Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Geldbußen wegen unerlaubter Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung rechtskräftig

Die Vermietung einer Wohnung ohne Genehmigung zur Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung – über die Plattform „Airbnb“ – verstößt gegen das Hessische Wohnungsaufsichtsgesetz. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte wegen Verstoßes hiergegen verhängte Geldbußen von i. H. v. 6.000 Euro.

Die Betroffene hatte in vier Fällen ihre in Frankfurt am Main gelegene Wohnung über die Plattform „Airbnb“ jeweils über mehrere Tage an Feriengäste zu einem Preis von 125 bis 150 Euro pro Nacht vermietet. Sie war nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Genehmigungen. Ihre zuvor mehrfach gestellten Anträge auf Erteilung einer Genehmigung über die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung hatte die Stadt Frankfurt am Main zurückgewiesen.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte die Betroffene mit Urteil vom 30.11.2018 zur Zahlung von Geldbußen in Höhe von insgesamt 6.000 Euro verurteilt. Durch die Vermietung der Wohnung habe die Betroffene gegen die auf Grundlage des Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetzes von der Stadt Frankfurt am Main erlassene Ferienwohnungssatzung verstoßen.

Gemäß dieser Satzung können Bußgelder bis zu 25.000 Euro verhängt werden. Bei der Bemessung der Höhe der Geldbußen ist u. a. zu berücksichtigen, dass die Bußgelder die durch die unrechtmäßige Vermietung erlangten Mieteinnahmen übersteigen.

Das OLG hat die gegen das amtsgerichtliche Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Die angefochtene Entscheidung weise keine Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf.

Das amtsgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.

Erläuterungen:

§ 12a Hessisches Wohnungsaufsichtsgesetz Ferienwohnungen

(1) 1 Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten können durch Satzung, deren Geltungsdauer fünf Jahre nicht überschreiten darf, bestimmen, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen davon Wohnraum nur mit Genehmigung zur

1. wiederholten, nach Tagen oder Wochen bemessenen entgeltlichen Überlassung als Ferienwohnung oder

2. Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, genutzt werden darf.

2 Die Satzung muss Vorgaben enthalten, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung erteilt wird.

3 Die Satzung kann Ausnahmen von der Genehmigungspflicht zulassen, insbesondere für die kurzzeitige Zwischennutzung der Wohnung bei Abwesenheit der Bewohnerin oder des Bewohners, die kurzzeitige Zwischennutzung eines geringen Teils der selbstgenutzten Wohnung und den Bestandsschutz bereits genehmigter Ferienwohnungen.

(2) Angespannte Wohnungsmärkte liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.

13 [1] Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer

1….

5. Wohnraum ohne eine aufgrund einer Satzung nach § 12a erforderliche Genehmigung zu den dort genannten Zwecken überlässt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden. …

Quelle: OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 02.08.2019 zum Urteil 2 Ss-OWi 438/19 vom 21.08.2019 (rkr)

Streitbeilegung bei Doppelbesteuerung

Berlin: (hib/HLE) Bei Streitfällen über Doppelbesteuerungsabkommen soll ein neues Verfahren zur Beilegung eingeführt werden. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10. Oktober 2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union (19/12112) vor.

Nach Angaben der Bundesregierung entstehen Doppelbesteuerungssachverhalte, wenn zwei souveräne Steuer-Jurisdiktionen auf dasselbe Besteuerungssubstrat zugreifen. Die Beilegung einer von einem betroffenen Steuerpflichtigen vorgebrachten Doppelbesteuerungsstreitigkeit sei bisher erfolgt, indem die jeweiligen Staaten teilweise auf ihre Besteuerungsrechte verzichten würden. Die bestehenden Verfahren würden allerdings teilweise keinen Einigungszwang dieser Staaten durch eine Schiedsverfahrensphase vorsehen. Durch die Umsetzung der Richtlinie werde nun innerhalb der EU ein weiteres Streitbeilegungsverfahren eingeführt, dass diese Schiedsverfahrensphase für alle Doppelbesteuerungsstreitigkeiten vorsehe. In dieser Schiedsverfahrensphase werde die Streitfrage einem beratenden Ausschuss zur Stellungnahme vorgelegt, von dessen Stellungnahme die zuständigen Behörden abweichen könnten. Falls sich die zuständige Behörden jedoch innerhalb von sechs Monaten nach Übermittlung dieser Stellungnahme nicht verständigen würden, so seien sie inhaltlich an diese Stellungnahme gebunden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Wenn der Steuerpflichtige der abschließenden Entscheidung über die Streitfrage zustimme und auf Rechtsbehelfe verzichte, seien die fraglichen Steuerbescheide des Steuerpflichtigen entsprechend zu ändern.

Der Bundesrat vermisst in dem Entwurf Regelungen zur Information und Mitwirkung der Landesfinanzbehörden und bittet darum, die Beteiligungsrechte der Länder in der Schiedsverfahrensphase sicherzustellen. Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag der Länder in ihrer Gegenäußerung zu.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 910/2019

Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 EStG

Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 EStG

In der Fassung des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (UStAVermG)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten bei der Anwendung des § 3 Nummer 15 EStG die folgenden Grundsätze:

Vorbemerkung

1 Mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (UStAVermG) vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I Seite 2338, BStBl I S. 1377) wurde die neue Steuerbefreiung § 3 Nr. 15 EStG in das Einkommensteuergesetz aufgenommen, um Arbeitgeberleistungen für bestimmte Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr sowie im öffentlichen Personennahverkehr zu begünstigen. Ziel dieser Begünstigung ist es, die Arbeitnehmer verstärkt zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu veranlassen, um die durch den motorisierten Individualverkehr entstehenden Umwelt- und Verkehrsbelastungen sowie den Energieverbrauch zu senken.

1. Überblick über die einzelnen Steuerbefreiungstatbestände

(…)

2. Personenfernverkehr – öffentliche Verkehrsmittel im Linienverkehr (1. Alternative)

(…)

3. Personennahverkehr (2. Alternative)

(…)

4. Gemischte Nutzung von Fahrberechtigungen für den Personenfernverkehr (Auswärtstätigkeit, Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Privatfahrten)

(…)

5. Steuerfreiheit nur für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen

(…)

6. Minderung der Entfernungspauschale

(…)

7. Nutzungsverzicht

(…)

8. Aufzeichnungs- und Nachweispflichten

(…)

9. Schlussvorschriften

42 Nach der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechtslage gehörten Arbeitgeberleistungen in Form von Zuschüssen und Sachbezügen für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Lediglich im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG blieben die als Sachbezüge gewährten Arbeitgeberleistungen unter Einhaltung der monatlichen 44-Euro-Freigrenze außer Ansatz. Eine Steuerbefreiung kam außerdem in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Fahrberechtigung erhalten hat und hierfür die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG erfüllt waren (Rabattfreibetrag). Die neu eingeführte Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 15 EStG ist ab 1. Januar 2019 vorrangig vor § 8 Abs. 2 Satz 11 und Abs. 3 Satz 2 EStG zu berücksichtigen.

43 Dieses Schreiben ist ab dem 1. Januar 2019 anzuwenden. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Arbeitgeber für die bis zum 31. Dezember 2019 erbrachten Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 15 EStG eine bisher durchgeführte Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG oder Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG fortführt.

44 Hat der Arbeitnehmer eine Fahrberechtigung vor dem 1. Januar 2019 erworben, für die er auch nach dem 1. Januar 2019 noch Zahlungen erbringt, können die Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers ab dem 1. Januar 2019 steuerfrei nach § 3 Nr. 15 EStG bleiben.

45 Zuschüsse des Arbeitgebers zu der vom Arbeitnehmer vor dem 1. Januar 2019 erworbenen und bezahlten Fahrberechtigung fallen hingegen nicht unter die ab 1. Januar 2019 geltende Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 EStG.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2342 / 19 / 10007 :001 vom 15.08.2019

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Lohnsteuer/2019-08-15-steuerbefreiung-nach-paragraf-3-Nummer-15-EStG.pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

Grunderwerbsteuer belastet vor allem Immobilienverkäufer

Obwohl die Grunderwerbsteuer von den Käufern einer Immobilie gezahlt wird, sind es vor allem die Verkäufer, die die Last der Steuer effektiv tragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Forschern des ifo Instituts, die am 19.08.2019 veröffentlicht wurde.

Die Grunderwerbsteuer führt nämlich zu einer Verringerung der Immobilienpreise. Somit müssen die Immobilienkäufer zwar die Steuer zahlen, profitieren aber gleichzeitig von geringeren Kaufpreisen für Immobilien – was wiederum die Verkäufer von Immobilien belastet. „Da die Grunderwerbsteuer von den Käufern einer Immobilie zu zahlen ist, verringert sie deren Zahlungsbereitschaft“, sagt Clemens Fuest, ifo-Präsident und einer der Autoren der Studie.

Der Preisrückgang fällt dabei sogar größer aus als die zusätzliche Steuerbelastung einer einzelnen Transaktion: Legt der Grunderwerbsteuersatz um einen Prozentpunkt zu, so sinken die Immobilienpreise im Schnitt um etwa 3,5 Prozent. Das lässt sich dadurch erklären, dass bei einem künftigen Wiederverkauf erneut Grunderwerbsteuer anfällt. In der Konsequenz nehmen die Immobilienpreise stärker ab, als die Grunderwerbsteuerlast zunimmt. „Der Preisrückgang einer Immobilie fällt dabei umso größer aus, je kürzer die Haltedauer der Immobilie ist“, sagt Fuest weiter. Denn je öfter eine Immobilie den Besitzer wechselt, desto häufiger wird die Immobilie auch durch die Grunderwerbsteuer belastet. Außerdem kann die höhere Grunderwerbsteuer dazu führen, dass Käufer mit wenig Eigenkapital aus dem Markt verdrängt werden, was ebenfalls den Preis drückt.

Für die Studie werteten die Forscher Daten von fast 18 Millionen Immobilien aus, die im Zeitraum zwischen Januar 2005 und Dezember 2018 zum Verkauf angeboten wurden. Der Datensatz umfasst Eigentumswohnungen sowie Ein- und Mehrfamilienhäuser aus der gesamten Bundesrepublik. Die Daten wurden aus insgesamt 140 verschiedenen Quellen zusammengetragen, darunter Online-Immobilienportale sowie regionale und überregionale Zeitungen, und dem ifo Institut von F+B, einem Beratungsunternehmen für den Immobilienmarkt, zur Verfügung gestellt.

Die Grunderwerbsteuer ist eine Steuer, die beim Erwerb einer Immobilie anfällt. Ihre Höhe bemisst sich am Preis der Immobilie. Sie erzielte 2018 ein Aufkommen von etwa 14 Milliarden Euro, das den Bundesländern zufließt. Seit 2006 können die Bundesländer die Höhe des Steuersatzes selbst bestimmen, davor galt ein bundesweit einheitlicher Satz von 3,5 Prozent. Tatsächlich haben seitdem sämtliche Bundesländer mit Ausnahme von Bayern und Sachsen den Steuersatz erhöht, teilweise mehrfach. Am höchsten ist der Satz derzeit in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Hier liegt er bei 6,5 Prozent.

Quelle: ifo Institut, Pressemitteilung vom 19.08.2019

Studie: https://www.ifo.de/publikationen/2019/working-paper/who-bears-burden-real-estate-transfer-taxes-evidence-german

Kabinett beschließt die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags

Das Bundeskabinett hat am 21.08.2019 den Entwurf des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags beschlossen. Damit fällt von 2021 an der Zuschlag für rund 90 Prozent derer vollständig weg, die ihn heute zahlen. Für weitere 6,5 Prozent entfällt der Zuschlag zumindest in Teilen. Im Ergebnis werden 96,5 Prozent der heutigen Soli-Zahler bessergestellt.
Die Steuerzahler werden von 2021 an um rund 10 Mrd. Euro entlastet, bis 2024 steigt diese Entlastungswirkung auf etwa 12 Mrd. Euro. Im Jahr 2018 standen dem Bundeshaushalt durch den Solidaritätszuschlag 18,9 Mrd. Euro zur Verfügung. Für das Jahr 2019 rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag von rund 19,4 Mrd. Euro und 2020 von rund 20 Mrd. Euro.

Dazu der Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz:

„Heute ist ein bedeutsamer Tag auf dem Weg zur Vollendung der deutschen Einheit. Die Kosten der Wiedervereinigung sind in weiten Teilen gestemmt. Daher können wir heute das Verfahren beginnen, ab 2021 den Soli für den überwiegenden Teil der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abzuschaffen. Die wenigen auch nach Auslaufen des Solidarpaktes zum Jahresende verbleibenden Kosten werden zukünftig von denen geschultert, die mehr haben, als andere. Das ist fair und wird auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten.“

Die weitgehende Soli-Abschaffung bettet sich ein in die Gesamtstrategie für eine sozial gerechte und wachstumsfreundliche Steuer- und Abgabenpolitik. Davon profitieren insbesondere Familien sowie Personen mit unteren und mittleren Einkommen durch deutlich verbesserte Familienleistungen (z. B. höheres Kindergeld), Sozialabgabensenkungen (z. B. Wiederherstellung Parität bei der Gesetzlichen Krankenversicherung), höhere Grundfreibeträge und den Ausgleich der kalten Progression. Allein die steuerlichen Maßnahmen dieser Regierung erreichen in voller Jahreswirkung ein Volumen, das deutlich über die 25 Milliarden Euro-Marke hinausgehen wird. Es sind somit die umfangreichsten Steuersenkungen seit mehr als zehn Jahren.

Mit dem Fokus auf niedrige und mittlere Einkommen wird das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, gerade diese Einkommensgruppen zu stärken. Das trägt zugleich dem Grundsatz Rechnung, dass starke Schultern mehr tragen sollten als schwache. Die weitgehende Abschaffung wirkt sich zudem positiv auf die Binnenkonjunktur aus: Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen bleibt mehr auf dem Konto, die dann höheren Nettoeinkommen stärken die Binnenkonjunktur. Nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfällt der Zuschlag. Auch viele Selbständige und Gewerbetreibende zahlen ihn künftig nicht mehr. Das setzt Anreize für Investitionen und neue Arbeitsplätze.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs:

(1) Anhebung der Freigrenze, bis zu der kein Solidaritätszuschlag anfällt, auf 16.956 Euro bzw. auf 33.912 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) der Steuerzahlung. Das hat zur Folge, dass eine Familie mit zwei Kindern bis zu einem Bruttojahreslohn1 von 151.990 Euro und Alleinstehende bis zu einem Bruttojahreslohn von 73.874 Euro keinen Solidaritätszuschlag mehr entrichten.

(2) Anpassung der Milderungszone, so dass die Entlastung bis weit in den Mittelstand wirkt. Übersteigt die tarifliche Einkommenssteuer die Freigrenze, wird der Solidaritätszuschlag nicht sofort in voller Höhe, also mit 5,5 Prozent, erhoben. Dadurch wird die Mehrheit der noch verbleibenden Soli-Zahler ebenfalls entlastet, allerdings bei steigenden Einkommen mit abnehmender Wirkung.

Fußnote

1 Die Beispielrechnungen wurden soweit möglich für den Veranlagungszeitraum 2021 durchgeführt: Altersvorsorgeaufwendungen wurden entsprechend dem Alterseinkünftegesetz mit einem Anteil von 92 Prozent berücksichtigt; die Beitragsbemessungsgrenzen zur Sozialversicherung wurden auf das Jahr 2021 fortgeschrieben; es wird unterstellt, dass die Beitragssätze zur Sozialversicherung bis 2021 unverändert bleiben. Die Einkommensteuer wurde nach dem ab 2020 geltenden Einkommensteuertarif ermittelt; Kindergeld und Freibeträge für Kinder wurden mit den ab 2020 geltenden Beträgen berücksichtigt.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 21.08.2019
Gesetzentwurf:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2019/08/2019-08-21-Gesetzentwurf-Abschaffung-Soli.pdf?__blob=publicationFile&v=2

An ausländische Investoren gerichtete, modellhafte Investitionskonzeption zur Beteiligung an einem Windpark kein Steuerstundungsmodell

Hannover. Die Konzeption eines Windparks in Form von 13 vorgründeten Personengesellschaften, die jeweils eine Windkraftanlage betreiben sollen, stellt nach Auffassung des 9. Senats des Niedersächsischen FG jedenfalls dann kein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG dar, wenn das  vorgefertigte Konzept, das sich ausschließlich an dänische Investoren richtete, weder auf im Inland erzielbare Steuervorteile oder einen im Inland entstehenden Steuerstundungseffekt aufbaut noch mit solchen Steuervorteilen oder Steuerstundungseffekten geworben wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. Mai 2019, 9 K 139/13 ; Revision zugelassen).

Im Streitfall war Klägerin eine von insgesamt 13 inländischen Personengesellschaften, die im Windpark X jeweils eine Windenergieanlage betreiben. Alle Betreibergesellschaften des Windparks sind eingebunden in ein Vertragsgeflecht mit Firmen einer Unternehmensgruppe, die deutschlandweit mehrere Hundert Windkraftanlagen konzipiert hat und betreut. Die Initiatoren des Konzepts hatten zuvor die Personengesellschaften vorgegründet mit jeweils einer dänischen Komplementär-GmbH und einer dänischen GmbH als Kommanditistin und „Platzhalter“ für jeweils ein bis max. drei potentielle dänische Investoren. Im Vorfeld der Vermarktung waren bereits die Nutzungsverträge über die Grundstücke, Generalunternehmerverträge über den Bau der Anlagen, Darlehenskonditionen und Einspeiseverträge vorverhandelt bzw. abgeschlossen und eine Infrastrukturgesellschaft, an der sich die Investoren ebenfalls beteiligen mussten, gegründet worden. Allein der Umfang der Fremdfinanzierung konnte von den potentiellen Investoren bestimmt werden. Nach dem Konzept sollte sich für die dänischen Investoren über die Laufzeit von 20 Jahren eine erhebliche Vorsteuerrendite ergeben.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung würdigte das beklagte Finanzamt das Konzept insgesamt als Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG und stellte für die Klägerin und den dänischen Investor als Kommanditisten (Beigeladener) die in den Streitjahren 2006 bis 2008 erwirtschafteten Verluste als nur verrechenbar fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage jedoch statt. Es ging zwar mit dem Finanzamt davon aus, dass ein vorgefertigtes Konzept im Sinne des § 15 b Abs. 2 EStG vorlag. Gleichwohl verneinte der 9. Senat das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells, weil sich dieses Konzept ausschließlich an dänische Investoren richtete und für diese allein die dänischen Steuerrechtsverhältnisse und die garantierten Strompreise nach dem EEG entscheidend waren für den Erwerb der Beteiligung. Allein der Vortrag des Finanzamts, die dänischen Investoren könnten nach dem Konzept entstandene Verluste im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht mit anderen positiven Einkünften verrechnen, war aus Sicht des Senats insoweit nicht hinreichend. Im Übrigen wies das FG darauf hin, dass negative Einkünfte bedingt durch die Inanspruchnahme degressiver AfA oder Sonderabschreibungen bei betriebswirtschaftlich sinnvollen Investitionen typische Anlaufverluste sind, die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 15 b EStG fallen sollen.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 21.08.2019 zum Urteil 9 K 139/13 vom 15.05.2019 (nrkr)

Wiedereinsetzung bei Versendung von Schriftsätzen mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Wird ein aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandter fristwahrender Schriftsatz von dem justizinternen Server nicht weitergeleitet, weil die Dateibezeichnung unzulässige Zeichen enthält, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen gewährt werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 5. Juni 2019 – IX B 121/18 entschieden.

Im Streitfall nutzte der Prozessbevollmächtigte für die Versendung der Beschwerdebegründung einer Nichtzulassungsbeschwerde die von der Bundesrechtsanwaltskammer zur Verfügung gestellte Webanwendung für das beA. Zur Bezeichnung der Datei verwendete der Prozessbevollmächtigte unzulässige Umlaute und Sonderzeichen. Daher wurde die Nachricht auf einem justizinternen Server angehalten, in einen Bereich für Nachrichten mit unzulässigen Dateibezeichnungen verschoben und nicht an den BFH weitergeleitet. Auf diesen Server hatten weder der Bevollmächtigte noch der BFH Zugriff. Die für die Versendung genutzte beA-Anwendung wies den Prozessbevollmächtigten weder auf die unzulässige Dateibezeichnung noch auf den nicht erfolgten Zugang hin. Stattdessen erhielt er die Mitteilung, die Nachricht sei erfolgreich versandt worden und dem Empfänger zugegangen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte seitens des BFH auf die Fristversäumung hingewiesen wurde, versandte er die Beschwerdebegründung erneut.Der BFH hat mit seinem Beschluss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen gewährt, da die Fristversäumung unverschuldet war. Der Prozessbevollmächtigte habe die Beschwerdebegründung rechtzeitig versandt. Für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass die Nachricht in der Folge der unzulässigen Dateibezeichnung nicht zugegangen war. Zwar werde in Erläuterungen zum beA darauf hingewiesen, dass Umlaute und Sonderzeichen in Dateibezeichnungen zu vermeiden seien. Es werde aber nicht eindeutig erläutert, welche Folgen dies habe.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 48/19 vom 02.08.2019 zum Beschluss IX B 121/18 vom 05.06.2019

Kein Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit: Zur negativen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers

Reichweite der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III

Anders als die positive Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit (EU), lässt die negative Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dass keine EU vorliegt, die Fiktionswirkung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III (sog. Nahtlosigkeitsregelung) nicht entfallen (Anschluss an Bundessozialgericht, Urteil B 11 AL 13/99 R vom 09.09.1999 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil L 8 AL 4897/02 vom 12.12.2003).

Der 1957 geborene Kläger meldete sich zum 08.08.2017 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Hierbei gab er an, seit über einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt zu sein und aus gesundheitlichen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Die Beklagte ließ den Kläger nach Aktenlage begutachten und stelle hierbei fest, er sei nur unter drei Stunden täglich bzw. unter 15 Stunden wöchentlich für eine voraussichtliche Dauer von mehr als sechs Monaten leistungsfähig. Am 10.10.2017 teilte der für den Kläger zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Beklagten mit, ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente sei mit Bescheid vom 05.10.2017 abgelehnt worden; der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Im Folgenden bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 08.08.2017 bis 09.10.2017; die befristete Bewilligung von Alg erfolge wegen des Wegfalls der Verfügbarkeit. Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage.Das Gericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung von Alg auch über den 09.10.2017 hinaus verurteilt. Die Wirkung des § 145 Abs. 1 Satz1 SGB III bestehe darin, ein gesundheitliches Leistungsvermögen des Arbeitslosen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsunfähigkeit (EU) zu fingieren. Diese Fiktion hindere die Arbeitsverwaltung daran, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen nicht nur vorübergehenden Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit objektiv nicht verfügbar. Diese positive Feststellung von EU durch den zuständigen Rentenversicherungsträger binde die Arbeitsverwaltung jedoch nicht, sondern eröffne ihr die Möglichkeit, nunmehr ohne Beschränkungen des § 145 SGB III die objektive Verfügbarkeit aufgrund eigener Feststellungen zu verneinen. Eine weitergehende Bindung an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen des Rentenversicherungsträgers im Sinne einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Nahtlosigkeitsregelung bestehe nicht. Dies gelte auch für Ablehnungsbescheide des Rentenversicherungsträgers, die dieser auf einen Rentenantrag des Versicherten hin erteile. Ein derartiger Ablehnungsbescheid schränke den Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung nicht ein und beende die Sperrwirkung nicht. Vorliegend habe der Kläger auch über den 09.10.2017 hinaus einen Anspruch auf Alg. Die objektive Verfügbarkeit werde über die Vorschrift des § 145 SGB III fingiert, da bei dem Kläger eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit vorliege. Die Fiktionswirkung sei auch nicht durch die Feststellung des Rentenversicherungsträgers entfallen; der Rentenversicherungsträger habe das Vorliegen von EU verneint.

Quelle: SG Stuttgart, Pressemitteilung vom 02.08.2019 zum Urteil S 21 AL 1622/18 vom 06.05.2019

Zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eines „Compositing Artist“ im Rahmen einer Kinofilmproduktion

Die Klägerin ist ein Unternehmen im Bereich der digitalen visuellen Effekte, das u. a. mit Filmstudios zusammenarbeitet. Hierfür beschäftigte sie die Beigeladene für mehrere Wochen im Rahmen eines Auftrags für eine Kinoproduktion als „Compositing Artist“. Die Tätigkeit umfasste jegliche Form der digitalen Filmnachbearbeitung am Computer. Mithilfe von Spezialsoftware fügte die Beigeladene dem bereits vorhandenen Filmmaterial visuelle Effekte hinzu. Der Auftraggeber teilte ihr hierzu vorab mit, was genau am Filmmaterial geändert bzw. hinzugefügt werden solle. Während der Projektdauer gab es mehrere Zwischenpräsentationen, um den Fortschritt zu beurteilen und gegebenenfalls neue Wünsche der Klägerin bzw. des Filmstudios abzustimmen. Eine feste Arbeitszeit war für die Beigeladene nicht vereinbart. Die Tätigkeit wurde aber aufgrund einer Geheimhaltungsvereinbarung stets am Betriebssitz der Klägerin unter Verwendung der dort zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel ausgeführt. Die Beigeladene erhielt für ihre Aufgabe ein fest vereinbartes Tageshonorar.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dargestellt habe. Die Beigeladene sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. So habe sie genaue Angaben erhalten, welche visuellen Effekte sie den bereits bestehenden Bildern hinzufügen sollte. Sie sei dabei Teil eines weltweit aufgestellten Produktionsprozesses gewesen. Grundlage für ihre Tätigkeit seien die vorgegebenen Wünsche der Auftraggeber im Rahmen des zugrundeliegenden Drehbuchs. Diese Geschichte habe quasi den Rahmen und damit die Grenzen ihrer künstlerischen Freiheit gebildet. So sei insbesondere auch von vornherein geklärt gewesen, welche Stimmung mit den von ihr erzeugten zusammengesetzten Bildern erzeugt werden solle. Die Eingliederung in den Betrieb zeige sich auch darin, dass sie an Zwischenpräsentationen teilnahm, um Änderungswünsche der Klägerin bzw. des Filmherstellers abzustimmen. Damit habe sie funktionsgerecht am Arbeitsprozess der Klägerin teilgenommen. Eine programmgestaltende Funktion – wie von der Klägerin argumentiert – komme ihr nicht zu. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche auch nicht, dass die Beigeladene eigenes Equipment zu Hause besitzt und sie die streitige Tätigkeit somit auch in ihrem häuslichen Arbeitszimmer hätte ausüben können. Entscheidend sei vielmehr, dass die geschuldete Leistung aufgrund der vorliegenden Geheimhaltungsvereinbarung in der tatsächlich durchgeführten Art und Weise nicht ohne die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und auch nicht außerhalb deren Produktionsräume hätte erbracht werden können.

Quelle: SG Stuttgart, Pressemitteilung vom 02.08.2019 zum Urteil S 11 R 6116/17 vom 27.02.2019

13. Monatsgehalt: Keine Verschiebung des Entstehungszeitpunkts durch Regelung in Betriebsvereinbarung

Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach das 13. Monatsgehalt gestaffelt in monatlichen Raten ausgezahlt wird, stellt keine Verschiebung des Entstehungszeitpunkts dar.

Die Beteiligten stritten darüber, ob ein 13. Monatsgehalt im Rahmen des Bezugs von Insolvenzgeld zu berücksichtigen ist. Der anzuwendende Tarifvertrag sieht hierzu vor, dass das 13. Monatsgehalt zum Ende der ersten Dezemberwoche („Auszahlungszeitpunkt“) gezahlt wird. Voraussetzung für den Anspruch sollte sein, dass der Arbeitnehmer mit Ablauf des Kalenderjahres 12 Monate ununterbrochen dem Betrieb angehört hat. Eine zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung regelt hierzu, dass die Jahressonderzahlung im Jahr 2017 gestaffelt in monatlichen Raten von mindestens 1.000 Euro ab November 2017 ausgezahlt wird. Mit der Abrechnung April 2018 sollte nach dieser Regelung dann die Zahlung des Restbetrages erfolgen.Nachdem am 01.04.2018 das Insolvenzverfahren gegen die Arbeitgeberin eröffnet wurde, beantragte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld. Dieses wurde ihm ohne Berücksichtigung des 13. Monatsgehalts bewilligt. Die Jahressonderzahlung habe keine Berücksichtigung finden können, da sie außerhalb des drei monatigen Insolvenzgeldzeitraumes (01.01.2018 bis 31.03.2018) entstanden sei. Der Kläger verweist darauf, dass durch die Regelung in der Betriebsvereinbarung nicht nur die Fälligkeit, sondern auch der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs verschoben worden sei. Da diese neuen Entstehungszeitpunkte zum Teil im Insolvenzgeldzeitraum liegen, seien sie auch bei der Höhe des Insolvenzgeldes zu berücksichtigen.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Betriebsvereinbarung habe den für die Entstehung des Anspruchs auf die Jahressonderzahlung entscheidenden Stichtag 31.12.2017 nicht verschoben. Die Regelung in der Betriebsvereinbarung stelle lediglich eine Stundungsvereinbarung dar.

Quelle: SG Stuttgart, Pressemitteilung vom 02.08.2019 zum Gerichtsbescheid S 11 AL 3372/18 vom 28.01.2019