BFH zur Grunderwerbsteuer bei Treuhandkonstruktionen: Anteilserwerb und Insolvenzverfahren

Mit Urteil vom 20.11.2024 – II R 29/21 hat der Bundesfinanzhof (BFH) erneut zu einem praxisrelevanten Fall der Grunderwerbsteuer bei Anteilskäufen über Treuhandverhältnisse entschieden – und zugleich zur prozessualen Frage Stellung genommen, wann ein Insolvenzverwalter ein unterbrochenes Verfahren fortführen darf.


Sachverhalt: Treuhandkonstruktion beim Erwerb von GmbH-Anteilen

Im Streitfall ging es um eine grundbesitzende GmbH, deren Anteile vollständig durch einen Treuhänder erworben wurden – teils auf eigene Rechnung, teils im Namen eines Treugebers. In der Hand des Treuhänders vereinigten sich damit erstmals alle Anteile an der Gesellschaft. Das Finanzamt setzte daraufhin Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest.


Die Entscheidung des BFH

1. Treuhänder erfüllt Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

Der BFH bestätigt:
Auch wenn der Treuhänder einen Teil der Anteile nur wirtschaftlich für den Treugeber hält, kann er zivilrechtlich als Anteilseigner auftreten. Maßgeblich ist, dass sich alle Anteile in seiner Hand vereinen – eine steuerliche Zurechnung zum Treugeber ist für die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erforderlich.

➡️ Fazit: Die Grunderwerbsteuer wird ausgelöst, wenn sich beim Treuhänder alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar vereinigen – unabhängig von der wirtschaftlichen Zurechnung.

Der BFH führt damit seine Linie aus dem Urteil vom 10.04.2024 – II R 34/21 konsequent fort.


2. Aufnahme des Verfahrens durch Insolvenzverwalter möglich

Zweiter Schwerpunkt des Urteils ist die prozessuale Handhabung bei Insolvenz:

  • Im vorliegenden Fall war der ursprüngliche Kläger insolvent geworden.
  • Das Verfahren wurde zunächst unterbrochen (§ 155 FGO i. V. m. § 240 ZPO).
  • Der Insolvenzverwalter nahm das Verfahren wieder auf.

Der BFH stellte klar:

✅ Ein Insolvenzverwalter kann ein unterbrochenes Verfahren dann fortführen, wenn er der vom Finanzamt im Insolvenzverfahren angemeldeten Steuerforderung widersprochen hat.
✅ Der Streit dreht sich dann ausschließlich um die Berechtigung dieser Forderung im Insolvenzverfahren.

Damit schließt sich der BFH der bereits gefestigten Rechtsprechung an (vgl. BFH, Urteil vom 21.09.2017 – VIII R 59/14).


Praxisrelevanz für Unternehmen und Berater

🔍 Treuhandverhältnisse im Blick behalten

Treuhandmodelle zur Beteiligung an grundbesitzenden Gesellschaften sind weit verbreitet – z. B. im Immobilien- oder Fondsbereich. Das Urteil zeigt:
Auch treuhänderischer Erwerb löst Grunderwerbsteuer aus, wenn sich aus rechtlicher Sicht alle Anteile bei einer Person vereinen.

➡️ Gestaltungstipp: Frühzeitige Prüfung der Grunderwerbsteuerpflicht bei Anteilsübertragungen unter Einbindung von Treuhändern ist empfehlenswert.

⚖️ Verfahrensführung bei Insolvenz

Für Insolvenzverwalter schafft das Urteil Klarheit:
Die Aufnahme eines unterbrochenen Steuerverfahrens ist zulässig, wenn im Insolvenzverfahren ein begründeter Widerspruch gegen eine Steuerforderung besteht. Das Verfahren beschränkt sich dann auf die Prüfung der materiellen Berechtigung der Forderung.


Fazit

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer exakten zivilrechtlichen Betrachtung bei Anteilskäufen – wirtschaftliche Hintergründe wie ein Treuhandverhältnis bleiben bei der Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unberücksichtigt. Gleichzeitig schafft der BFH prozedurale Sicherheit für Insolvenzverwalter, die gegen Steuerforderungen vorgehen wollen.


Quelle:
BFH, Urteil vom 20.11.2024 – II R 29/21
LEXinform-Dokument Nr. 0953929
Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs


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