Mit Beschluss vom 20.11.2024 (Az. II R 38/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorgelegt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob diese unionsrechtliche Vorschrift auch die nationale Schenkungsteuer erfasst – und welche Konsequenzen sich daraus für die steuerliche Wohnsitzbegründung von EU-Bediensteten ergeben.
Hintergrund: Steuerliche Sonderstellung von EU-Bediensteten
Das Protokoll Nr. 7, insbesondere Art. 13 Abs. 1, gewährt Bediensteten der Europäischen Union gewisse steuerliche Vorrechte, wenn sie sich zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen. Dabei geht es regelmäßig um die Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen Herkunfts- und Tätigkeitsstaat.
Bislang war jedoch unklar, ob sich diese Vorschrift auch auf Schenkungsteuerpflichten auswirkt und ob der Status als EU-Bediensteter automatisch einen steuerlichen Wohnsitz im Tätigkeitsstaat ausschließt oder einschränkt.
Die dem EuGH vorgelegten Fragen
Der BFH möchte mit dem Vorabentscheidungsersuchen klären lassen:
- Gilt Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Protokolls Nr. 7 auch für die Erhebung der Schenkungsteuer?
- Falls ja: Kann ein EU-Bediensteter, der sich ausschließlich zur Ausübung seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, gleichzeitig einen weiteren steuerlichen Wohnsitz in einem dritten Mitgliedstaat begründen, obwohl er im Tätigkeitsstaat einen tatsächlichen Wohnsitz beibehält?
Bedeutung der Vorlagefragen
Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Bedeutung für die steuerliche Behandlung von Vermögensübertragungen unter EU-Bediensteten haben – insbesondere, wenn mehrere Mitgliedstaaten aufgrund von Wohnsitz oder Aufenthalt konkurrierende Steueransprüche geltend machen.
Für die Praxis stellen sich u. a. folgende Fragen:
- Wann ist ein EU-Bediensteter in Deutschland beschränkt oder unbeschränkt schenkungsteuerpflichtig?
- Unter welchen Voraussetzungen kann ein steuerlicher Wohnsitz in Deutschland trotz Tätigkeit im EU-Ausland angenommen werden?
- Muss Deutschland die Schenkungsteuerpflicht zurücknehmen, wenn sich Art. 13 Abs. 1 auf diese Steuerart erstreckt?
Fazit und Ausblick
Der BFH greift mit seiner Vorlage ein bislang nicht geklärtes Spannungsfeld zwischen nationalem Steuerrecht und europäischem Beamtenprivileg auf. Sollte der EuGH die Anwendbarkeit auf die Schenkungsteuer bejahen, könnte dies zu einer Restriktion nationaler Besteuerungskompetenzen führen – insbesondere bei grenzüberschreitenden Schenkungen mit Bezug zu EU-Bediensteten.
Sie sind EU-Bediensteter oder beraten Mandanten mit grenzüberschreitender Tätigkeit innerhalb der EU? Gerne prüfen wir die steuerlichen Auswirkungen von Vermögensübertragungen im Lichte europäischer Privilegien und entwickeln passende Gestaltungsempfehlungen.