BFH-Urteil zur Organschaft und atypisch stillen Beteiligung – Neues zur Gewinnabführung

Die Organschaft gehört zu den bewährten steuerlichen Gestaltungsinstrumenten bei Unternehmensgruppen. Doch was passiert, wenn eine Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung aufweist? Mit seinen Urteilen vom 11.12.2024 (Az. I R 17/21 und I R 33/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun klare und praxisrelevante Aussagen getroffen.


Worum ging es?

Im Fokus der beiden Urteile stand die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft mit atypisch stillem Gesellschafter überhaupt eine Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein kann – insbesondere, wenn der gesamte Gewinn gemäß § 14 KStG an den Organträger abgeführt werden muss.

Im entschiedenen Fall hatte eine GmbH, an der ein atypisch stiller Gesellschafter mit 10 % beteiligt war, einen Gewinnabführungsvertrag mit einer Kommanditgesellschaft als Organträger abgeschlossen. Finanzamt und Finanzgericht verneinten die Anerkennung der Organschaft: Der „ganze Gewinn“ sei wegen der stillen Beteiligung nicht abgeführt worden.


Die Entscheidung des BFH

Der Bundesfinanzhof stellt klar:

✅ Auch bei atypisch stiller Beteiligung kann eine Organschaft vorliegen.

Der „ganze Gewinn“ i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG sei zivilrechtlich zu verstehen – also der nach vertraglichen Verpflichtungen verbleibende Gewinn, nach Abzug der Gewinnanteile des atypisch still Beteiligten. Dieser Restgewinn könne in voller Höhe an den Organträger abgeführt werden – die Vorgaben des § 14 KStG seien damit erfüllt.

Der BFH betont, dass es auf die zivilrechtliche Auslegung des Gewinnabführungsvertrags ankommt. Gewinnanteile des stillen Gesellschafters stellen dabei keine Teilgewinnverwendung, sondern Betriebsausgaben bzw. Geschäftsunkosten dar.


🧾 Leitsätze des BFH:

  1. Eine Kapitalgesellschaft kann auch bei bestehender atypisch stiller Beteiligung Organgesellschaft sein – der nach Abzug verbleibende Gewinn gilt als „ganzer Gewinn“.
  2. Eine Kapitalgesellschaft kann sogar dann Organträger sein, wenn mehrere atypisch stille Beteiligungen bestehen, solange sie sich auf voneinander unabhängige Geschäftsbereiche beziehen.
  3. Für die gewerbesteuerliche Organschaft gilt hingegen weiterhin, dass die Beteiligung eines atypisch stillen Gesellschafters grundsätzlich zur Versagung der Organschaft führt – es sei denn, die Beteiligung beschränkt sich ausschließlich auf einen abgrenzbaren Geschäftsbereich.

Was bedeutet das für die Praxis?

Rechtssicherheit für Unternehmensgruppen:
Das Urteil gibt grünes Licht für viele Konstellationen, in denen Beteiligungsgestaltungen und Organschaft kombiniert werden sollen.

Gestaltungsfreiraum bei Holdingstrukturen:
Insbesondere bei der Nutzung von GmbHs mit stillen Beteiligungen innerhalb von Konzernstrukturen kann der Gewinnabführungsvertrag weiterhin rechtssicher eingesetzt werden – sofern zivilrechtlich korrekt gestaltet.

Aber Achtung bei der Gewerbesteuer:
Im Bereich der Gewerbesteuer bleibt die Rechtsprechung restriktiv: Die gewerbesteuerliche Organschaft ist bei atypisch stillen Beteiligungen nur eingeschränkt möglich.


Fazit

Die aktuellen Entscheidungen des BFH schaffen mehr Klarheit und Sicherheit für die steuerliche Anerkennung von Organschaften mit stillen Beteiligungen. Sie bestätigen, dass der „ganze Gewinn“ im Sinne des Körperschaftsteuerrechts auch bei atypisch stiller Beteiligung ordnungsgemäß abgeführt werden kann – wenn die zivilrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

📌 Gestaltungstipp:
Achten Sie bei geplanten Organschaftsmodellen auf die exakte Formulierung und Umsetzung des Gewinnabführungsvertrags sowie auf die Abgrenzung etwaiger Geschäftsbereiche bei stillen Beteiligungen.


📞 Sie planen eine Organschaft oder möchten eine bestehende Struktur prüfen lassen?
Wir beraten Sie gern individuell zu Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie zu stillen Beteiligungsmodellen.


Quellen:

  • BFH, Urteil vom 11.12.2024 – I R 17/21
  • BFH, Urteil vom 11.12.2024 – I R 33/22
  • BFH, Pressemitteilung Nr. 21/25 vom 03.04.2025
  • LEXinform-Dokumente Nr. 0953604 und Nr. 0954352

Bleiben Sie steuerlich auf dem neuesten Stand:
Abonnieren Sie unseren Newsletter.