BFH, Pressemitteilung Nr. 12/25 vom 13.03.2025 zum Urteil I R 36/22 vom 24.10.2024
Leitsatz
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Vergütungsvereinbarungen zwischen einer Aktiengesellschaft (AG) und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär ist, steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen sind. Eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufsichtsrat der AG einseitig zugunsten des Vorstandsmitglieds entschieden hat (Urteil vom 24.10.2024 – I R 36/22).
Hintergrund der Entscheidung
Im Streitfall hatte eine AG durch ihren Aufsichtsrat eine Vergütungsvereinbarung mit dem alleinvertretungsberechtigten Vorstand X getroffen. Diese Vereinbarung enthielt umsatz- und gewinnabhängige Tantiemezahlungen. Die Konstellation war wie folgt:
- Der Aufsichtsrat bestand aus drei Mitgliedern.
- Zwei der drei Aufsichtsratsmitglieder waren – ebenso wie X – Minderheitsaktionäre.
- Das dritte Mitglied des Aufsichtsrats war an der AG nicht beteiligt.
- Es bestanden keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen X und den Aufsichtsratsmitgliedern.
Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) stuften die umsatz- und gewinnabhängigen Vergütungszahlungen an X als vGA ein. Dadurch wurde bei der AG eine höhere Körperschaftsteuer festgesetzt.
Entscheidung des BFH
Der BFH widersprach dieser Auffassung und entschied zugunsten der AG. Wichtige Argumente der Entscheidung:
- Grundsätzliche Anerkennung von umsatzabhängigen Tantiemen bei einer AG
- Umsatzabhängige Tantiemen sind steuerrechtlich zwar nur ausnahmsweise anzuerkennen, weil sie potenziell zur Gewinnabsaugung führen können.
- Allerdings hatte das FG in seiner Entscheidung nicht beachtet, dass die herangezogene Rechtsprechung für GmbHs gilt. Eine AG unterliegt anderen steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen.
- Besonderheiten der Aktiengesellschaft
- Bei einer GmbH wird die Gesellschaft oft von einem Gesellschafter-Geschäftsführer dominiert, was das Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung erhöht.
- Bei einer AG ist hingegen der Aufsichtsrat gesetzlich verpflichtet, bei der Festlegung der Vorstandsvergütung die Interessen der Gesellschaft zu wahren (§ 87 AktG).
- Kein beherrschender Einfluss des Vorstandsmitglieds
- X hatte keine Aktienmehrheit und konnte den Aufsichtsrat nicht beherrschen.
- Die Aufsichtsratsmitglieder waren ihm nicht nahestehend, sodass keine Anhaltspunkte für eine einseitige Einflussnahme bestanden.
- Wann eine vGA vorliegt
- Eine vGA im Zusammenhang mit umsatz- oder gewinnabhängigen Tantiemen ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass sich der Aufsichtsrat einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds orientiert hat.
- Im konkreten Fall lagen solche besonderen Umstände nicht vor.
Auswirkungen auf die Praxis
- Vergütungsvereinbarungen in AGs sind steuerlich sicherer als in GmbHs, sofern sie ordnungsgemäß durch den Aufsichtsrat beschlossen werden.
- Minderheitsaktionäre, die als Vorstandsmitglieder tätig sind, müssen keinen automatischen vGA-Vorwurf befürchten.
- Der Aufsichtsrat spielt eine zentrale Rolle: Solange der Aufsichtsrat unabhängig handelt und nicht einseitig zugunsten eines Vorstandsmitglieds entscheidet, sind Vergütungsvereinbarungen steuerlich anerkennungsfähig.
Fazit
Der BFH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass Vergütungsvereinbarungen zwischen einer AG und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär ist, steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen sind. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist nur dann anzunehmen, wenn sich der Aufsichtsrat nachweislich einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds orientiert hat. Diese Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für Aktiengesellschaften bei der Gestaltung von Vergütungsmodellen.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil I R 36/22 vom 24.10.2024