Billigkeitserlass für Rückforderung von Kindergeld – Ermessensabwägung bei unzureichender Behördenzusammenarbeit

Mit Urteil 1 K 34/16 vom 4. Juli 2017 hat der 1. Senat des FG Schleswig-Holstein entschieden, dass die Ablehnung des Erlasses einer Kindergeldrückforderung ermessensfehlerhaft ist, wenn sie allein auf eine Verletzung von Informationspflichten gemäß § 68 Abs. 1 EStG gestützt wird, obwohl der Kindergeldempfänger den das Kindergeld anrechnenden Sozialleistungsträger (nicht aber die Familienkasse) ordnungsgemäß über den kindergeldrelevanten Sachverhalt informiert hat. Bei der Entscheidung über den Erlassantrag gemäß § 227 AO sei auch eine unzureichende Behördenzusammenarbeit zu berücksichtigen. Insoweit komme eine schematische Anwendung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG – dort insbesondere Abschnitt V 25 DA-KG 2016 – nicht in Betracht, die eine Versagung im Fall der Verletzung der Mitwirkungspflichten gem. § 68 Abs. 1 EStG regelmäßig vorsehe.

Werde – wie im vorliegenden Fall – mangels eines Kindergeldanspruchs überzahltes Kindergeld zurückgefordert, sei die Familienkasse zwar generell nicht verpflichtet, einen Billigkeitserlass schon aufgrund dessen auszusprechen, dass das Kindergeld vom Sozialleistungsträger auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet worden sei. Auch brauche die Familienkasse sich nicht in jedem Falle die Ersparnis des Sozialleistungsträgers entgegenhalten zu lassen, so dass sie nicht generell daran gehindert sei, den durch die rechtsgrundlose Überzahlung eingetretenen eigenen Vermögensnachteil geltend zu machen.

Im Streitfall hatte die Klägerin allerdings zwar nicht die Familienkasse, aber den Sozialleistungsträger darüber informiert, dass der Kindergeldanspruch nicht (mehr) bestand. Unter diesen Umständen sei im Hinblick auf die Verletzung von Informationspflichten i. S. d. § 68 Abs. 1 EStG eine Abwägung im Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Familienkasse und Sozialleistungsträger vorzunehmen, bei der auch das Verhalten des Sozialleistungsträgers angemessen zu würdigen sei. Hier sei – entgegen dem Rechtsgedanken des § 86 SGB X – jegliche Behördenzusammenarbeit unterblieben, obwohl die Klägerin eine solche habe erwarten dürfen. Angesichts dessen entfalte der Gesichtspunkt der nicht zusätzlich erfolgten Information auch der Familienkasse keine tragende Bedeutung. Letztere habe die Klägerin auch deshalb für nicht zwingend erforderlich halten dürfen, weil sie vom Sozialleistungsträger zu keinem Zeitpunkt auf dieses Erfordernis hingewiesen worden sei.

Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, das Verfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 19/17 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 02.10.2017 zum Urteil 1 K 34/16 vom 04.07.2017 (nrkr – BFH-Az.: III R 19/17)