BFH – Abrechnungsbescheid; Aufrechnung in sogenannten Bauträger-Fällen; keine Pflicht zur Verfahrensaussetzung; Auswirkungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Im Urteil vom 24. Mai 2023, XI R 45/20, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass das Finanzamt (FA) in einem sogenannten Bauträger-Fall mit zivilrechtlichen Forderungen auf Nachzahlung von Umsatzsteuer, die an das FA abgetreten wurden, gegen Steuererstattungsansprüche der Klägerin wirksam aufrechnen kann.

Im Streitfall war die Klägerin Bauunternehmerin und Bauträgerin. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und Herrn U als Organträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.

Die Klägerin bezog Eingangsleistungen, auf die die bauleistenden Unternehmer und die Klägerin (in Übereinstimmung mit der damaligen Verwaltungsauffassung) die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F.) anwendeten.

Nach Ergehen des Urteils des BFH vom 22. August 2013 – V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) beantragten U und die U KG jeweils am 2. Mai 2014 die Erstattung der von ihnen als Organträger abgeführten Umsatzsteuer. Dem Erstattungsantrag kam das FA vollumfänglich nach.

Mit Schreiben vom 8. November 2016 teilte das FA der Klägerin mit, dass mehrere bauleistende Unternehmer ihre zivilrechtlichen Umsatzsteuer-Nachforderungsansprüche gegen die Klägerin an das FA abgetreten hätten. Mit diesen Forderungen rechne das FA gemäß § 226 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegen ein Guthaben der Klägerin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2015 sowie wegen Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 auf. Der verbleibende Erstattungsbetrag werde überwiesen.

Die Klägerin klagte gegen den Abrechnungsbescheid des FA, mit dem die Aufrechnungen gegen ihre Steuererstattungsansprüche wirksam festgestellt worden waren.

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Er hat entschieden, dass die vom FA erklärten Aufrechnungen wirksam sind.

Der BFH hat hierzu zunächst festgestellt, dass das FA zum Erlass eines Abrechnungsbescheids berechtigt und verpflichtet war. Eine Klärung der Wirksamkeit der Aufrechnung eines FA erfolgt im Festsetzungsverfahren nicht.

Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die unstreitig bestehenden Erstattungsansprüche der Klägerin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2015 durch Aufrechnung mit zivilrechtlichen Ansprüchen der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung von Umsatzsteuer, die diese an das FA abgetreten haben, erloschen sind.

Der BFH hat hierzu entschieden, dass das FA in einem sogenannten Bauträger-Fall mit zivilrechtlichen Forderungen auf Nachzahlung von Umsatzsteuer, die an das FA abgetreten wurden, gegen Steuererstattungsansprüche der Klägerin wirksam aufrechnen kann.

Der BFH hat dies damit begründet, dass der Umsatzsteuerschuldner im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG auch dann der Organträger ist, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 27 Abs. 19 UStG und aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise.