BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Verrechnungsbeschränkung für Verluste aus Steuerstundungsmodellen

BFH, Pressemitteilung Nr. 14/25 vom 13.03.2025 zum Urteil IV R 6/22 vom 21.11.2024

Leitsatz

Die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus Steuerstundungsmodellen ist auch im Fall eines sogenannten definitiven Verlusts verfassungsgemäß. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21.11.2024 (IV R 6/22) entschieden.

Hintergrund der Entscheidung

Nach § 15b Abs. 1 EStG dürfen Verluste aus Steuerstundungsmodellen nicht mit Einkünften aus Gewerbebetrieb oder anderen Einkunftsarten ausgeglichen und auch nicht im Wege des Verlustrück- oder -vortrags abgezogen werden. Stattdessen müssen sie mit künftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden. Ein Steuerstundungsmodell liegt gemäß § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG vor, wenn eine modellhafte Gestaltung darauf abzielt, steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte zu erzielen.

Der Streitfall

Der Kläger beteiligte sich als Kommanditist an einer 2005 gegründeten GmbH & Co. KG, die eine Biodieselproduktion aus Raps betrieb. Laut Anlegerprospekt sollten bis 2007 Verluste von 3,973 Mio. Euro anfallen, während ab 2008 Gewinne erwartet wurden. Ein Gesamtüberschuss von 155 % war bis 2020 prognostiziert. Tatsächlich wurde 2009 jedoch Insolvenz angemeldet, wodurch keine weiteren Gewinne erzielt wurden.

Das Finanzamt stufte die KG als Steuerstundungsmodell ein und behandelte die Verluste der Kommanditisten als nur mit zukünftigen Gewinnen verrechenbar. Aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft war jedoch eine solche Verrechnung nicht mehr möglich. Der Kläger wandte sich gegen den Bescheid, scheiterte jedoch mit seinem Rechtsbehelf.

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte fest, dass sich der Kläger an einem Steuerstundungsmodell beteiligt hatte. Wichtige Kernpunkte des Urteils:

  1. Modellhafte Gestaltung erforderlich, aber keine betriebswirtschaftliche Bewertung notwendig
    • Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn eine Investition steuerliche Vorteile durch negative Einkünfte bezweckt.
    • Es ist unerheblich, ob die Investition wirtschaftlich sinnvoll oder wenig rentabel ist.
  2. Verrechnung trotz definitiven Verlusts nicht möglich
    • Die Insolvenz der Gesellschaft und die dadurch eingetretenen endgültigen Verluste ändern nichts an der Anwendbarkeit des § 15b EStG.
    • Auch in Fällen, in denen keine künftigen Gewinne entstehen, bleibt die Verlustverrechnungsbeschränkung bestehen.
  3. Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG
    • Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung legitime Lenkungszwecke zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuerstundungen.
    • Ein hinreichender sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt in diesen Lenkungszwecken.
    • Die Regelung erfasst auch individuelle Sonderbetriebsausgaben, z. B. Verluste aus nachrangigen Gesellschafterdarlehen.

Auswirkungen auf die Praxis

  • Anleger, die sich an steuerlich optimierten Beteiligungsmodellen beteiligen, müssen berücksichtigen, dass Verluste aus solchen Investments nicht sofort verrechenbar sind.
  • Die Verlustbeschränkung bleibt auch bestehen, wenn das Investment wirtschaftlich scheitert.
  • Steuerpflichtige sollten sich bewusst sein, dass auch endgültige Verluste steuerlich nicht berücksichtigt werden können, sofern sie aus einem Steuerstundungsmodell stammen.

Fazit

Mit dieser Entscheidung bestätigt der BFH, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle grundsätzlich verfassungsgemäß ist – selbst wenn es sich um endgültige Verluste handelt. Dies hat erhebliche Auswirkungen für Anleger, die in modellhafte Investitionen einsteigen und mit steuerlichen Verlusten kalkulieren.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil IV R 6/22 vom 21.11.2024