Wer Betriebsvermögen, vermieteten Wohnraum oder ein Familienheim erbt, kann unter bestimmten Voraussetzungen von erheblichen steuerlichen Vergünstigungen profitieren. Doch was passiert, wenn diese Vermögenswerte im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erst später einem Miterben zugeordnet werden? Verfällt dann der Steuervorteil?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt: Nein – entscheidend ist der innere Zusammenhang mit dem Erbfall, nicht die Einhaltung starrer Fristen. Damit stärkt der BFH die Rechte von Erben und setzt der restriktiven Praxis der Finanzverwaltung klare Grenzen.
Der Fall: Späte Erbauseinandersetzung – Steuervorteil verweigert
Im entschiedenen Fall hatten zwei Brüder ihre Eltern geerbt, die kurz nacheinander verstorben waren. Teil des Nachlasses war auch Betriebsvermögen in Form von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH & Co. KG sowie eine selbstgenutzte Immobilie.
Die konkrete Erbauseinandersetzung erfolgte jedoch erst mehr als zwei Jahre nach dem Erbfall. Dabei übernahm ein Bruder alle Gesellschaftsanteile, der andere erhielt ein Grundstück. Das Finanzamt verweigerte daraufhin den Begünstigungstransfer für die steuerlichen Vorteile nach §§ 13a ff. ErbStG – mit Verweis auf eine in der Verwaltungsauffassung geltende Sechs-Monats-Frist.
Das Urteil: Kein Fristversäumnis – sondern sachlicher Zusammenhang
Der BFH stellte klar:
🟩 Eine gesetzlich vorgeschriebene Frist für die Erbauseinandersetzung, innerhalb derer steuerliche Begünstigungen „mitübertragen“ werden können, existiert nicht.
Vielmehr ist entscheidend:
- Besteht ein innerer Zusammenhang zwischen Erbfall und Auseinandersetzung?
- War die spätere Verteilung Teil des ursprünglichen Erbenwillens?
- Gab es sachliche Gründe (z. B. steuerliche Bewertungen, komplexe Vermögensverhältnisse) für eine spätere Teilung?
Die Richter bestätigten, dass die Verzögerung im vorliegenden Fall nicht willentlich, sondern durch nachvollziehbare Gründe bedingt war. Somit war auch ein späterer Begünstigungstransfer möglich – und die Steuervorteile zu gewähren.
Auswirkungen in der Praxis
Das Urteil hat große Bedeutung für Erbengemeinschaften mit komplexem Vermögen:
✅ Auch bei späterer Auseinandersetzung können Begünstigungen übertragen werden, wenn der Bezug zum Erbfall nachvollziehbar bleibt.
✅ Verwaltungsrichtlinien des BMF dürfen keine starren Fristen setzen, die über das Gesetz hinausgehen.
✅ Erben sollten sorgfältig dokumentieren, aus welchen Gründen die Teilung verzögert wurde – insbesondere bei Betriebsvermögen und Immobilien.
💬 Fazit: Mehr Flexibilität für Erben – weniger Dogmatik bei Fristen
Mit seiner Entscheidung setzt der Bundesfinanzhof ein wichtiges Zeichen: Steuervorteile im Erbfall dürfen nicht an schematische Fristen scheitern, wenn sachliche Gründe für eine spätere Verteilung vorliegen. Der gesetzgeberische Wille, insbesondere Familienbetriebe und eigengenutztes Wohneigentum steuerlich zu entlasten, bleibt damit auch bei längeren Auseinandersetzungszeiträumen gewahrt.
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