BFH: Träger eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs haftet für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer

BFH, Urteil vom 11.12.2024 – VIII R 24/23
Quelle: Bundesfinanzhof, veröffentlicht am 20.03.2025

Mit Urteil vom 11. Dezember 2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB) innerhalb einer gemeinnützigen Körperschaft als eigenständiger Steuerentrichtungspflichtiger gilt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Kapitalertragsteuerhaftung.


Hintergrund: Gemeinnützigkeit und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

Viele gemeinnützige Organisationen unterhalten neben ihrem ideellen Bereich wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, etwa für gastronomische Angebote, Veranstaltungen oder Sponsoringaktivitäten. Auch wenn beide unter dem Dach einer einzigen Körperschaft stehen, trennt das Steuerrecht diese Bereiche fiktiv, insbesondere im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer.


Der Fall: Kapitalerträge – aber keine Kapitalertragsteuer

Im vorliegenden Fall wurde eine gemeinnützige Körperschaft für nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer (KESt) in Anspruch genommen. Konkret ging es um Ausschüttungen innerhalb der eigenen Struktur – vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an die Trägerkörperschaft. Das Finanzamt sah hierin Kapitalerträge, für die KESt hätte einbehalten und abgeführt werden müssen.


Die Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung und stellte klar:

  • Fiktives Verhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten: Nach § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG gelten der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Schuldner und die Trägerkörperschaft als Gläubiger der Kapitalerträge – steuerlich also wie zwei verschiedene Personen.
  • Entsprechend ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als „Dritter“ im Sinne von § 171 Abs. 15 AO anzusehen – also als derjenige, der die Steuer schuldet bzw. hätte abführen müssen.
  • Auch für die Frage der Festsetzungsverjährung (§ 171 Abs. 3a AO) ist diese Fiktion relevant: Die Hemmung gilt nur für den tatsächlich angefochtenen Bescheid und nur gegenüber dem betroffenen Rechtsträger – also hier konkret dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft mehr Klarheit – und zugleich neue Risiken:

  • Trennung beachten: Trägerkörperschaft und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind bei Kapitalerträgen steuerlich strikt zu trennen, auch wenn sie formal dieselbe Organisation sind.
  • Pflichten im Blick behalten: Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe müssen ihre Pflichten zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer kennen und erfüllen – auch bei internen Vorgängen.
  • Verjährungsfragen prüfen: Die Entscheidung grenzt die Verjährungshemmung präzise ein – dies ist insbesondere bei Einsprüchen und Anfechtungen von großer Bedeutung.

Fazit

Der BFH stärkt mit diesem Urteil die steuerliche Eigenständigkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe im Rahmen gemeinnütziger Organisationen. Fehlender Kapitalertragsteuerabzug kann zu einer persönlichen Haftung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs führen. Gemeinnützige Einrichtungen sollten interne Zahlungen sorgfältig prüfen und steuerlich korrekt behandeln.


Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2024 – VIII R 24/23