BFH: Reitunterricht grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig – nur bei Berufsvorbereitung steuerfrei

BFH, Urteil vom 22.01.2025 – XI R 9/22
Pressemitteilung Nr. 35/25 vom 30.05.2025

Mit Urteil vom 22. Januar 2025 (Az. XI R 9/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt:
Reitunterricht ist regelmäßig als Freizeitgestaltung anzusehen und daher nicht von der Umsatzsteuer befreit. Nur unter besonderen Voraussetzungen kann er als berufsvorbereitende Ausbildung oder Fortbildung steuerfrei bleiben.

Hintergrund des Verfahrens

Ein Reiterhof bot in den Jahren 2007 bis 2011 verschiedene Reitkurse an – darunter:

  • „Ponygruppen“ für Kinder und Jugendliche,
  • Reitunterricht im Rahmen von Klassenfahrten,
  • sowie eine „Große Pferdegruppe“, die auf das Ablegen von Reitabzeichen und eine spätere Tätigkeit als Turnierreiter vorbereiten sollte.

Zudem wurden die Teilnehmer auf dem Hof verpflegt und teilweise auch beherbergt. Der Betreiber beantragte die Umsatzsteuerbefreiung für sämtliche Leistungen.

Die Entscheidung des BFH im Überblick

Der BFH lehnte die Steuerbefreiung für Freizeitkurse ab und bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung in wesentlichen Punkten:

💡 Reitunterricht ist kein Schul- oder Hochschulunterricht

  • Auch wenn Reiten pädagogische Elemente enthält, handelt es sich nicht um „Schulunterricht“ im Sinne des § 4 Nr. 21 UStG.
  • Der BFH verweist auf ständige Rechtsprechung: Auch Fahr-, Tanz-, Schwimm-, Segel- oder Jagdschulen erfüllen regelmäßig nicht die Anforderungen für eine Umsatzsteuerbefreiung.

Steuerbefreiung nur bei klarer Berufsvorbereitung

  • Nur die Kurse der „Großen Pferdegruppe“, deren Teilnehmer nachweislich auf eine spätere berufliche Tätigkeit als Turniersportreiter vorbereitet wurden, sind umsatzsteuerfrei.
  • Voraussetzung: Der Unterricht muss gezielt auf den Erwerb beruflicher Qualifikationen abzielen.

🍽 Verpflegung und Beherbergung sind eigenständige Leistungen

  • Diese unterliegen nicht automatisch der Steuerbefreiung, selbst wenn sie mit dem Reitunterricht verbunden sind.
  • Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG a.F. (für Einrichtungen mit sozialem Charakter) scheitert hier, weil der Betreiber keine anerkannte Einrichtung war.

Bedeutung für die Praxis

  • Reitbetriebe und andere Anbieter spezialisierter Freizeitkurse müssen sich bewusst sein: Die bloße Wissensvermittlung oder Betreuung reicht nicht aus für eine Umsatzsteuerbefreiung.
  • Nur wenn nachweislich eine berufliche Qualifikation vermittelt wird, kann eine Ausnahme gelten.
  • Die Beherbergung und Verpflegung von Kursteilnehmern bleibt regelmäßig steuerpflichtig, es sei denn, es handelt sich um eine anerkannte gemeinnützige Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht (nach neuem Recht seit 2020).

Unser Praxistipp

Prüfen Sie gezielt, ob Ihre Leistungen wirklich der Berufsausbildung dienen.
Wenn Sie Reitunterricht oder vergleichbare Kurse anbieten, achten Sie auf:

  • klare Kursziele (z. B. Erwerb eines berufsqualifizierenden Zertifikats),
  • Teilnehmerstruktur (z. B. Ausbildungskandidaten),
  • und dokumentieren Sie die berufliche Relevanz der Kurse.

Sie betreiben einen Reitbetrieb, eine Tanzschule oder bieten Bildungsleistungen an?
Wir prüfen für Sie die Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung und beraten zur optimalen steuerlichen Gestaltung Ihrer Angebote.


Quelle:
BFH, Urteil vom 22.01.2025 – XI R 9/22
(Pressemitteilung Nr. 35/25 vom 30.05.2025)