Betriebsprüfung für Zeitraum von elf Jahren rechtmäßig

Die Beteiligten stritten um die Rechtmäßigkeit einer Betriebsprüfungsanordnung. Die klagende Gesellschaft betrieb ein Restaurant. Im Februar 2011 gab einer ihrer Gesellschafter eine Selbstanzeige beim Finanzamt ab, in der er Kapitalerträge für die Jahre 2000 bis 2009 nacherklärte. Im März 2011 zeigte die Klägerin dem Finanzamt an, dass der Gesellschafter jährlich ca. 24.000 Euro an Trinkgeldern erzielt habe und diese als steuerfrei behandelt worden seien. Im August 2012 ordnete das Finanzamt – ohne weitere Begründung – eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2010 bei der Gesellschaft an. Im Anschluss daran wurden steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen die Gesellschafter eingeleitet.

Die Klägerin wandte sich gegen die Prüfungsanordnung und machte geltend, der Prüfungszeitraum dürfe regelmäßig nur drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Dagegen wies das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung auf den bestehenden Verdacht einer Steuerstraftat und die Wahrscheinlichkeit erheblicher Mehrergebnisse hin.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Die Prüfungsanordnung sei formell rechtmäßig, insbesondere ausreichend begründet worden. Bei Gewerbetreibenden genüge der Hinweis auf die einschlägige Ermächtigungsgrundlage der Abgabenordnung. Zudem sei die Abweichung vom Regel-Prüfungszeitraum in der Einspruchsentscheidung nachträglich erläutert worden.

Auch in der Sache sei die Prüfungsanordnung nicht zu beanstanden. Sie habe zulässigerweise mehr als drei Jahre umfasst. Die in der Betriebsprüfungsordnung aufgeführten Ausnahmetatbestände (Erwartung erheblicher Änderungen, Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit) seien unter Zugrundelegung der Verhältnisse im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung erfüllt. Schließlich begründeten die laufenden Ermittlungsverfahren keinen Ermessensfehler.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 05.11.2013 zum Urteil 13 K 4630/12 vom 26.09.2013, Newsletter Oktober 2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 4630/12 AO

Datum:
26.09.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 4630/12 AO
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand:

2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung.

3Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der Herr „A“ und Herr „B“ zu je 50% beteiligt sind. Die Klägerin betreibt seit 1995 in „E-Stadt“ den Restaurationsbetrieb „C“. Der Gesellschafter Herr „B“ ist nicht in das operative Tagesgeschäft des Restaurationsbetriebs eingebunden.

4Der Gesellschafter Herr „A“ gab am 08.02.2011 eine Selbstanzeige bei dem Beklagten ab. In dieser erklärte er für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen von insgesamt über 130.000 € nach.

5Die Klägerin gab mit Schreiben vom 25.03.2011 für alle noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträume eine Erklärung nach § 153 der Abgabenordnung (AO) gegenüber dem Beklagten ab. Darin führte sie aus, der Gesellschafter Herr „A“ habe jährlich ca. 24.000 € Einnahmen aus Trinkgeldern erzielt, die bisher entsprechend der Regelung in § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfrei behandelt worden seien.

6Mit Prüfungsanordnung vom 27.08.2012 – die keine weitere Begründung enthielt – ordnete der Beklagte bei der Klägerin gem. § 193 Abs. 1 AO die steuerliche Außenprüfung für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2000 bis 2010 an.

7Der Beklagte begann am 28.08.2012 mit der Außenprüfung. Am selben Tag fand eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Klägerin durch Beamte des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…“ statt. Im Rahmen der Außenprüfung reichte die Klägerin die Buchführungsunterlagen für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 beim Beklagten ein.

8Die Klägerin legte mit Schreiben vom 03.09.2012 gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Sie machte geltend, der Prüfungszeitraum dürfe regelmäßig nur drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Sofern dieser regelmäßige Prüfungszeitraum überschritten werde, bedürfe die Prüfungsanordnung einer substantiierten Begründung.

9Der Beklagte führte mit Schreiben vom 13.09.2012 aus, die Prüfungsanordnung umfasse gem. § 194 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 2 der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) den Prüfungszeitraum von 2000 bis 2010, da der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe und mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei.

10Im September 2012 gelangte der Beklagte aufgrund einer anonymen Anzeige in den Besitz von an die Klägerin adressierten Lieferscheinen, die ihn vermuten ließen, der Wareneinkauf sei in der Buchführung der Klägerin nicht vollständig erfasst.

11Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…“ leitete daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Herrn „A“ ein.

12Mit Schreiben vom 30.10.2012 erweiterte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…“ das Strafverfahren gegen den Gesellschafter Herrn „B“ wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Rahmen des Besteuerungsverfahrens der Klägerin für die Jahre 2005 bis 2010.

13Am 14.11.2012 fand eine Schlussbesprechung im Rahmen der Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 statt, die Hinzuschätzungen anhand eines Zeitreihenvergleichs zum Gegenstand hatte.

14Der Beklagte, der den Einspruch dahingehend auslegte, dass sich dieser nur  gegen die Prüfungsanordnung für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2007 richte, wies diesen mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, dass der Prüfungszeitraum gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 drei Besteuerungszeiträume übersteigen könne, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe. Diese Voraussetzung liege im Streitfall vor. Diese Voraussage werde gestützt auf die Einleitung der Strafverfahren in Sachen der einzelnen Gesellschafter der Klägerin hinsichtlich des Verdachts von Schwarzeinnahmen und deren Zuordnung unter Berücksichtigung der dem Beklagten vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse. Dass das Strafverfahren lediglich für die Jahre 2005 bis 2010 eingeleitet worden sei, habe ausschließlich strafprozessuale Gründe. Ferner sei aufgrund unterschiedlicher Verprobungsmethoden, die für den Prüfungszeitraum 2008 bis 2010 durchgeführt worden seien, mit erheblichen Mehrergebnissen zu rechnen. Es sei wahrscheinlich, dass in dem davor liegenden Zeitraum 2000 bis 2007 gleichermaßen erhebliche Mehrsteuern zu erwarten seien. Hierzu sei lediglich eine Prognoseentscheidung erforderlich.

15Mit Teil-Betriebsprüfungsbericht betreffend die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 vom 30.11.2012 vertraten die Prüfer die Auffassung, dass die Kassenbuchführung der Klägerin Buchführungsmängel aufweise. Deshalb schätzten sie anhand eines Zeitreihenvergleichs Erlöse von netto 643.500 € (2008), 575.000 € (2009) und 532.000 € (2010) hinzu.

16Die Klägerin hat am 17.12.2012 Klage gegen die Prüfungsanordnung erhoben.

17Sie macht geltend, dass die Strafverfahren gegen ihre beiden Gesellschafter zeitlich erst nach Erlass der Prüfungsanordnung eingeleitet worden seien. Deshalb hätte es zur Begründung des verlängerten Prüfungszeitraums in der Prüfungsanordnung einer Darstellung der konkreten Verdachtsmomente bedurft. Eine Selbstanzeige eines Gesellschafters für Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2009 sei nicht geeignet, die Anordnung einer Außenprüfung für insgesamt elf Veranlagungszeiträume einer gewerblich tätigen GbR zu rechtfertigen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die nachträglich erklärten Einkünfte des Gesellschafters Herrn „A“ aus der Anlage von erhaltenen Trinkgeldern aus dem Restaurationsbetrieb der Klägerin stammten, welche dem Beklagten im Rahmen der Berichtigungserklärung vom 25.03.2011 angezeigt worden seien. Soweit die aus dem Restaurationsbetrieb der Klägerin stammenden Einnahmen des Gesellschafters Herrn „A“ aus Trinkgeldern entsprechend § 3 Nr. 51 EStG als steuerfrei behandelt worden seien, erscheine das Vorliegen einer Steuerhinterziehung äußerst zweifelhaft. Denn der Gesellschafter Herr „A“ habe in der Berichtigungserklärung vom 25.03.2011 den relevanten Sachverhalt gegenüber dem Beklagten vollständig dargelegt. Der erweiterte Prüfungszeitraum könne auch nicht mit der Durchführung verschiedener Verprobungsmethoden begründet werden. Denn etwaige Erkenntnisse aus einem – allein durchgeführten – Zeitreihenvergleich hätten bei Erlass der Prüfungsanordnung noch nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Frage, ob die Prüfungsanordnung ermessensfehlerfrei ergangen sei, könne nicht auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt werden. Denn Tatsachen und Beweismittel, die erst im Rahmen von Prüfungshandlungen ermittelt und aufgefunden würden, dürften nicht nachträglich zur Begründung des verlängerten Prüfungszeitraums herangezogen werden. Soweit das Gericht in dem Beschluss im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung vom 25.03.2013 auf die BFH-Urteile vom 28.04.1988 (IV R 106/86, BStBl II 1988, 857) und vom 14.09.1993 (VIII R 56/92, BFH/NV 1994, 677) Bezug genommen habe, beträfen diese jeweils Sachverhalte, in denen der Prüfungszeitraum einer bereits begonnen Außenprüfung auf Grundlage dort gewonnener Erkenntnisse nachträglich erweitert worden sei. Vorliegend gehe es jedoch nicht um eine Prüfungserweiterung, sondern um einen Prüfungszeitraum, der von vorneherein den dreijährigen Regelzeitraum überschreite. Außerdem werde die Außenprüfung im Streitfall möglicherweise als Maßnahme zur Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten eingesetzt.

18Die Klägerin beantragt,

19die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung vom 27.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 insoweit aufzuheben, als die Prüfung für die Zeiträume 2000 bis 2007 angeordnet wird, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

20Der Beklagte beantragt,

21die Klage abzuweisen.

22Er trägt vor, für die Ausweitung des Prüfungszeitraums über drei Veranlagungszeiträume hinaus reiche der Verdacht einer Straftat aus. Aufgrund der Selbstanzeige des Gesellschafters Herrn „A“ und aufgrund der Berichtigungserklärung vom 25.03.2012 habe bei Erlass der Prüfungsanordnung ein solcher Verdacht bestanden. Dieser sei zudem durch die im September 2012 eingegangene anonyme Anzeige bestätigt worden. Die Einleitung des Strafverfahrens sei nicht erforderlich.

23Entscheidungsgründe:

24Das Gericht legt die Klage dahingehend aus, dass die Klägerin von vorneherein nur die Aufhebung der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung, soweit die Prüfung für die Zeiträume 2000 bis 2007 angeordnet wird, begehrte. Dies hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.09.2013 bestätigt.

25Die Klage ist unbegründet.

261. Die Anordnung der steuerlichen Außenprüfung vom 27.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

27a) Die angefochtene Prüfungsanordnung ist formell rechtmäßig.

28aa) Die auf § 193 Abs. 1 AO gestützte Prüfungsanordnung entspricht den formellen Anforderungen des § 196 AO. Der Beklagte hat die Prüfungsanordnung schriftlich erteilt und das Prüfungssubjekt (Klägerin) sowie den Prüfungsumfang (gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2000 bis 2010) hinreichend bezeichnet.

29bb) Der Beklagte hat die Prüfungsanordnung auch hinreichend begründet. Eine Prüfungsanordnung ist gem. § 196 AO schriftlich zu erteilen und deshalb nach § 121 Abs. 1 AO schriftlich zu begründen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist.

30Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, genügt bei Steuerpflichtigen, bei denen nach § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung zulässig ist (Gewerbetreibende, Land- und Forstwirte sowie Freiberufler), als Begründung für die Anordnung einer Außenprüfung grundsätzlich der Hinweis auf die Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO (BFH-Beschlüsse vom 26.06.2007 V B 97/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2007, 1805, unter II.1.b cc; vom 11.06.2004 IV B 231/02, BFH/NV 2004, 1501, unter 1.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin betreibt einen Restaurationsbetrieb und unterliegt deshalb gem. § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung. Nach der Rechtsprechung muss die Begründung der Prüfungsanordnung jedoch die Ermessenserwägungen erkennen lassen, wenn von dem nach § 4 Abs. 3 BpO 2000 von der Finanzverwaltung im Wege einer Selbstbindung ihres Ermessens festgelegten Prüfungszeitraum abgewichen wird (BFH-Beschluss vom 27.10.2003 III B 13/03, BFH/NV 2004, 312, unter 1.c). Dabei reicht es aus, wenn die erforderliche Begründung in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf enthalten ist, denn nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO kann die notwendige Begründung auch nachträglich bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. noch zu früheren Gesetzeslage, nach der die Begründung bis zum Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nachgeholt werden konnte: BFH-Beschluss vom 27.10.2003 III B 13/03, BFH/NV 2004, 312, unter 1.c; BFH-Urteil vom 19.08.1998 XI R 37/97, BStBl II 1999, 7, unter II.1.). Im Streitfall liegt eine Abweichung von dem nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 regelmäßig vorgesehenen Prüfungszeitraum von drei zusammenhängenden Besteuerungszeiträumen vor. Der Beklagte ordnete einen Prüfungszeitraum von elf Veranlagungszeiträumen (2000 bis 2010) an. Diese Abweichung hat der Beklagte zwar nicht im Rahmen der Prüfungsanordnung vom 27.08.2012, jedoch in dem Schreiben vom 13.09.2012, in dem er ausführte, die Prüfungsanordnung umfasse den Prüfungszeitraum von 2000 bis 2010, da der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe und mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei, sowie – ausführlicher – in der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 hinreichend begründet.

31b) Die angefochtene Prüfungsanordnung ist auch materiell rechtmäßig.

32aa) Die Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin erzielt durch den Restaurationsbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

33bb) Der Erlass der Prüfungsanordnung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.

34aaa) Die Prüfungsanordnung ist hinsichtlich des angeordneten Prüfungszeitraums ermessensfehlerfrei ergangen.

35Gem. § 194 Abs. 1 Satz 2 AO kann die Außenprüfung eine oder mehrere Steuerarten und einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen. Der zeitliche Umfang einer Außenprüfung liegt daher im Ermessen der Finanzbehörde. Da die Finanzbehörde aufgrund ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten nicht sämtliche gemäß § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung unterliegenden Steuerpflichtigen für alle Besteuerungszeiträume prüfen kann, muss sie unter den zu prüfenden Betrieben und hinsichtlich des Prüfungsumfangs eine Auswahl treffen. Das der Finanzbehörde zustehende Ermessen ist allerdings durch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften BpO 2000 vom 15.03.2000 (BStBl I 2000, 368, zuletzt geändert durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 20.07.2011, BStBl I 2011, 710) eingeschränkt. Diese Selbstbeschränkung ist auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFH-Urteil vom 08.12.1993 XI R 69/92, BFH/NV 1994, 500). Der Erlass einer Prüfungsanordnung kann als Ermessensentscheidung vom Gericht nur darauf überprüft werden, ob die Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 102 Satz 1 FGO).

36Nach § 4 Abs. 1 BpO 2000 bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei soll nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 bei anderen als den in § 4 Abs. 2 BpO 2000 genannten Betrieben – zu denen derjenige der Klägerin nicht gehört – der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Der Prüfungszeitraum kann jedoch gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 insbesondere dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht. Die in § 4 Abs. 3 BpO 2000 getroffene Regelung selbst ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ermessensgerecht (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08.2005 XI B 207/04, BFH/NV 2006, 9, unter 1.). Ob mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d. h. der Einspruchsentscheidung, und nicht wie die Klägerin meint, nach den Verhältnissen bei Erlass der Prüfungsanordnung (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.1988 IV R 106/86, BStBl II 1988, 857, unter 4., wonach bei einer Entscheidung durch die Oberfinanzdirektion über eine Erweiterung des Prüfungszeitraums die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich waren; ebenso BFH-Urteil vom 01.08.1984 I R 138/80, BStBl II 1985, 350, unter II.1.b bb; BFH-Urteil vom 14.09.1993 VIII R 56/92, BFH/NV 1994, 677, unter II.2.a). Die Behörde muss in die letzte Verwaltungsentscheidung alle ihr bekannten Umstände einbeziehen. Der BFH hat insoweit zu der Erweiterung eines Prüfungszeitraums ausgeführt, bei der Entscheidung über eine solche Erweiterung müssten auch bereits für diesen Zeitraum bekanntgewordene Prüfungsergebnisse berücksichtigt werden, falls trotz der Anfechtung der Prüfungsanordnung die erweiterte Prüfung ganz oder teilweise durchgeführt worden sei. Diese Auffassung wirke sich zu Lasten des Steuerpflichtigen aus, wenn sich erst durch diese Prüfung Anhaltspunkte für nicht unerhebliche Nachforderungen ergeben hätten. Sie wirke sich zu Gunsten aus, wenn nach den Ergebnissen der ursprünglichen Prüfung mit nicht unerheblichen Mehrsteuern im erweiterten Prüfungszeitraum zu rechnen gewesen sei, diese Erwartungen sich aber nach den im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bekannten Ergebnisse der erweiterten Prüfung nicht bewahrheitet hätten (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.1988 IV R 106/86, BStBl II 1988, 857, unter 4.).

37Die angefochtene Prüfungsanordnung lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Sie entspricht der Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 und umfasst zulässigerweise mehr als drei, nämlich elf, zusammenhängende Besteuerungszeiträume.

38Im Streitfall war im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 als der maßgeblichen letzten Verwaltungsentscheidung der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit gegeben. Auf diesen Verdacht stützte der Beklagte sowohl im Schreiben vom 13.09.2012 als auch in der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 den Prüfungszeitraum. Er machte insoweit geltend, dass bereits vor Ergehen der Einspruchsentscheidung Strafverfahren gegen die Gesellschafter der Klägerin eingeleitet worden waren. Für den Erlass einer mehr als drei Besteuerungszeiträume umfassenden Prüfungsanordnung ist insoweit nicht entscheidend, ob eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit begangen oder nicht begangen wurde. Maßgeblich ist nur, ob der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. Dies ist vorliegend bereits aufgrund der Einleitung der Strafverfahren der Fall. Entgegen der Ansicht der Klägerin mussten die konkreten Verdachtsmomente auch nicht im Einzelnen dargestellt werden. Der Hinweis in der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012, dass ein Verdacht von Schwarzeinnahmen bestehe, genügt insoweit.

39Im Streitfall war außerdem im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen. Aufgrund der bei Erlass der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 bereits für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 durchgeführten Außenprüfung, bei der Buchführungsmängel festgestellt wurden, ergaben sich aufgrund der angewandten Verprobungsmethode erhebliche Mehreinnahmen für diese Veranlagungszeiträume. Es war von dem Beklagten nicht ermessensfehlerhaft, auch für die Vorjahre ähnliche Buchführungsmängel und Mehreinnahmen zu erwarten. Der Hinweis auf die erwarteten Mehrsteuern für den Zeitraum 2000 bis 2007 in der Einspruchsentscheidung genügt insoweit. Denn der Beklagte hat der Klägerin das Ergebnis seiner Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 bereits in der Schlussbesprechung am 14.11.2012 und damit vor Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 mitgeteilt.

40Soweit die Klägerin zutreffend darauf hinweist, dass die BFH-Urteile vom 28.04.1988 (IV R 106/86, BStBl II 1988, 857) und vom 14.09.1993 (VIII R 56/92, BFH/NV 1994, 677), in denen der BFH die Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als maßgeblich angesehen hat, jeweils Sachverhalte betreffen, in denen der Prüfungszeitraum einer bereits begonnen Außenprüfung auf Grundlage dort gewonnener Erkenntnisse nachträglich erweitert wurde, lässt sich daraus nicht folgern, dass es vorliegend auf den Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung ankommt. Nach allgemeinen Grundsätzen ist bei Ermessensentscheidungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (vgl. allgemein zu Ermessensentscheidungen: von Groll in: Gräber, FGO, 7. Auflage, § 102 Rn. 13; BFH-Urteil vom 28.06.2000 X R 24/95, BStBl II 2000, 514, unter II.2.c; BFH-Urteil vom 11.06.1997 X R 14/95, BStBl II 1997, 642, unter II.1.; BFH-Urteil vom 26.03.1991 VII R 66/90, BStBl II 1991, 545). Dies muss gleichermaßen bei der unmittelbaren Anordnung einer Außenprüfung für mehr als drei Veranlagungszeiträume wie auch bei der Erweiterung einer Außenprüfung gelten.

41bbb) Die Prüfungsanordnung ist auch, obwohl das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…“ inzwischen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die beiden Gesellschafter der Klägerin eingeleitet hat, ermessensfehlerfrei.

42Nach der Rechtsprechung des BFH sind Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nicht ausgeschlossen. Es besteht keine sich gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung. Die Zulässigkeit des Nebeneinanders von Außenprüfung und Steuerfahndungsprüfung ergibt sich eindeutig aus § 393 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach sich die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften richten. Dementsprechend hindert die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens weitere Ermittlungen durch die Außenprüfung nicht. Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt auch bei Verdacht einer Steuerstraftat. Mit welchen Mitteln oder auf welche Weise sie dieser Ermittlungspflicht nachkommt, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und der Praktikabilität (vgl. BFH-Beschluss vom 03.04.2003 XI B 60/02, BFH/NV 2003, 1034, unter 1.a; BFH-Urteil vom 19.08.1998 XI R 37/97, BStBl II 1999, 7, unter II.2.).

43Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Beklagte nicht gehindert, eine Außenprüfung bei der Klägerin anzuordnen und diese Außenprüfung durchzuführen. Insbesondere liegt im Streitfall kein Anlass dafür vor, die Finanzbehörden von vornherein ausschließlich auf eine Steuerfahndungsprüfung zu verweisen.

442. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

453. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 FGO).