Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

 

Kommt das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nach und verzichtet es auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung, darf es den entsprechenden Steuerbescheid nicht ändern. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige alle vom Finanzamt gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet hat.

 

Hintergrund

3 Steuerpflichtige erbten zu gleichen Teilen verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Das Finanzamt, das für die Bewertung zur Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständig war, verzichtete ausdrücklich auf die Einreichung von Steuererklärungen. Stattdessen forderte es die Erben auf, zu den Grundstücken bestimmte Angaben zu machen. Für ein Betriebsgrundstück bat es um die Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18.1.2003. Dieser Aufforderung kamen die Erben umfassend nach. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Bewertung des Grundstücks den von den Erben mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte den Grundbesitzwert auf 531.500 EUR fest. Nachdem dem Finanzamt bekannt geworden war, dass das Betriebsgrundstück vermietet war, änderte es die Bewertungsmethode und stellte einen Wert von 1.627.500 EUR fest.

Die dagegen gerichtete Klage der Erben wies das Finanzgericht ab, da die Vermietung dem Finanzamt nicht bekannt gewesen war. Deshalb konnte der bestandskräftige Feststellungsbescheid wegen neuer Tatsachen noch geändert werden.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied jedoch, dass der Steuerbescheid nicht geändert werden durfte. Dementsprechend hob er das Finanzgerichtsurteil und die Feststellungsbescheide auf.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen wegen neuer Tatsachen nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Darauf kann sich der Steuerpflichtige berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung. Die Folge: Der Steuerbescheid kann noch geändert werden.

Geht das Finanzamt ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne Weiteres aufdrängen mussten, nicht nach, verletzt es seine Ermittlungspflicht. Das Gleiche gilt, wenn das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung verzichtet und ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auffordert. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, darf dieses nach Treu und Glauben eine bestandskräftige Steuerfestsetzung nicht ändern, auch wenn es später von steuererhöhenden Tatsachen erfährt.

Dementsprechend durfte das Finanzamt im vorliegenden Fall den bestandskräftigen Feststellungsbescheid nicht mehr ändern. Es hatte für das Betriebsgrundstück lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Damit ist das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Da die Erben zutreffende Angaben gemacht haben, haben sie ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Darüber hinaus hat das Finanzamt auf die Abgabe einer Erklärung ausdrücklich verzichtet.