BMF präzisiert Besteuerung von Arbeitslohn bei Auslandstätigkeit und Freistellung


Wichtige Klarstellungen zu DBA, wirtschaftlichem Arbeitgeber und Arbeitsfreistellung

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das grundlegende BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2023 zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) umfassend geändert und ergänzt. Die Neuregelungen betreffen insbesondere die Abgrenzung der Interessenlage bei Arbeitnehmerentsendungen, die Bedeutung der Kostentragung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz sowie erstmals ausdrücklich die Besteuerung von Arbeitslohn während widerruflicher und unwiderruflicher Arbeitsfreistellungen.

Für Arbeitgeber, international tätige Arbeitnehmer und die Beratungspraxis ergeben sich daraus erhebliche Klarstellungen – aber auch neue Pflichten.


1. Arbeitnehmerentsendung und wirtschaftlicher Arbeitgeber: Stärkung der Kostentragungsbescheinigung

Ein zentraler Punkt der Änderungen betrifft die Frage, in wessen Interesse eine Auslandstätigkeit erfolgt. Diese ist entscheidend für die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 OECD-Musterabkommen.

Das BMF stellt nun klar:
Kommt es zu einer Weiterbelastung sämtlicher Lohn-, Lohnneben- und Lohnverwaltungskosten an das aufnehmende Unternehmen im Tätigkeitsstaat nach dem Fremdvergleichsgrundsatz, spricht dies regelmäßig dafür, dass die Tätigkeit ausschließlich im Interesse des aufnehmenden Unternehmens ausgeübt wird. In diesen Fällen kann auf eine umfassende Prüfung der Interessenlage im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers verzichtet werden.

Die Bescheinigung des inländischen Arbeitgebers über die Kostentragung erhält damit eine Indizwirkung. Sie begründet eine widerlegbare Vermutung, dass die Kostenzuordnung fremdüblich ist.

Neu ist auch, dass das BMF hierfür ausdrücklich eine standardisierte Arbeitgeberbescheinigung vorsieht, die dem Wohnsitzfinanzamt vorzulegen ist. Diese Bescheinigung ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen für die Anwendung der 183-Tage-Regelung Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA maßgeblich ist.


2. Arbeitslohn während widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung: Neue Textziffer 5.7

Besonders praxisrelevant ist die neu eingefügte Textziffer 5.7, die erstmals umfassend regelt, wie laufender Arbeitslohn während einer Arbeitsfreistellung im DBA-Kontext zu behandeln ist.

2.1 Grundsatz: Fiktion des Tätigkeitsortes

Nach § 50d Abs. 15 Satz 1 EStG gilt Arbeitslohn, der während einer widerruflichen oder unwiderruflichen Freistellung gezahlt wird, als Vergütung für eine Tätigkeit in dem Staat, in dem die Arbeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre.

Für Zwecke der DBA-Anwendung werden insoweit fiktive Arbeitstage in diesem Staat unterstellt.

Wichtig ist jedoch die Abgrenzung:
Diese Fiktion betrifft ausschließlich die Aufteilung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA. Sie fingiert nicht, dass sich der Arbeitnehmer während der Freistellung tatsächlich im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat. Damit ist die Fiktion nicht auf die 183-Tage-Regelung übertragbar.


2.2 Widerrufliche vs. unwiderrufliche Freistellung

Das BMF differenziert weiter:

  • Widerrufliche Freistellung:
    Der laufende Arbeitslohn wird weiterhin als Tätigkeitsvergütung behandelt, die dem Staat zugeordnet wird, in dem die Tätigkeit ohne Freistellung ausgeübt worden wäre.
  • Unwiderrufliche Freistellung:
    Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung sind regelmäßig nicht in den Erdienungszeitraum von zeitraumbezogenen Vergütungen einzubeziehen, wenn keine tatsächliche Arbeitsleistung mehr möglich ist.
    Dies kann dazu führen, dass Erdienungszeiträume gekürzt werden müssen, etwa bei Aktienoptionen oder Abfindungen.

3. Auswirkungen auf beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige

§ 50d Abs. 15 EStG gilt sowohl für unbeschränkt als auch für beschränkt Steuerpflichtige.

Bezieht ein beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer während einer Freistellung weiterhin laufenden Arbeitslohn, unterliegt dieser der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland, soweit die Tätigkeit ohne Freistellung im Inland ausgeübt worden wäre. In diesen Fällen bleibt der inländische Arbeitgeber verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.


4. Neue Beispiele schaffen Klarheit

Das BMF ergänzt das Schreiben um mehrere ausführliche Beispielsfälle, unter anderem:

  • kein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats bei Unterschreiten der 183-Tage-Grenze trotz Freistellungsfiktion,
  • Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats bei Überschreiten der 183-Tage-Grenze vor der Freistellung,
  • Arbeitsfreistellung bei grenzüberschreitender Beschäftigung (z. B. Österreich/Deutschland).

Diese Beispiele sind für die Beratungspraxis besonders wertvoll, da sie die neue Systematik konkret anwenden.


5. Weitere Änderungen: Schifffahrt und DBA-Liberia

Darüber hinaus aktualisiert das BMF mehrere Randnummern zur Besteuerung von Besatzungsmitgliedern auf Schiffen, insbesondere im Verhältnis zu Liberia. Entscheidend ist künftig noch klarer, wo sich das Schiff tatsächlich befindet (Hoheitsgewässer, Küstenmeer, hohe See). Die Tätigkeit auf hoher See begründet kein Besteuerungsrecht des Flaggenstaats allein aufgrund der Flagge.


6. Anwendungszeitpunkte

Die zeitliche Anwendung ist gestaffelt geregelt:

  • Grundsätzlich gilt das geänderte BMF-Schreiben ab 1. Januar 2025.
  • Die neue Textziffer 5.7 zur Arbeitsfreistellung ist bereits ab 1. Januar 2024 anzuwenden.
  • Die Änderungen zur Schifffahrt (Randnummern 404–406) gelten ab 1. Januar 2026.
  • Teilweise sind die Neuregelungen auf Antrag auch in offenen Fällen anwendbar.

Fazit

Mit dem Änderungsschreiben vom 19. Dezember 2025 schafft das BMF wichtige Klarstellungen für die internationale Arbeitnehmerbesteuerung. Besonders die neue Behandlung des Arbeitslohns während Freistellungen und die Stärkung der Arbeitgeberbescheinigung zur Kostentragung erhöhen die Rechtssicherheit – verlangen aber zugleich eine saubere Dokumentation und Prüfung bestehender Entsende- und Beendigungsmodelle.

Für Arbeitgeber mit grenzüberschreitend tätigen Mitarbeitern sowie für Arbeitnehmer mit Auslandseinsätzen ist eine Überprüfung bestehender Strukturen dringend zu empfehlen, um Haftungsrisiken und falsche Besteuerungen zu vermeiden.


Quelle:
Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schreiben vom 19.12.2025, GZ IV B 2 – S 1300/00510/012/002