BFH zur Cum-Cum-Gestaltung: Wirtschaftliches Eigentum und Gestaltungsmissbrauch neu bewertet

BFH, Urteil vom 13.11.2024 – I R 3/21

Mit Urteil vom 13. November 2024 hat der BFH wichtige Klarstellungen zur umstrittenen Praxis sogenannter Cum-Cum-Gestaltungen getroffen. Im Mittelpunkt standen dabei die Fragen, wem Aktien während der Dividendenperiode steuerlich zuzurechnen sind und ob solche Gestaltungen missbräuchlich im Sinne des § 42 AO sind.


🔍 Sachverhalt in Kürze

Eine deutsche Aktiengesellschaft (A) erhielt im Rahmen eines Wertpapierdarlehens von einer Bank (B) britische Aktien zur Sicherheit. Die Aktien wurden kurz vor dem Dividendenstichtag auf A übertragen, die Dividenden vereinnahmt und anschließend nahezu vollständig an B kompensiert. A machte den steuerfreien Bezug der Dividenden gem. § 8b KStG geltend, gleichzeitig wurden Kompensationszahlungen als Betriebsausgabe abgezogen.

Das Finanzamt erkannte die Gestaltung nicht an – zu Recht, wie der BFH im Ergebnis bestätigte.


⚖️ Kernaussagen des BFH

1. Wirtschaftliches Eigentum liegt bei A

Trotz der nur kurzfristigen Übertragung und der Kompensation der Dividende sah der BFH das wirtschaftliche Eigentum bei A, da:

  • Veräußerungsbefugnis und
  • rechtliche Ausübungsmöglichkeit von Stimmrechten bestanden.

Die subjektive Absicht, diese Rechte tatsächlich auszuüben, sei nicht entscheidend.

Beachtlich: Der BFH misst der Möglichkeit zur Veräußerung und zur Stimmrechtsausübung größeres Gewicht bei als dem Gewinnbezugsrecht – ein Bruch mit bisherigen Entscheidungen, in denen gerade die Dividendenberechtigung im Zentrum stand.


2. Gestaltung kann missbräuchlich sein (§ 42 AO)

Obwohl wirtschaftliches Eigentum bejaht wurde, stellt der BFH klar:
Fehlen außersteuerliche Gründe für die Sicherheitengestellung, liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor. Insbesondere rein steuerlich motivierte Dividendenstripping-Modelle ohne aufsichtsrechtliche oder wirtschaftliche Notwendigkeit seien nicht anzuerkennen.

Der Fall wurde an das FG zurückverwiesen, um genau diese außersteuerlichen Beweggründe zu prüfen.


📌 Bedeutung für die Praxis

  • Cum-Cum-Strukturen bleiben rechtlich angreifbar – selbst wenn zivilrechtliches Eigentum und Verfügungsrechte beim Inländer liegen.
  • Der BFH grenzt das wirtschaftliche Eigentum objektiv über rechtliche Befugnisse ab, nicht über faktische Ausübung oder subjektive Absichten.
  • Die Entscheidung gibt Instanzgerichten klare Maßgaben für die Missbrauchsprüfung: Ohne triftige außersteuerliche Gründe ist von Gestaltungsmissbrauch auszugehen.

⚠️ Kritik und offene Fragen

  • Der BFH geht nicht ausreichend auf das Record-Date-Prinzip (z. B. nach § 123 AktG) ein, das in vielen Fällen eine Stimmrechtsausübung gerade verhindert hätte.
  • Auch der wirtschaftliche Wert von Stimmrechten während einer Haltefrist von nur wenigen Tagen bleibt zweifelhaft.
  • Es fehlt eine Gesamtbetrachtung im Sinne des „Gesamtvertragskonzepts“, wie es bei Cum-Ex-Fällen üblich war.

🧾 Fazit

Der BFH hat mit seiner Entscheidung die Hürden für Cum-Cum-Gestaltungen weiter erhöht. Auch wenn das wirtschaftliche Eigentum formell beim Sicherungsnehmer liegen kann, wird eine Gestaltung ohne belastbare außersteuerliche Gründe künftig regelmäßig an § 42 AO scheitern.

Berater sind gut beraten, bei vergleichbaren Strukturen die Dokumentation wirtschaftlicher Zwecke zu sichern – oder von solchen Gestaltungen Abstand zu nehmen.