BFH, Urteil vom 15.07.2025 – IX R 25/24
(Pressemitteilung Nr. 58/25 vom 25.09.2025)
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf Einsicht in anonyme Anzeigen haben, die beim Finanzamt eingehen und steuerliches Fehlverhalten zum Gegenstand haben. Auch ein Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vermittelt insoweit keine weitergehenden Rechte.
Der Streitfall
- Die Klägerin betrieb einen Gastronomiebetrieb.
- Nach einer anonymen Anzeige führte das Finanzamt eine Kassen-Nachschau (§ 146b AO) durch – ohne Feststellung steuerstrafrechtlicher Verstöße.
- Im Anschluss verlangte die Klägerin:
- Einsicht in ihre Steuerakten sowie
- Auskunft nach Art. 15 DSGVO über die Verarbeitung personenbezogener Daten.
- Ziel: Kenntnis des Anzeigeninhalts, um Rückschlüsse auf den Hinweisgeber ziehen zu können.
- Finanzamt und Finanzgericht lehnten die Anträge ab.
Entscheidung des BFH
Der IX. Senat wies die Revision zurück:
- Keine Akteneinsicht:
Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Offenlegung, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters und der Behörde schwerer wiegt. Im Regelfall ist davon auszugehen.
Eine Ausnahme wäre nur denkbar, wenn die Anzeige zu einer unberechtigten strafrechtlichen Verfolgung führen würde. - Kein weitergehender DSGVO-Anspruch:
Zwar enthalte eine anonyme Anzeige personenbezogene Daten, über die grundsätzlich Auskunft zu erteilen wäre.- Der Anspruch wird jedoch durch § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO eingeschränkt, wenn die Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung gefährdet würde.
- Der Identitätsschutz des Hinweisgebers steht einer Offenlegung ebenfalls entgegen.
Praxis-Hinweis
- Schutz der Hinweisgeber: Das Urteil stärkt die Anonymität von Steuerhinweisen und schützt die Arbeit der Finanzverwaltung.
- Grenze des Informationsrechts: Steuerpflichtige können den Inhalt anonymer Anzeigen nicht nutzen, um den Hinweisgeber zu identifizieren.
- Ausnahmefälle: Nur wenn durch eine anonyme Anzeige eine unberechtigte strafrechtliche Verfolgung ausgelöst wird, könnte ein Auskunftsanspruch bestehen.
- Empfehlung: Betroffene sollten sich im Falle einer anonymen Anzeige auf eine sachliche Verteidigung im Prüfungsverfahren konzentrieren, anstatt Einsicht in die Anzeige selbst zu verlangen.
Quelle: Bundesfinanzhof