Mit der 6b-Rücklage können Unternehmen Steuern auf Veräußerungsgewinne von Immobilien in die Zukunft verschieben. Das verschafft Liquidität und eröffnet Investitionsspielräume – inzwischen gibt es sogar Fondsangebote, die speziell auf dieses Steuermodell zugeschnitten sind. Doch klar ist auch: Irgendwann muss die Rücklage wieder aufgelöst werden. Spannend wird es, wenn der Gesellschafter oder Geschäftsführer, zu dessen Zeit die Rücklage gebildet wurde, zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr an Bord ist.
Genau darüber hatte der Bundesfinanzhof (BFH) zu entscheiden.
Darum geht’s bei § 6b EStG
Der § 6b EStG erlaubt es Betrieben, Veräußerungsgewinne aus Immobilien nicht sofort zu versteuern. Stattdessen können diese Gewinne auf ein anderes Wirtschaftsgut übertragen oder in eine Rücklage eingestellt werden. Das mindert die Anschaffungskosten des neuen Anlagegutes und wirkt wie ein Steuerstundungsmodell.
Voraussetzungen für die Nutzung von § 6b EStG:
- Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
- Verkaufte Immobilie war mindestens sechs Jahre dem Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet
- Investition in ein neues begünstigtes Wirtschaftsgut
So funktioniert die 6b-Rücklage
- Bildung der Rücklage im Jahr des Immobilienverkaufs
- Auflösung spätestens nach vier Jahren (bei Neubauten: sechs Jahre)
- Erfolgt keine Reinvestition, wird die Rücklage zwangsweise aufgelöst
- Zusätzlich fällt ein Strafzuschlag von 6 % an
Der BFH-Fall: Gesellschafter bereits ausgeschieden
Eine gewerblich tätige KG hatte eine 6b-Rücklage gebildet, aber innerhalb der Frist nicht reinvestiert. Die Rücklage musste also aufgelöst werden.
Problem: Der betroffene Gesellschafter war zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden. Fraglich war, welches Finanzamt zuständig ist – das Betriebs-Finanzamt (im Rahmen der Gewinnfeststellung der KG) oder das Wohnsitz-Finanzamt des ausgeschiedenen Gesellschafters.
Urteil des BFH (12.07.2023, X R 14/21)
Der BFH entschied:
- Zuständig ist das Wohnsitz-Finanzamt des ausgeschiedenen Gesellschafters.
- Die Auflösung der Rücklage führt bei diesem zu nachträglichen gewerblichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 EStG.
- Diese Einkünfte sind nicht gewerbesteuerpflichtig, sondern ausschließlich in der Einkommensteuererklärung des ehemaligen Gesellschafters zu erfassen.
- Eine Erfassung im Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschaft ist unzulässig, da der Gesellschafter dort nicht mehr beteiligt ist.
Änderungsvorschrift nach § 174 Abs. 4 AO
Besonders wichtig: Selbst wenn der Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters bereits bestandskräftig war, kann er nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden. Damit wird sichergestellt, dass der Gewinn aus der Auflösung der Rücklage auch nachträglich noch erfasst wird.
Praxis-Hinweis
- Für Gesellschafter: Wer aus einer Gesellschaft ausscheidet, sollte prüfen lassen, ob noch offene 6b-Rücklagen bestehen. Die Steuerlast kann auch Jahre später nachträglich auf ihn übergehen.
- Für Gesellschaften: Eine transparente Dokumentation der Rücklagen ist essenziell, um Streit mit dem Finanzamt oder ehemaligen Gesellschaftern zu vermeiden.
- Für Berater: Bei Einsprüchen oder nachträglichen Feststellungen ist die Anwendung von § 174 Abs. 4 AO ein wichtiges Instrument, um Einkommensteuerbescheide korrekt anzupassen.
Fazit:
Die 6b-Rücklage ist ein wirksames Instrument zur Steuerstundung beim Immobilienverkauf. Doch spätestens bei Auflösung wird die Steuer fällig – auch dann, wenn der Gesellschafter längst ausgeschieden ist. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen das Wohnsitz-Finanzamt zuständig bleibt und die Einkünfte in der persönlichen Steuererklärung des Gesellschafters zu erfassen sind.