ihre Rechnungen nicht oder verspätet bezahlen, im 12-monatigen Untersuchungszeitraum um 6,1 Prozent verringert. Die verbesserte Zahlungsmoral der Unternehmen zeigt sich in 13 der 16 Bundesländer. Lediglich in Bremen, Baden-Württemberg und im Saarland verschlechterte sich die Situation. So zahlten in Bremen 1,5 Prozent mehr Firmen die Rechnung nicht fristgerecht oder gar nicht. Im Saarland waren es 0,9 Prozent und in Baden-Württemberg 0,7 Prozent der Unternehmen. Deutlich verbessert hat sich die Zahlungsmoral der Unternehmen in Bayern. Im Vergleich zum Juni 2014 sank die Anzahl der Firmen mit überfälligen Forderungen um 14,9 Prozent. Auch in Mecklenburg-Vorpommern (minus 9,9 Prozent Firmen mit überfälligen Forderungen), Brandenburg (minus 7,5 Prozent) und Rheinland-Pfalz (minus 7,2 Prozent) ging die Anzahl der verspätet und nicht zahlenden Unternehmen überdurchschnittlich zurück.

In Bezug auf die Rechtsformen zeigt sich erneut, dass Kapitalgesellschaften die schlechteste Zahlungsmoral aufweisen. Über ein Drittel aller AGs und mehr als 27 Prozent aller GmbHs zahlen regelmäßig zu spät. „Große Unternehmen nutzen ihre Macht am Markt aus, zeigen ein liquiditätsschonendes Verhalten und zahlen ihre Rechnungen bewusst verspätet. Es ist keine Frage der Zahlungsfähigkeit, sondern rein eine Frage der Zahlungswilligkeit“, so Dr. Norbert Sellin. „Da Unternehmen dieser Rechtsform offensichtlich das kaufmännische Mahnverfahren als verlängertes Zahlungsziel nutzen, empfiehlt es sich, für diese Kunden ein spezielles Mahnverfahren aufzusetzen. Dieses Mahnverfahren sollte sehr konsequent und vor allem kurz gehalten sein. Beispielsweise der Verzicht auf eine dritte Mahnstufe, generell kürzere Zahlungsziele oder verkürzte Mahnintervalle.“ Der dritte Sonderfall ist die Rechtsform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Im Mai 2015 zahlten 21,2 Prozent der UGs die Rechnung nicht oder verspätet. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen den UGs und den Kapitalgesellschaften: Während diese Rechtsformen zu großen Teilen Rechnungen bewusst verspätet begleichen, gilt die UG als Problemrechtsform. In vielen Fällen kann die Rechnung nicht bezahlt werden.

Unternehmen, die Geschäfte mit dem öffentlichen Sektor machen, müssen am längsten auf ihr Geld warten. Die durchschnittlichen Überfälligkeitstage betragen in dieser Branche 34,9 Tage. Die Quote der Spät- oder Nichtzahler liegt in dem öffentlichen Sektor bei 7,4 Prozent. „Auch, wenn der öffentliche Sektor sehr spät bezahlt – es wird bezahlt. Inkassofälle sind eher eine Ausnahme“, betont Dr. Sellin. Erhöhte Überfälligkeitstage weisen auch das Baugewerbe (26,7 Tage, Spät- bzw. Nichtzahlerquote: 18,4 Prozent), die Logistik (19,5 Überfälligkeitstage; 21,8 Prozent) und die Energieversorgung (18,3; 17,5) auf. Den höchsten Anteil an Zahlungsverzögerern gibt es bei den Wasserver- und -entsorgern. 24,7 Prozent der Unternehmen zahlen nicht fristgerecht.

Da sich ein schleppendes Kundenzahlungsverhalten belastend auf die Liquiditätslage eines Unternehmens auswirken kann und Liquiditätsengpässe zu den häufigsten Insolvenzursachen zählen, ist eine gute Zahlungsmoral der Kunden von hoher Bedeutung. Warum dennoch viele Unternehmen Rechnungen verspätet oder nicht zahlen, hat die unterschiedlichsten Ursachen. Seitens der Unternehmen werden am häufigsten momentane Liquiditätsengpässe, Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden, vorsätzliches Nichtbezahlen oder mangelnde Professionalisierung bei der Rechnungsbearbeitung als Gründe für die verspätete Zahlung der Rechnung genannt.

Quelle: Bürgel, Pressemitteilung vom 15.07.2015

 

Krankenkasse muss über die Beitragszahlung des Arbeitgebers informieren

Ein Versicherter kann in begründeten Fällen von seiner gesetzlichen Krankenversicherung Auskunft darüber verlangen, ob sein Arbeitgeber für ihn die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet hat. Dies entschied in einem am 14.07.2015 veröffentlichten Urteil der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Arbeitnehmerin möchte über Beitragszahlung der Arbeitgeberin informiert werden
Eine Frau aus dem Landkreis Limburg-Weilburg erfuhr von früheren Arbeitskollegen, dass ihre ehemalige Arbeitgeberin Beiträge zu den Sozialversicherungen nicht gezahlt haben solle. Sie wollte deshalb von ihrer Krankenkasse – der zuständigen Einzugsstelle – wissen, ob dies auch in ihrem Fall so sei. Die Krankenkasse verweigerte jedoch die Auskunft. Es handele sich um Sozialdaten der Arbeitgeberin, die ohne deren Einwilligung nicht an Versicherte übermittelt werden dürften.

Versicherte haben Auskunftsanspruch über Beitragszahlungen des Arbeitgebers
Die Richter des Hessischen Landessozialgerichts gaben der Frau Recht. Versicherte hätten einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten. Dies konkretisiere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Krankenkasse müsse daher einen bei ihr versicherten Arbeitnehmer darüber informieren, ob dessen Arbeitgeber für ihn Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet habe. Bei diesen Informationen handele es sich um sog. Sozialdaten auch des Versicherten. Der Arbeitgeber sei zwar allein verpflichtet, die Beiträge zu zahlen. Der Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen werde jedoch aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht. Schützenswerte Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers, die einer Auskunftserteilung entgegenstünden, lägen zudem nicht vor.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

§ 83 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)
(1) 1Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen über
1. die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, (…)

(4) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit (…)
3. die Daten (…) insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten
Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen, und deswegen
das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.

§ 67 SGB X
(1) Sozialdaten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. (…)

§ 28d Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. (…)

§ 28h SGB IV
(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. (…)

§ 28e SGB IV
(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber (…) zu zahlen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht.

Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung vom 14.07.2015 zum Urteil L 8 KR 158/14 vom 26.03.2015

 

Ein Betriebsprüfer hat im Finanzamt seine regelmäßige Arbeitsstätte

Ein Amtsbetriebsprüfer, der ca. zwei Drittel seiner Tätigkeit in seinem Büro im Finanzamt ausübt, hat dort seine regelmäßige Arbeitsstätte. Dies hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 12. Juni 2015 (Az. 4 K 3395/13 E) entschieden.

Der Kläger ist als Betriebsprüfer beim beklagten Finanzamt beschäftigt. Ihm steht dort ein eingerichteter Arbeitsplatz zur Verfügung, den er im Streitjahr 2012 an 185 Tagen aufsuchte. Von seiner gesamten Arbeitszeit entfielen etwa zwei Drittel auf diesen Arbeitsplatz (Prüfungsvor- und -nachbereitungen sowie Prüfungen im Innendienst). Die übrige Arbeitstätigkeit übte der Kläger im Außendienst aus. Das Finanzamt berücksichtigte für die Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Finanzamt lediglich die Entfernungspauschale. Demgegenüber machte der Kläger die tatsächlichen Kosten sowie Verpflegungsmehraufwendungen geltend, weil die Prüfungshandlungen vor Ort nach seiner Ansicht den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit eines Außenprüfers ausmachten.

Dies sah das Gericht anders und wies die Klage ab. Ein höherer Fahrtkostenabzug sowie eine Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen kämen nicht in Betracht, weil der Kläger im Finanzamt seine regelmäßige Arbeitsstätte habe. Seinen dortigen Arbeitsplatz habe er nachhaltig und regelmäßig aufgesucht. Gegenüber den anderen Tätigkeitsorten komme diesem Arbeitsplatz eine herausragende Stellung zu. Der Kläger habe sich auf regelmäßige Fahrten zum Finanzamt einstellen und seine Fahrtkosten dementsprechend minimieren können. Unabhängig davon liege auch der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Finanzamt. Maßgeblich sei insoweit die Tätigkeit, die er seinem Dienstherrn schulde. Hierzu gehörten auch die Prüfungsvorbereitung und das Abfassen der Prüfungsberichte, die nicht als unbedeutende Hilfstätigkeiten anzusehen seien. Auch die nicht unbedeutende Zahl der an Amtsstelle durchgeführten Prüfungen sei bei dieser Beurteilung zu berücksichtigen. Der Streitfall sei anders gelagert als der dem BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 (Az. VI R 58/09) zugrunde liegende Fall einer Betriebsprüferin mit einem Heimarbeitsplatz, die das Finanzamt nur selten aufsucht.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.07.2015 zum Urteil 4 K 3395/13 vom 12.06.2015