Bundestag stimmt für die Reform der Grundsteuer

Der Deutsche Bundestag hat am Freitag, 18. Oktober 2019, für das von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer gestimmt. Für den von den Koalitionsfraktionen ( 19/11084 ) vorgelegten Entwurf für eine Grundgesetzänderung in den Artikeln 72, 105 und 125b stimmten 495 Abgeordnete bei 139 Gegenstimmen und zehn Enthaltungen. Damit wurde die benötigte Zweidrittelmehrheit von 473 Abgeordneten erfüllt. Eine von der Bundesregierung dazu vorgelegte wortgleiche Vorlage ( 19/13454 ) wurde einvernehmlich für erledigt erklärt.

Der Entwurf der Koalitionsfraktionen zum Grundsteuer-Reformgesetz ( 19/11085 ) wurde vom Plenum in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Stimmen der der AfD und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Der dazu vorgelegte wortgleiche Entwurf der Bundesregierung ( 19/13453 , 19/13713 ) wurde einvernehmlich für erledigt erklärt. Zuvor war ein zu der Vorlage von der FDP-Fraktion vorgelegter Änderungsantrag ( 19/14144 ) mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grüne gegen das Votum von AfD, FDP und Linke abgelehnt worden.

Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung“ ( 19/11086 ) wurde in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, der Linken und Grünen gegen das Votum von AfD und FDP angenommen. Der wortgleiche Entwurf der Bundesregierung ( 19/13456 ) wurde einvernehmlich für erledigt erklärt. Den Entscheidungen lagen jeweils Beschlussempfehlungen ( 19/14136 , 19/14138 , 19/14139 ) und Berichte ( 19/14157 , 19/14158 , 19/14159 ) des Finanzausschusses zugrunde.

Damit wird die Grundsteuer ab dem Jahr 2025 nach einem völlig neuen System erhoben. Der Bundestag machte den Weg frei für eines der wichtigsten steuerpolitischen Projekte dieses Jahres. Der dafür notwendigen Änderung des Grundgesetzes stimmten neben den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auch die Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu, sodass die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit von 473 Stimmen erreicht wurde.

SPD: Wir sichern die kommunalen Einnahmen

„Weil die letzte vermögensbezogene Steuer in Deutschland erhalten bleibt, wird den Kommunalpolitikern sicher ein Stein vom Herzen fallen, denn wir erhalten und sichern die kommunalen Einnahmen in einer Größenordnung von 15 Milliarden“, freute sich Bernhard Daldrup (SPD). Ein Wegfall dieser Steuer hätte die kommunale Selbstverwaltung bedroht. Den Vorwurf, die Steuererhebung werde zu bürokratisch, wies Daldrup zurück. Die „Horrorszenarien von explodierenden Mieten und Umzugszwängen“ seien nichts anderes als „heiße Luft“. Die Steuer sei gerecht, weil sichergestellt sei, dass der Villenbesitzer in der begehrten Lage nicht bessergestellt werde und weniger Steuern zahle als der Besitzer einer einfachen Immobilie in einer Randlage.

Kritisch setzte sich Daldrup mit der auf Wunsch der CSU und des Landes Bayern eingefügten Öffnungsklausel auseinander, die den Ländern das Recht gibt, andere Bewertungsverfahren zu wählen als im Bundesgesetz. Sie sei „nicht Ausdruck von Föderalismus, sondern Ausdruck von Provinzialismus“.

CDU/CSU: Wettbewerb um das beste Modell eröffnet

Von einem „Durchbruch nach schwierigen Verhandlungen“ sprach Andreas Jung (CDU/CSU). Zugleich wies er die Kritik des Koalitionspartners an der Öffnungsklausel zurück: „Wer Föderalismus als Provinzialismus verspottet, der hat ein grundlegend falsches Verständnis von unserem Staatsaufbau und von Subsidiarität.“ Für Jung ist mit der Öffnungsklausel der Wettbewerb um das beste Modell eröffnet.

Die beschlossene Bundesregelung sieht vor, dass für die Erhebung der Steuer in Zukunft nicht mehr allein auf den Bodenwert zurückgegriffen wird, sondern es sollen auch Erträge wie Mieteinnahmen berücksichtigt werden. Mit der Öffnungsklausel können die Länder ein anderes Verfahren wählen, zum Beispiel ein Flächenwertverfahren.

„Belastungsverschiebungen ausgleichen“

Die bisherige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer, die an die Einheitswerte anknüpfte, war vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden. In Zukunft soll für die Berechnung der Steuer der Wert eines unbebauten Grundstücks anhand der Bodenrichtwerte ermittelt werden, die regelmäßig von unabhängigen Gutachterausschüssen ermittelt werden. Ist das Grundstück bebaut, werden außerdem Erträge wie Mieten zur Berechnung der Steuer herangezogen. Zur Vereinfachung des Verfahrens wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen.

Auch in Zukunft werden die Gemeinden die Höhe der Grundsteuer mit örtlichen Hebesätzen bestimmen können. Die Koalition appelliert an die Kommunen, „Belastungsverschiebungen“ durch eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung des Hebesatzes auszugleichen, um ein konstantes Grundsteueraufkommen zu sichern.

AfD spricht von „Sozialismus“

Albrecht Glaser (AfD) nannte die Grundsteuer als Steuer auf die Vermögenssubstanz, auch wenn keine Erträge erzielt würden, . Er wies darauf hin, dass für die Grundsteuer 35 Millionen Steuerobjekte regelmäßig bewertet werden müssten. Mehrere Tausend Steuerbeamte müssten dafür neu eingestellt werden.

Dabei mache diese Steuer nur zwei Prozent des Gesamtsteueraufkommens aus. Laut Glaser wird die Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt: Ein mit 80 Prozent verschuldetes Gebäude löse die gleiche Steuer aus wie ein schuldenfreies. Da die Grundsteuer weiter auf die Mieter umgelegt werde, „werden sich Großstadtmieter noch wundern“, so Glaser zu der „Reform-Ruine“.

FDP: Olaf-Scholz-Mietenturbo

„Kein Land wird gezwungen, das Bundesgesetz anzuwenden“, freute sich Christian Dürr (FDP). Alle Bundesländer bekämen die Möglichkeit, ein unkompliziertes Flächenmodell bei der Grundsteuer einzuführen und könnten ein bürokratisches Bewertungsmodell vermeiden.

Das Bundesgesetz sei dagegen ein „Bürokratiemonster“, das zudem die Mieter stark belasten werde. Dürr sprach mit Blick auf den Finanzminister von einem „Olaf-Scholz-Mietenturbo“. Wo die Mieten ohnehin hoch seien, würden sie bei Anwendung des Bundesmodells durch „die kalte Progression bei der Grundsteuer weiter steigen“.

Linke: Nicht christlich, nicht sozial, nur dreist

Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten besonders, dass die Grundsteuer auch in Zukunft auf die Mieter umgelegt werden könne. Fabio De Masi (Die Linke) begrüßte die neue „Grundsteuer C“ für baureife Grundstücke, die der Spekulation entgegenwirken soll.

Er kritisierte aber die Öffnungsklausel für die Länder, die ein Flächenmodell ermögliche: „Dann wird ein Quadratmeter Wohnfläche in einer Villa am Starnberger See kaum mehr Grundsteuer kosten als eine Sozialwohnung in München.“ Das sei „nicht christlich, nicht sozial, das ist einfach nur dreist“.

Grüne befürchten „Flickenteppich aus 16 Grundsteuern“

„Endlich können die Kommunen aufatmen“, freute sich Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) über den Erhalt der Grundsteuer. Ein großer Wurf sei die Reform dennoch nicht geworden.

Durch die Länderöffnung drohe ein „Flickenteppich aus bis zu 16 verschiedenen Grundsteuern“.

Änderungsantrag der FDP abgelehnt

Die FDP hatte zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (19/11085) einen Änderungsantrag (19/14144) eingebracht, der in zweiter Beratung abgelehnt wurde. Darin heißt es, eine mit der Aufhebung des Paragrafen 51a des Bewertungsgesetzes (Tierbestände zur landwirtschaftlichen Nutzung) einhergehende und weitgehend ohne Not in die Agrarstruktur eingreifende Rechtsfolge stehe in keinem Zusammenhang mit den für das Grundsteuerrecht zu ändernden Bewertungsvorschriften. Sie lasse sich sachlich auch nicht mit dem Wegfall der Einheitsbewertung begründen.

Die FDP sprach sich daher dafür aus, diese „für die landwirtschaftliche Tierhaltung und Tierzucht und für die Agrarstruktur bedeutsame Vorschrift“ aufrechtzuerhalten und von einer ersatzlosen Streichung abzusehen.

Initiativen der Opposition abgelehnt

Abgelehnt wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen der Linken ein Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein Mieter-Grundsteuer-Entlastungsgesetz (19/8827), zu dem eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vorlag (19/14118). Mit breiter Mehrheit abgelehnt wurden mehrere Anträge der Opposition, die keine Unterstützung der übrigen Fraktionen fanden. Der AfD-Antrag „Echte Gemeindesteuerreform auf den Weg bringen“ (19/11125), der FDP-Antrag „Grundsteuer – Einfaches Flächenmodell ohne automatische Steuererhöhungen“ (19/11144) und der Antrag der Linken „Sozial gerechte Grundsteuer-Reform für billigere Mieten und starke Kommunen“ (19/7980) wurden damit zurückgewiesen. Allen drei Entscheidungen lagen eine Beschlussempfehlung (19/14141) und einen Bericht (19/14160) des Finanzausschusses zugrunde.

Ein weiterer Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Grundsteuer nicht länger auf Mieterinnen und Mieter umlegen“ (19/8358) wurde in namentlicher Abstimmung mit 517 Stimmen gegen 125 abgelehnt. Der Finanzausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (19/14118) vorgelegt.

Änderung des Grundgesetzes notwendig

Das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (19/11086) gibt Städten und Gemeinden die Möglichkeit der Festlegung eines erhöhten, einheitlichen Hebesatzes auf baureife Grundstücke. Mit dem erhöhten Satz kann über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, baureife Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen, heißt es in dem Entwurf von CDU/CSU und SPD.

Für die Öffnungsklausel zugunsten der Länder war eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Dazu diente der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (19/11084), durch den der Bund mit der Änderung der Grundgesetzartikel 72, 105 und 125b uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhält. Damit wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz (Öffnungsklausel) eingeräumt.

Gesetzentwurf der Grünen abgelehnt

Die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieter abzuschaffen, war das Ziel des abgelehnten Gesetzentwurfs der Grünen, mit dem das Bürgerliche Gesetzbuch und die Betriebskostenverordnung geändert werden sollten. Damit würden 36,4 Millionen Menschen, die zur Miete wohnen, entlastet, heißt es in der Begründung. Zudem werde die Neuordnung der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer erleichtert, erwartete die Fraktion.

Wenn die Vermieter die Grundsteuer nicht auf ihre Mieter umlegen würden, könnten sie diese Ausgaben für die Grundsteuer bereits heute steuerlich als Betriebs- beziehungsweise Werbungskosten geltend machen. Diese Möglichkeit bleibe auch nach Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer bestehen. Dadurch komme es zu einer Entlastung der Vermieter, sodass die finanziellen Belastungen aus der Abschaffung der Umlagefähigkeit deutlich abgemildert würden.

Antrag der AfD abgelehnt

Die AfD-Fraktion fordert in ihrem abgelehnten Antrag, das System der herkömmlichen Grundsteuer abzuschaffen.

Zugleich sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der die notwendige Gegenfinanzierung für die Gemeinden durch eine hebesatzfähige Beteiligung an der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer beziehungsweise eine angemessene Anhebung des Hebesatzes bei der Gewerbeertragssteuer sicherstellt.

Anträge der Linken abgelehnt

Nach den Vorstellungen der Linksfraktion sollte die Grundsteuer als bundeseinheitlich geregelte Einnahmequelle der Kommunen mit eigenem Hebesatzrecht erhalten bleiben. Bemessungsgrundlage von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen der Grundsteuer B sollte der Verkehrswert sein. Zu den weiteren Forderungen der Fraktion gehörte, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Rahmen der Betriebskostenverordnung aufgehoben und die Grundsteuer ausschließlich von den Eigentümern entrichtet werden soll. Nicht profitorientierte, gemeinwohlorientierte sowie genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sollten von der Grundsteuer befreit werden. Die Kommunen sollten für unbebaute, baureife Grundstücke ein eigenständiges Hebesatzrecht, die sogenannte Grundsteuer C, erhalten.

Der zweite Antrag der Linken (19/8358) zielte darauf ab, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter in der Betriebskostenverordnung zu streichen.

Antrag der FDP abgelehnt

Die FDP forderte die Bundesregierung in ihrem abgelehnten Antrag unter anderem auf,  einen Gesetzentwurf für eine einfache flächenbasierte Grundsteuer vorzulegen. Dabei sollten ausschließlich die Fläche des Grundstücks sowie die Gebäudenutzfläche sowie die jeweiligen Äquivalenzzahlen und Hebesätze herangezogen werden.

Im Übrigen sollte davon abgesehen werden, wertabhängige und aufwendig zu erhebende Faktoren zu nutzen. Stattdessen wollte die FDP die bürokratischen Belastungen bei der Reform der Besteuerung des Grundvermögens für die Bürgerinnen und Bürger minimieren. Die Grundsteuer sollte vorbehaltlich des kommunalen Hebesatzrechts aufkommensneutral reformiert werden. Den Umfang der Datenerhebung für den Länderfinanzausgleich wollte die Fraktion ebenfalls so gering wie möglich halten. (hle/hau/18.10.2019)

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 18.10.2019