Beginn der Einspruchsfrist: Wann der Einwurf in den Briefkasten nicht genügt

Beginn der Einspruchsfrist: Wann der Einwurf in den Briefkasten nicht genügt

Wann gilt ein Finanzgerichtsurteil als zugestellt, wenn auf dem Brief das Datum der Zustellung nicht vermerkt ist? Eine Streitfrage, die sogar die Senate des Bundesfinanzhofs spaltete. Der Große Senat hat nun entschieden.

Die Einspruchsfristen im Steuerrecht haben ihre Tücken, insbesondere dann, wenn noch Feiertage zu berücksichtigen sind. Das bereitete in einer aktuellen Auseinandersetzung auch dem Bundesfinanzhof einiges Kopfzerbrechen.

Der Streitfall
In dem Streit hatte das Finanzgericht eine Klage abgewiesen, aber zur Revision zugelassen. Der Zusteller hatte den Brief mit dem Urteil am Vormittag des 24.12.2008 in den Briefkasten der bevollmächtigten Rechtsanwaltssozietät eingesteckt. Dabei vergaß er allerdings, auf dem Briefumschlag den gesetzlich vorgeschriebenen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen. Als die Kanzlei nach den Weihnachtsfeiertagen am 29.12.2008 wieder öffnete, fanden die Mitarbeiter den undatierten Brief vor. Der bevollmächtigte Anwalt ging daher von einer Zustellung an jenem Tag aus und legte entsprechend Revision ein, die beim Bundesfinanzhof am 27.1.2009 einging.

Der zuständige VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hielt die Revision jedoch für verspätet, weil die Monatsfrist schon am 24.12.2008 (Heiligabend) begonnen habe. Begründung: Auch am Heiligabend könne davon ausgegangen werden, dass Postsendungen, die bis mittags eingeworfen werden, beim Adressaten landen. Allerdings hatten andere Senate des Bundesfinanzhofs schon die Auffassung vertreten, dass ein solcher Brief erst dann als zugegangen gelten kann, wenn der Empfänger ihn nachweislich in Händen hält. Nach dieser Interpretation wäre die Frist beim Eingang des Revisionsschreibens am 27. Januar 2009 noch nicht abgelaufen gewesen.

Großer Senat entscheidet großzügig
Wegen der unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Senate musste der Fall zur Klärung an den Großen Senat. Der legte die Fristenregelung großzügiger aus als die Kollegen vom VIII. Senat. Die Richter hoben dabei auf den Unterschied zwischen Zugang und Zustellung ab. So sei nach dem BGB für eine Willenserklärung der Zugang erforderlich. Das sei der Fall, wenn diese Willenserklärung in den Bereich des Empfängers, also zum Beispiel in seinen Briefkasten, gelangt ist. Bei einer Zustellung liege der Fall jedoch anders, betonten sie. Sind nämlich zwingende Zustellungsvorschriften nicht eingehalten worden, gilt die Willenserklärung erst zu dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück dem Empfänger „tatsächlich zugegangen“ ist. Denn eine vorschriftswidrige Zustellung solle erst dann eine Frist auslösen, wenn der Empfänger tatsächlich und nicht nur potenziell Kenntnis genommen hat. Daher habe derjenige das Risiko einer misslungenen Zustellung zu tragen, der mit der Zustellung fristgebundene Rechtsfolgen auslösen wolle. Daher muss der VIII. Senat nun in der Revision im eigentlichen Streitfall entscheiden.