Behandlungskosten bei psychischer Erkrankung (Burn-Out) sind keine Werbungskosten

Berücksichtigung als außergewöhliche Belastung nur bei vorherigem amtsärztlichen Attest

 Leitsatz

1. Burn-Out ist keine typische Berufskrankheit. Ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ist daher nicht möglich.

2. Nach § 64 EStDV muss für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ein vorheriges amtsärztliches Attest vorgelegt werden. Gegen die rückwirkende Anwendung der durch das Gesetz vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131 ) neu gefassten Vorschrift des § 64 Abs. 1 EStDV auf alle Fälle, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 84 Abs. 3f EStDV in der Fassung des Änderungsgesetzes) bestehen keine Bedenken.

 Gesetze

EStG § 9
EStG § 33
EStDV § 64

 Tatbestand

 Gründe

I.

Streitig ist, ob Aufwendungen für eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind.

Der Kläger wird mit seiner Ehefrau für das Streitjahr 2007 vom Beklagten – dem Finanzamt – zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Im Rahmen seiner ESt-Erklärung begehrt er den Abzug von Aufwendungen in Höhe von 8.403,21 EUR für eine mehrwöchige stationäre Behandlung in der psychosomatischen Abteilung der A Klinik in B als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Für diese Behandlung waren Aufwendungen in Höhe von 10.018,65 EUR entstanden, von denen die Krankenkasse jedoch nur 1.615,44 EUR erstattet hatte.

Deren berufliche Veranlassung begründet der Kläger wie folgt: Er sei aufgrund der Fusion seines Arbeitgebers nicht wie erwartet zum Prokuristen ernannt worden, sondern bei der erwarteten Beförderung übergangen worden. Man habe ihm mit einer Vertragsanpassung gedroht, die aus seiner Sicht einer Degradierung gleichgekommen wäre. Daraufhin habe er akute gesundheitliche Beschwerden verspürt, mit der Gefahr einer Eskalation. Seine Hausärztin habe ihn deswegen in Abstimmung mit einem Facharzt für Psychiatrie in die psychosomatische Klinik nach B zur stationären Behandlung überwiesen. Seine Krankenversicherung habe die Übernahme der nunmehr streitigen Kosten verweigert, da nach ihrer Auffassung ein stationärer Aufenthalt zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen sei. Auf die beim Finanzamt eingereichten Atteste und Bestätigungen wird verwiesen.

Das Finanzamt berücksichtigte die streitigen Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 18. Juni 2008 nicht, weil es eine Zuordnung in die berufliche Sphäre als nicht leicht und einwandfrei möglich erachtete. Im Einspruchsverfahren änderte das Finanzamt den Bescheid aus anderen Gründen mehrfach, zuletzt am 02. September 2010. Hinsichtlich des streitigen Sachverhalts wies das Finanzamt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06. September 2010 zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel einer Berücksichtigung als Werbungskosten weiter.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2007 vom 18. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2010, zuletzt geändert durch Bescheid vom 02. September 2010, zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 8.403,21 EUR zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen;

hilfsweise den genannten Betrag nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen;

hilfsweise für den Fall der Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Die Kläger wurden vom Berichterstatter auf die Nachweisanforderungen des § 64 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV ) hingewiesen und aufgefordert, entsprechende Nachweise vorzulegen. Ein amtsärztliches Gutachten konnten die Kläger nicht vorlegen (wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 07. Dezember 2012 verwiesen).

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2013 wird verwiesen.

 Gründe

  

II.

1. Die Klage ist nicht begründet.

a. Das Finanzamt hat den Ansatz der streitgegenständlichen Aufwendungen bei den Werbungskosten zu Recht abgelehnt.

aa. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zwar stehen Aufwendungen für die Gesundheit – ebenso wie für Kleidung, Nahrung und Wohnung – insofern auch in Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen, weil er ohne Nahrung oder als Kranker seinen Beruf nicht ausüben kann. Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind jedoch solche Ausgaben, die sowohl den Beruf als auch die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betreffen, vom Werbungskostenabzug ausgenommen und daher aus versteuertem Einkommen zu erbringen, sofern nicht ausnahmsweise eine eindeutige und klare Trennung der Aufwendungen in einen beruflichen und privaten Teil möglich oder die Berührung der privaten Lebenssphäre nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 17. Juli 1992 VI R 96/88 , BFH/NV 1993, 19 ).

Abweichend hiervon sind nach der Rspr. des BFH Krankheitskosten als Werbungskosten abziehbar, wenn sie zur Heilung einer typischen Berufskrankheit oder Vorbeugung gegen eine solche aufgewandt werden (z.B. Vergiftungserscheinungen eines Chemikers, Staublunge eines Bergmannes, Tuberkuloseerkrankung in einer TBC-Heilungsstätte, Sportunfall eines Berufsfußballspielers u.a.). Entsprechendes gilt für Kurkosten, wenn sie nachweisbar zur Beseitigung einer bestehenden oder Vorbeugung gegen eine drohende typische Berufskrankheit aufgewandt werden. Soweit sie darüber hinaus ohne eingetretene oder drohende Berufskrankheit als vorbeugende Maßnahme ganz oder teilweise auch zur Erhaltung des allgemeinen Gesundheitszustandes dienen, sind sie weder als außergewöhnliche Belastung noch als Werbungskosten abziehbar (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ; vgl. BFH, ebenda).

bb. An diesen Grundsätzen hat sich durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH zur Aufteilbarkeit von Reisekosten im Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BStBl II 2010, 672, BFHE 227, 1 ) nichts Wesentliches geändert. Vielmehr bestätigt der BFH, dass die unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung – wozu auch der Aufwand für eine Kur oder die Behandlung von Krankheiten gehört – grundsätzlich nicht abziehbar und nicht aufteilbar sind. Diese Aufwendungen sind durch die gesetzliche Zuordnung zu den außergewöhnlichen Belastungen dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen (BFH, Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672, BFHE 227, 1 , Rz. 122 ff. unter Verweis auf die Rspr. schon des Preussischen Oberverwaltungsgerichts). In Anwendung dieser Grundsätze werden Aufwendungen für die Heilung oder Linderung einer Krankheit – zu denen auch Aufwendungen wie die streitgegenständlichen gehören können – einkommensteuerrechtlich regelmäßig als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG – unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG – behandelt.

cc. Selbst dort, wo eine Aufteilung von Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind, nach dieser Rspr. in Betracht kommt, ist weitere Voraussetzung deren Aufteilbarkeit, nämlich das Vorhandensein abgrenzbarer beruflicher und privater Anteile (BFH, GrS 1/06, a.a.O., Rz. 121). Liegen derartige Abgrenzungskriterien nicht vor, so scheidet die Aufteilung aus. Ebenso in Fällen, in denen die private oder die berufliche Nutzung nur von völlig untergeordneter Bedeutung ist (ebenda).

dd. Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet eine Zuordnung der Aufwendungen für den Klinikaufenthalt zu den Werbungskosten aus.

Bei einer psychischen oder psychosomatischen Krankheit, die – zumindest auch – durch eine starke emotionale Belastung im Beruf ausgelöst wird, handelt es sich nicht um eine typische Berufskrankheit. Die in der Rechtsprechung den Werbungskosten zugeordneten Fälle sind Ausnahmen, die anders gelagert sind als der Streitfall. Dort handelte es sich um Krankheiten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine nahezu ausschließliche Kausalität zu typischen Berufsumständen aufgewiesen haben. So kann eine Strahlenerkrankung etwa ab einer bestimmten empfangenen Strahlungsmenge eine Strahlenerkrankung physikalisch-medizinisch so sicher erscheinen lassen, dass der Strahlenexposition der Charakter einer alleinigen Ursache zuerkannt werden kann. Entsprechend mag eine beruflich begründete dauerhafte Staubexposition ohne Rücksicht auf andere individuelle Faktoren so sicher eine Staublunge auslösen, dass ihr der Charakter einer Einzelursache zuerkannt wird.

Eine solche geradezu zwingende Kausalität von Belastungssituationen und Stress im Beruf für eine manifeste psychische Erkrankung sieht der erkennende Senat nicht. Zwar mag beruflicher Stress konkreter Auslöser einer Verschlechterung mit Krankheitscharakter sein. Dies macht ihn aber nicht zur alleinigen oder nahezu zwingenden Ursache der Krankheit. Vielmehr spielen bei psychischen Erkrankungen ebenso wie bei den meisten körperlichen Krankheiten eine Vielzahl bekannter wie unbekannter Faktoren zusammen, die es dem Gericht verwehren, einer der Ursachen den Charakter der Wesentlichen zuzusprechen und von Monokausalität auszugehen. Dem entsprechend hat der BFH etwa abgelehnt, den Herzinfakt bei Angehörigen von freien Berufen als typische Berufskrankheit und damit als einen solchen Ausnahmefall zu beurteilen (BFH-Urteil vom 04. Oktober 1968 IV R 59/68 , BStBl II 1969, 179, BFHE 94, 442 ). Der BFH hat in dieser Entscheidung erkannt, dass ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und dem Beruf nicht eindeutig feststehe und es sich nicht um eine typische Berufserkrankung handele, weil Herzinfakte erfahrungsgemäß nicht nur bei Angehörigen geistiger Berufe und bei Personen in leitender Stellung, sondern bekanntlich auch bei Handwerkern, Arbeitern und Hausfrauen in erheblichem Umfange aufträten. Ähnlich entschied der BFH zu inneren Erkrankungen wie der Zuckerkrankheit (BFH-Urteil vom 09. Februar 1962 VI 10/61 U , BStBl III 1962, 235, BFHE 74, 632 ).

Im Streitfall gilt gleiches: Psychische Erkrankungen treten in praktisch allen Bevökerungsschichten gleichermaßen in zumindest erheblichem Umfang auf. Das gilt auch für Krankheitsbilder wie „Burn-Out” oder ähnliche durch akute Belastungssituationen ausgelöste psychische Erkrankungen.

Nach Auffassung des Senats lässt sich die Ursächlichkeit einer psychischen Erkrankung alleine im beruflichen Bereich schon generell nicht feststellen. Daher kann es im Streitfall auch nicht darauf ankommen, ob – wie die Kläger vortragen – im privaten Bereich keine besonderen Stressfaktoren vorhanden sind. Denn was in welchem Maße als Stressfaktor empfunden wird, hängt wiederum ganz wesentlich von der persönlichen Veranlagung bzw. Prädisposition ab. Auch ist die Frage, ob im Privatbereich solche Faktoren vorhanden sind, objektiv für kein Gericht ermittelbar.

ee. An dieser Beurteilung vermag das Attest vom 23. Juni 2008 (Bl. 13 der Rechtsbehelfsakte) der Ärztin des Klägers nichts zu ändern. Dabei kann der Senat unterstellen, dass sie den damaligen Zustand des Klägers grundsätzlich zutreffend wiedergibt: Danach leidet dieser seit ca. Mitte 2006 an depressiver Stimmung mit Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Tinitus, Schwindel. Körperliche Ursachen können nach Auffassung der Ärztin ausgeschlossen werden.

Die weitere Aussage, dass es aus Sicht der Ärztin keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Ursache im privaten oder familiären Bereich zu suchen seien und der Grund im beruflichen Umfeld liege, ist dagegen aus dem notwendigerweise eingeschränkten Erkenntnishorizont der Ärztin getroffen und enthält eine Wertung. Eine unkritische Übernahme der Beurteilung der Ärztin durch das Gericht verbietet sich schon deshalb, weil die Ärztin aus dem Arzt-Patient-Verhältnis heraus keinerlei Anlass hat, etwa Angaben des Patienten zu hinterfragen. Für das Gericht ergibt sich die Verpflichtung hierzu jedoch schon aus seiner Sachaufklärungspflicht. Auch ist die Beurteilung der Ursächlichkeit alleine Aufgabe des Tatgerichts, weil diese Wertung zu seinen ureigensten Aufgaben gehört. Die für eine Beurteilung als Werbungskosten erforderliche monokausale Ursächlichkeit konnte das Gericht aber im Streitfall nicht erkennen. Zur Begründung verweist das Gericht auf den bereits oben gezogenen Schluss, dass bei psychischen Erkrankungen eine derartige Monokausalität schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zuerkannt werden kann. Bestätigt wird dies für den Streitfall aus Sicht des Gerichts dadurch, dass nach dem zitierten Gutachten der Ärztin die Zunahme der Beschwerden „nach einer Umstellung der Organisationsstruktur des Arbeitgebers” „im Jahr 2007” aufgetreten ist. Hierzu passt zeitlich die vorgelegte Diagnose vom 23. Juli 2007 „v.a. Burnout-Syndrom”. Beschwerden äußerte der Kläger aber offenbar schon ein Jahr früher. Daraus folgert das Gericht, dass der Kläger offenbar Beschwerden schon vor der Organisationsumstellung hatte – wenngleich wohl in geringerem Ausmaß. Dies bestätigt aus Sicht des Gerichts die oben dargestellte Beurteilung, dass eine psychische Erkrankung – ungeachtet ihrer akuten Auslösung oder Verschlechterung durch (ggf. zusätzlichen) beruflichen Stress – stets und auch im Streitfall mannigfaltige Ursachen hat.

ff. Die weiteren vorgelegten Unterlagen des Klägers (Arztbrief und Schriften zum Arbeitsgerichtsprozess) stammen aus einer Zeit lange nach dem Streitjahr. Rückschlüsse auf das Streitjahr können aus Sicht des Gerichts aus diesen ärztlichen Äußerungen oder dem Prozess nicht gezogen werden.

Schließlich kann der sinngemäßen Argumentation des Klägers dahin nicht gefolgt werden, dass von einer ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen beruflichen Veranlassung der Aufwendungen auszugehen sei, wenn berufliche Ursachen vorgetragen und nachgewiesen, hingegen private Ursachen nicht erkennbar oder aktenkundig seien. Damit beruft sich der Kläger wohl sinngemäß auf Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Diese gelten indes für die hier in Rede stehende Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs nicht. Die Beurteilung eines solchen Zusammenhangs ist nicht eine reine Tatsachenwürdigung (für die möglicherweise ähnliche Beweislastgrundsätze gelten), sondern eine wertende Zuordnungsentscheidung, die das Gericht unter Heranziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung rechtlicher Kriterien zu treffen hat.

gg. Eine Aufteilung der Aufwendungen und deren anteilige Berücksichtigung wegen auch beruflicher Veranlassung scheidet schon deshalb aus, weil die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Krankheitskosten – sieht man einmal von den Ausnahmefällen der typischen Berufskrankheit ab – durch die Normierung bei den außergewöhnlichen Belastungen abschließend geregelt ist (vgl. die Grundsätze des Großen Senats des BFH, a.a.O.). Selbst dann, wenn man Krankheitskosten wegen dieser Ausnahmefälle für grundsätzlich aufteilbar beurteilte, so schiede die teilweise Berücksichtigung mangels erkennbaren Aufteilungsmaßstabs aus (vgl. BFH, GrS 1/06, a.a.O.).

hh. Schließlich entstünde nach Auffassung des erkennenden Senats ein Wertungswiderspruch, wenn bestimmte Krankheitskosten – wie die im Streitfall zu beurteilende Kur – bei der Prüfung als außergewöhnliche Belastung in § 64 Abs. 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV ) formalisierten Nachweisanforderungen unterstellt würden, während sie im Fall einer Beurteilung als Werbungskosten ohne solchen qualifizierten Nachweis abgezogen werden dürften. Auch dies spricht dafür, die Regelung von Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen als abschließend zu betrachten.

b. Zum ersten Hilfsantrag: Ein Abzug der die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG übersteigenden Beträge als außergewöhnliche Belastung scheidet im Streitfall ebenfalls aus.

aa. Nach § 64 Abs. 1 EStDV hat der Steuerpflichtige den erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für eine Bade- oder Heilkur bzw. eine psychotherapeutische Behandlung durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen (BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10 , BStBl II 2012, 577, BFHE 237, 156 ). Diesen formalisierten Nachweis haben die Kläger auch nach Hinweis des Gerichts nicht geführt.

bb. Gegen die rückwirkende Anwendung der durch das Gesetz vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131 ) neu gefassten Vorschrift des § 64 Abs. 1 EStDV auf alle Fälle, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 84 Abs. 3f EStDV in der Fassung des Änderungsgesetzes) bestehen keine Bedenken (BFH-Urteil VI R 74/10 , a.a.O.). Diese Regelung bestimmt gesetzlich, was im Streitzeitraum aufgrund der gefestigten damaligen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 , BStBl II 1980, 295) zur Auslegung des § 33 EStG allgemein als geltendes Recht angenommen wurde. Das Urteil des BFH vom 11. November 2010 VI R 17/09 , BStBl II 2011, 969, in dem dieser in Änderung seiner Rechtsprechung geringere Anforderungen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit gestellt hat, ist erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Veranlagungszeitraums und nach Klageerhebung ergangen. Ein schutzwürdiges Vertrauen konnte sich aus dieser Entscheidung bis zur bereits knapp ein Jahr später erlassenen Neuregelung des Gesetzgebers nicht entwickeln, so dass sich die Kläger insoweit nicht auf ein geschütztes Vertrauen auf eine für sie günstigere Rechtslage berufen können (vgl. BVerfG-Urteil vom 21. Juli 2010 zum Fremdrentengesetz 1 BvL 11/06, BGBl I 2010, 1358 , BVerfGE 126, 369 ; vgl. auch Lohse/Zanzinger, DStR 2012, 1053). Insbesondere können sich die Kläger nicht darauf berufen, die jetzige Beweisnot beruhe in einem Vertrauen auf die (erst später geänderte) Rechtsprechung. Denn bei Entstehen der Krankheitsaufwendungen hätten die Kläger nach der damals gefestigten Rechtsprechung ebenfalls ein vorheriges amtsärztliches Gutachten benötigt.

Nach alledem konnte die Klage auch nicht teilweise Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

3. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ). Der BFH hatte über die Frage, ob psychische Erkrankungen Berufskrankheiten sein können, – soweit ersichtlich – noch nicht zu befinden. Die angewendete Rspr. des BFH zu Berufskrankheiten stammt zudem aus der Zeit vor der Aufgabe des Aufteilungsverbots bei § 12 EStG . Auch ist derzeit ein Verfahren vor dem BFH zur Anerkennung von Krankheitskosten als Werbungskosten unter dem Az. VI R 37/12 anhängig.