BFH, Urteil III R 9/23 vom 16.01.2025
Leitsatz
- Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Finanzgericht die Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung aufgrund eines retrospektiven Gutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten bildet.
- Maßgebliches Kriterium für die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen ist dessen Sachkunde in Bezug auf die Beweisfrage.
Hintergrund der Entscheidung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Januar 2025 (III R 9/23) behandelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein retrospektives Gutachten als Nachweis für eine seelische Behinderung im Zusammenhang mit Kindergeldansprüchen anerkannt werden kann. Zudem wird geklärt, welche Kriterien für die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen maßgeblich sind.
Entscheidung des BFH
Der BFH stellte fest, dass ein Finanzgericht seine Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung auch auf ein retrospektives Gutachten eines psychologischen Psychotherapeuten stützen kann. Entscheidend ist dabei die Sachkunde des Gutachters in Bezug auf die konkrete Beweisfrage. Die Finanzgerichte haben bei der Auswahl des Sachverständigen einen Beurteilungsspielraum, der sicherstellen soll, dass die fachliche Kompetenz des Gutachters zur Klärung des Sachverhalts ausreicht.
Diese Entscheidung stärkt die Möglichkeiten von Antragstellern, ihren Anspruch auf Kindergeld wegen einer seelischen Behinderung nachzuweisen, insbesondere wenn keine frühere Diagnostik oder zeitnahe Gutachten vorliegen.
Auswirkungen auf die Praxis
- Eltern und Sorgeberechtigte können sich auf retrospektive Gutachten stützen, um den Nachweis einer seelischen Behinderung für den Kindergeldanspruch zu erbringen.
- Finanzgerichte müssen bei der Auswahl eines Sachverständigen primär auf dessen Fachkompetenz zur Klärung der relevanten Beweisfrage achten.
- Antragsteller haben dadurch eine bessere rechtliche Position, wenn erst später ein Gutachten zur seelischen Behinderung vorliegt.
Fazit
Das Urteil bringt Klarheit darüber, dass retrospektive Gutachten durch psychologische Psychotherapeuten als Beweis für eine seelische Behinderung herangezogen werden können. Zudem betont der BFH, dass die Auswahl eines Sachverständigen vor allem von dessen Sachkunde abhängt. Diese Entscheidung kann insbesondere für Familien mit später diagnostizierten Behinderungen von Bedeutung sein.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil III R 9/23 vom 16.01.2025