Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Kein Verbrauch der Ermäßigung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG bei fehlendem Veräußerungsgewinn

Kein Verbrauch der Ermäßigung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG bei fehlendem Veräußerungsgewinn und folglich fehlendem Wahlrecht trotz fehlerhafter Gewährung der Ermäßigung durch das Finanzamt ohne Antrag der Kläger.

Mit seinem Urteil vom 28. November 2018 (Az. 2 K 205/17, veröffentlicht in EFG 2019, S. 169) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Vorgenanntes erkannt.

Der Kläger schied zum 2. Januar 2016 aus der Gemeinschaftspraxis A aus und erzielte einen nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn von 1.176.690 Euro. Zum 1. Januar 2006 war bereits C aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden. In 2006 erhielt die Gemeinschaftspraxis eine Sonderzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 79.865,91 Euro, die unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fiel. Diese wurde in der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis entsprechend erklärt. Der Feststellungsbescheid erging am 5. März 2008 erklärungsgemäß und stellte für den Kläger den Betrag von 39.932,96 Euro als „tarifbegünstigte Einkünfte i. S. d. § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG“ fest. In der ESt-Erklärung 2006 erklärte der Kläger u. a. bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in der Zeile 52 unter „Sonstiges“ einen begünstigten Gewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 EStG von 39.932 Euro. Eintragungen in den Zeilen 44 bis 51, in denen Angaben zu Veräußerungsgewinnen zu erklären sind, wurden nicht vorgenommen, insbesondere wurde weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (Zeile 44) noch die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes (Zeile 46) beantragt. Fehlerhaft ging das Finanzamt bei der Auswertung der Mitteilung über die anteiligen Einkünfte von einem anteiligen „Veräußerungsgewinn“ aus, wies ihn im ESt-Bescheid 2006 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gesondert aus und gewährte (ohne entsprechenden Antrag des Klägers) den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG. Diese Fehler waren erkennbar. Der steuerliche Vorteil betrug rund 8.000 Euro. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 27. September 2017 erließ das Finanzamt den ESt-Bescheid 2016, ohne die Ermäßigung aufgrund des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG zu berücksichtigen, weil diese bereits 2006 verbraucht gewesen sei. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Der Klage wurde stattgegeben. Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG ist durch die vom Finanzamt fehlerhafte Gewährung in 2006 nicht verbraucht. Der BFH hat zwar entschieden, dass eine antragsgebundene Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, für die Zukunft auch dann „verbraucht“ ist, wenn die Vergünstigung vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist, insbesondere ein erforderlicher Antrag vom Steuerpflichtigen nicht gestellt worden ist (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2015 X B 111/15, BFH/NV 2016, 199 zu § 34 Abs. 3 EStG) und der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (BFH-Urteil vom 21. Juli 2009 X R 2/09, BStBl II 2009 S. 963 zu § 16 Abs. 4 EStG). Entscheidend ist nach dem BFH allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2015 X B 111/15, BFH/NV 2016, 199). Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist. Der Senat ist davon ausgegangen, dass auch angesichts dieser Entscheidungen im Streitfall nicht von einem Objektverbrauch auszugehen ist, weil in 2006 kein Veräußerungsgewinn erzielt, folglich kein „verbrauchsfähiges Objekt“ vorgelegen hat und der Kläger kein Steuerpflichtiger im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG gewesen war. Er hatte damit kein Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG (wie es auch in § 34 Abs. 3 Satz 5 EStG für den Fall mehrerer Veräußerungsgewinne in einem Jahr explizit ausgeführt wird) und hatte dieses auch nicht „unberechtigt“ beantragt.

Der 2. Senat hat die Revision zugelassen, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 2/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 04.07.2019 zum Urteil 2 K 205/17 vom 28.11.2018 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 2/19)

Zahlungen an eine GmbH, welche diese dafür erhält, dass sie einen Steuerpflichtigen bei der Erlangung eines Professorentitels unterstützt, können beim Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben anerkannt werden

Mit Urteil vom 6. März 2019 (Az. 4 K 48/18) hat der 4. Senat des Finanzgerichts entschieden, dass Aufwendungen eines steuerpflichtigen Arztes für die Erlangung eines Professorentitels unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben anerkannt werden können.

Der Kläger war Partner einer hochspezialisierten Arztpraxis. Bereits im Jahre 2013 hatte er mit einer GmbH einen „Wissenschaftsvertrag“ geschlossen, der darauf gerichtet war, dass die GmbH für den Kläger mit seiner aktiven Unterstützung eine Professur, Gastprofessur, Honorarprofessur oder außerplanmäßige Professur an einer Universität, Hochschule innerhalb der Europäischen Union (EU) realisiert. Im Rahmen dieser Aufgabe vermittelte die GmbH dem Kläger u. a. eine Nebentätigkeit an einer Universität im Ausland, welche auf die Verleihung eines entsprechenden Titels ausgerichtet war. Die Zahlung an die GmbH machte der Kläger als Betriebsausgaben geltend.

Nach Abwägung aller Umstände des Falles und unter Berücksichtigung der persönlichen Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist der 4. Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die streitigen Aufwendungen zur Erlangung einer Professur im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG betrieblich veranlasst waren und auch das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht eingreift. Tragend war dabei die Erwägung, dass die Führung des Professorentitels im Streitfall eine sehr hohe erwerbswirtschaftliche Bedeutung hatte, sodass die private Veranlassung dahinter zurücktrat. Hiermit stellte das Gericht eine andere Würdigung an als das Finanzgericht Münster in einem ähnlichen Fall (Az. 4 K 1891/14 F, EFG 2017, 1949 – betreffend einen Zahnarzt). Es ließ die Revision dennoch nicht zu, weil die Rechtsgrundsätze insoweit geklärt sind und es lediglich um die Würdigung des Einzelfalls ging.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 04.07.2019 zum Urteil 4 K 48/18 vom 06.03.2019 (rkr)

Wohnmobile nicht von Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Kressbronn erfasst

In einem Eilrechtsfall hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen am 17.07.2019 entschieden, dass ein Wohnmobil nicht nach der Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Kressbronn am Bodensee besteuert werden könne.

Das Gericht führt aus, die Satzung erfasse zwar alle „Wohn- und Campingwagen“, sodass auch der Eigentümer eines in seiner Garage geparkten Wohnwagens zweitwohnungssteuerpflichtig wäre. Nicht erfasst davon sind jedoch Wohnmobile. Unter Wohn- und Campingwagen seien nämlich schon begrifflich nur solche Gefährte zu verstehen, die sich nicht von alleine fortbewegen können, sondern immer ein Zugfahrzeug bräuchten. Demgegenüber sei das hervorstechende Merkmal eines Wohnmobils, dass es aus eigenem Antrieb in Bewegung gesetzt werden könne und weder dazu geeignet noch bestimmt sei, ein längerdauerndes Wohnen zu ermöglichen. Bei dem klägerischen Fahrzeug handele es sich zudem um einen über 40 Jahre alten Caravan, der weder über ein fixiertes Bett noch über Dusche und Toilette verfüge. Auch deshalb könne nicht von einem besteuerbaren „Wohnraum“ ausgegangen werden. Der Aufwand, den der Antragsteller für das Halten des Wohnmobils erbringen müsse, sei aufgrund des Alters und der Ausstattung so gering, dass sich eine Besteuerung nicht rechtfertigen ließe. Damit führt das Verwaltungsgericht Sigmaringen in Übereinstimmung mit dem VGH Mannheim eine eher restriktive Linie fort, nach der es bereits 1997 entschieden hatte, dass die Gemeinde Kressbronn Segelboote auf dem Bodensee nicht nach ihrer damals geltenden Zweitwohnungssteuersatzung besteuern dürfe. Zur Begründung führte das Gericht im damaligen Verfahren aus, dass die Gemeinde Kressbronn kein Recht habe, Wasserfahrzeuge auf dem Bodensee zu besteuern, weil dieses Gebiet außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinde liege und daher nicht ihrem Satzungsrecht unterworfen sei. Es sei außerdem willkürlich, Wasserfahrzeuge einer Wohnung gleichzustellen, da von der entsprechenden Regelung auch Boote wie etwa Segelboote erfasste werden, die keine oder nur eine geringe Ähnlichkeit mit einer Wohnung aufwiesen und die vielmehr in erster Linie der Fortbewegung oder der Ausübung einer bestimmten Sportart dienten.

Quelle: VG Sigmaringen, Pressemitteilung vom 22.07.2019 zum Beschluss 9 K 369/19 vom 17.07.2019

Klage in einem sog. cum/ex-Verfahren abgewiesen

Die mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer kommt nicht in Betracht. Das hat das Finanzgericht Köln mit seinem am 19. Juli 2019 verkündeten Urteil (Az. 2 K 2672/17) entschieden.

Das Finanzgericht Köln verhandelte erstmalig in der Sache in einem sog. cum/ex-Verfahren. Das Verfahren bildet ein Musterverfahren für eine Vielzahl derzeit noch beim Bundeszentralamt für Steuern anhängiger vergleichbarer Streitfälle. Dem Rechtsstreit lagen Aktiengeschäfte zugrunde, die außerbörslich im Rahmen eines Leerverkaufs getätigt worden waren. Die Aktiengeschäfte wurden vor dem Dividendenstichtag mit einem Anspruch auf die zu erwartende Dividende (cum-Dividende) abgeschlossen und nach dem Dividendenstichtag vereinbarungsgemäß mit Aktien ohne Dividendenanspruch (ex-Dividende) angedient. Zu entscheiden war, ob dem Aktienkäufer (Leerkäufer) ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer zustand.

Dies hat der 2. Senat des Finanzgerichts Köln verneint. Der Aktienkäufer werde bei einem außerbörslichen Leerverkauf nicht bereits durch Abschluss des Kaufvertrags wirtschaftlicher Eigentümer der ihm später zu liefernden Aktien. Er habe daher keinen Anspruch auf Anrechnung der hinsichtlich der Dividende einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer. Die mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer scheide im Übrigen bereits denknotwendig aus.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 19.07.2019 zum Urteil 2 K 2672/17 vom 19.07.2019

„Dieselverfahren“: Schadenersatzpflicht der Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung

Das OLG Karlsruhe hat eine Schadenersatzpflicht der Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung festgestellt und kaufvertragliche Ansprüche gegen den Händler als verjährt angesehen (Az. 17 U 160/18, 17 U 204/18).

Im Verfahren 17 U 160/18 verlangt die Klägerin vom beklagten Autohaus unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Zahlung von 31.268 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des im am 16. September 2011 erworbenen Skoda Octavia Combi, 2,0 l TDI (verbauter Motor EA189). Gegenüber der Volkswagen AG begehrt sie die Feststellung der Schadenersatzpflicht.Das Landgericht Baden-Baden hat die Klage gegen das Autohaus wegen Verjährung abgewiesen und der gegen die Volkswagen AG gerichteten Feststellungsklage aus §§ 826, 31 BGB stattgegeben. Das OLG Karlsruhe hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.

Die Volkswagen AG haftet der Klägerin wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB. Der Kläger hat behauptet, die Leitungsebene der AG habe zum Zwecke der Kostensenkung und Gewinnmaximierung die Strategieentscheidung getroffen, die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz ihrer Konzerngesellschaften von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden zu erschleichen. Diese Behauptung ist der Entscheidung zugrunde zu legen, da sie von der Volkswagen AG mit der Einschränkung bestritten wurde, dass nach dem aktuellen Ermittlungsstand der nicht näher erläuterten internen Ermittlungen keine Erkenntnisse über eine Beteiligung oder Kenntnis von Vorstandsmitgliedern vorlägen. Ein derart eingeschränktes Bestreiten ist prozessual nicht zulässig, nachdem seit Bekanntwerden des Abgasskandals mittlerweile mehr als dreieinhalb Jahre vergangen sind.

Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Allerdings führt die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den Volkswagenkonzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie die in Kauf genommenen erheblichen Folgen für die Käufer in Form der drohenden Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Volkswagen AG im Sinne des § 826 BGB. Durch dieses vorsätzliche und sittenwidrige Vorgehen ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrages an sich liegt.

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage gegen den Händler, die Rückabwicklung des Kaufvertrages anstrebte, hat der Senat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der erklärte Rücktritt ist unwirksam, weil der Nacherfüllungsanspruch aus Kaufvertrag gegen den Händler verjährt ist. Da die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Satz 3 BGB gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe des Fahrzeuges – und damit mit Ablauf des 9. März 2012 – begann, endete sie mit Ablauf des 9. März 2014 und somit sowohl vor dem im Dezember 2015 erklärten Rücktritt als auch vor der Klageeinreichung im Dezember 2016. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Händler ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Fahrzeugmanipulation war dem Händler nicht bekannt, eine Täuschung durch den Hersteller kann dem Händler nicht zugerechnet werden.

Die Klagabweisung wegen Verjährung bei einer auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage gegen den Händler hat der Senat in einem weiteren Urteil vom 18. Juli 2019 bestätigt (17 U 204/18). In diesem Verfahren verlangt der Kläger vom beklagten Autohaus unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung auf den Kaufpreis Zahlung von 40.329,21 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des im Februar 2013 erworbenen Audi Q3, 2,0l TDI, quattro (verbauter Motor EA189). Auch in diesem Verfahren ist der mit Schreiben vom 20. November 2017 erklärte Rücktritt gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB unwirksam, weil der Anspruch auf Nacherfüllung gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt ist und das beklagte Autohaus sich hierauf zulässigerweise beruft. Der Händler handelt durch Erhebung der Einrede der Verjährung auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die VW AG im Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf etwaige (auch bereits verjährte) Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit Motortyp EA 189 eingebauten Software bestehen, verzichtet hat (vgl. dazu die Presseerklärung der Volkswagen AG vom 16. Dezember 2015). Das beklagte Autohaus und die Volkswagen AG sind rechtlich selbständig. Eine Erklärung der Volkswagen AG wirkt daher nicht für den Händler.

Quelle: OLG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 18.07.2019 zu den Urteilen 17 U 160/18 und 17 U 204/18 vom 18.07.2019

Jährliche Inflationsrate im Euroraum auf 1,3 % gestiegen – in der EU unverändert bei 1,6 %

Die jährliche Inflationsrate im Euroraum lag im Juni 2019 bei 1,3 %, gegenüber 1,2 % im Mai. Ein Jahr zuvor hatte sie 2,0 % betragen. Die jährliche Inflationsrate in der Europäischen Union lag im Juni 2019 bei 1,6 %, unverändert gegenüber Mai. Ein Jahr zuvor hatte sie 2,1 % betragen. Diese Daten werden von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, veröffentlicht.

Die niedrigsten jährlichen Raten wurden in Griechenland (0,2 %), Zypern (0,3 %), Dänemark und Kroatien (je 0,5 %) gemessen. Die höchsten jährlichen Raten wurden in Rumänien (3,9 %), Ungarn (3,4 %) und Lettland (3,1 %) gemessen. Gegenüber Mai ging die jährliche Inflationsrate in siebzehn Mitgliedstaaten zurück, blieb in einem unverändert und stieg in neun an.Im Juni kam der höchste Beitrag zur jährlichen Inflation im Euroraum von Dienstleistungen (+0,73 Prozentpunkte, Pp.), gefolgt von Lebensmitteln, Alkohol und Tabak (+0,30 Pp.), Energie (+0,17 Pp.) sowie Industriegütern ohne Energie (+0,07 Pp.).

BFH bestätigt neues Reisekostenrecht

Das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte – wie z. B. Streifenpolizisten – einschränkt, ist verfassungsgemäß, wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17 entschieden hat. Zeitgleich hat der BFH vier weitere Urteile veröffentlicht, die die Folgen der geänderten Rechtslage für andere Berufsgruppen – wie etwa Piloten, Luftsicherheitskontrollkräfte oder befristet Beschäftigte – verdeutlichen (Urteile vom 10. April 2019 VI R 6/17, vom 11. April 2019 VI R 36/16, vom 11. April 2019 VI R 40/16 und vom 11. April 2019 VI R 12/17).
Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort. Werbungskosten liegen hier nur im Rahmen der sog. Pkw-Entfernungspauschale i. H. v. 0,30 Euro je Entfernungskilometer vor. Dabei definiert das neue Recht den Arbeits- oder Dienstort als „erste Tätigkeitsstätte“ (bisher: „regelmäßige Arbeitsstätte“). Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber (§ 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG). Demgegenüber kam es zuvor auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Diese Änderung ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG) sowie der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 1 EStG) von Bedeutung.
Der Streitfall VI R 27/17 betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen Einsatz- und Streifendienst antrat. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er ging davon aus, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale. Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es nicht an. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.Der BFH hat die Vorinstanz bestätigt. Nach neuem Recht ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese ausfüllende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist. Ist dies der Fall, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht an. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer (Beamte) am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Dies war nach den Feststellungen des FG bei dem Streifenpolizisten im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall.Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung verneint der BFH. Der Gesetzgeber habe sein Regelungsermessen nicht überschritten, da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könnten.Der Streitfall VI R 40/16 betraf eine Pilotin. Auch sie machte die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen erfolglos gegenüber FA und FG geltend. Der BFH hat auch in diesem Fall das FG-Urteil bestätigt. Fliegendes Personal – wie Piloten oder Flugbegleiter – , das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, hat nach dem Urteil des BFH dort seine erste Tätigkeitsstätte. Da die Pilotin in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war somit, dass sie überwiegend im internationalem Flugverkehr tätig war. Der BFH weist zudem darauf hin, dass auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z. B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht kommt.Ebenso hat der BFH in der Sache VI R 12/17 den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei einer Luftsicherheitskontrollkraft verneint, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde.Mit zwei weiteren Urteilen (Az. VI R 36/16 und VI R 6/17) hat der BFH bei befristeten Arbeitsverhältnissen entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Erfolgt während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze Anwendung finden. Damit war der Kläger in der Sache VI R 6/17 erfolgreich. Der BFH bestätigte hier die Klagestattgabe durch das FA, sodass dem Kläger Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer zustehen. Im Fall VI R 36/16 kam es zu einer Zurückverweisung an das FG, damit geprüft wird, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen.

Quelle: BFH

BFH zum Kindergeld: Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung bei einem bereits erwerbstätigen Kind

Haben volljährige Kinder bereits einen ersten Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlangt, setzt der Kindergeldanspruch aufgrund eines weiteren Ausbildungsgangs voraus, dass dieser noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist und die Ausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes bildet. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Februar 2019 III R 42/18 entschieden hat, reicht es nicht aus, wenn lediglich eine berufsbegleitende Weiterbildung vorliegt, da dann bereits die Berufstätigkeit im Vordergrund steht und der weitere Ausbildungsgang nur neben dieser durchgeführt wird.

Die Klägerin ist die Mutter einer im März 1991 geborenen Tochter. Die Tochter befand sich bis Juli 2013 in einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Von November 2013 bis Juli 2016 absolvierte sie einen berufsbegleitenden Angestelltenlehrgang II zur Verwaltungsfachwirtin. Daneben stand sie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei einer Stadtverwaltung. Die Familienkasse lehnte eine Weiterzahlung des Kindergelds ab August 2013 mit der Begründung ab, dass die Tochter bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen habe und während der Zweitausbildung einer zu umfangreichen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt. Es sah den Angestelltenlehrgang II noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung an und verpflichtete die Familienkasse das Kindergeld bis März 2016 weiterzuzahlen.

Dagegen war die Revision der Familienkasse begründet. Für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Zwar können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammen zu fassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte) zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt nach dem Urteil des BFH jedoch dann nicht mehr vor, wenn die nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf dienen. Damit präzisiert der BFH den Erstausbildungsbegriff.

Dagegen lehnte der BFH eine Dienstanweisung der Familienkassen ab, nach der eine einheitliche Erstausbildung nur dann angenommen werden könne, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Ebenso wenig sah es der BFH als schädlich an, dass der zweite Ausbildungsabschnitt eine Erwerbstätigkeit zur Abschlussvoraussetzung macht.

In einem ähnlich gelagerten Fall, in dem die Tochter nach der Ausbildung zur Bankkauffrau ein berufsbegleitendes Studium zur Bankfachwirtin aufnahm, widersprach der BFH mit einem weiteren Urteil vom 21. März 2019 III R 17/18 zudem der Verwaltungsauffassung, dass eine einheitliche Erstausbildung nur dann in Betracht komme, wenn sämtliche Ausbildungsmaßnahmen öffentlich-rechtlich geordnet sind.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 42/19 vom 18.07.2019 zu den Urteilen III R 42/18 vom 20.02.2019 und III R 17/18 vom 21.03.2019

Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG ist bereits bei Festsetzung des Kindergeldes zu beachten

Eine rückwirkende Festsetzung von Kindergeld ist bei Kindergeldanträgen, die ab dem Jahr 2018 gestellt wurden, nur für die letzten sechs Monate vor Antragstellung zulässig. Dies hat das Finanzgericht Düsseldorf in einem Gerichtsbescheid vom 10.04.2019 (Az. 10 K 3589/18 Kg) entschieden.

Im Streitfall stellte der Kläger im August 2018 einen Kindergeldantrag für seine beiden Kinder. Daraufhin setzte die beklagte Familienkasse ab Juli 2016 bzw. August 2017 Kindergeld fest. Die Auszahlung des Kindergeldes beschränkte sie auf den Betrag, der auf die Zeit ab Februar 2018 entfiel. Für die vorangegangenen Monate versagte die Familienkasse die Auszahlung, weil das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt werden dürfe, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen sei.

Dagegen hat sich der Kläger erfolgreich gewehrt. Das Finanzgericht entschied, dass die Familienkasse verpflichtet sei, das festgesetzte Kindergeld in voller Höhe auszuzahlen.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Gesetzgeber die Festsetzungsverjährung für das Kindergeld ab 2018 neu geregelt habe. Sowohl die Festsetzung als auch die Auszahlung des Kindergeldes seien nur noch mit einer Rückwirkung von sechs Monaten ab Antragstellung zulässig. Im Streitfall habe die Familienkasse entgegen dieser Regelung eine wirksame Kindergeldfestsetzung für die Monate vor Februar 2018 vorgenommen. Die Auszahlung des Kindergeldes könne sie in diesem Fall nicht verwehren.

Das Gericht hob hervor, dass der Kindergeldanspruch durch die Neuregelung bei einer verspäteten Antragstellung nicht entfalle. Das Kindergeld dürfe lediglich nicht mehr festgesetzt und ausgezahlt werden. Dies sei insbesondere für Leistungen im außersteuerlichen Bereich von Bedeutung, die an das Kindergeld anknüpfen.

Die vom Finanzgericht zugelassene Revision wurde eingelegt und ist unter dem Az. III R 33/19 beim Bundesfinanzhof anhängig.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 16.07.2019 zum Gerichtsbescheid 10 K 3589/18 vom 10.04.2019 (nrkr – BFH-Az.: III R 33/19)

Hartz IV trotz Immobilie in Thailand?

Wer Hartz IV-Leistungen beziehen will, muss Immobilienvermögen vorher verwerten und von dem Erlös leben. Ausnahmsweise kann jedoch eine akute Notlage zu vorläufigen Leistungen führen – dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in einem Eilbeschluss aufgezeigt.

Zugrunde lag das Verfahren eines deutsch-thailändisches Ehepaars aus dem Landkreis Wolfenbüttel. Die Frau besitzt ein Einfamilienhaus in Thailand, das von ihrer Mutter und einem Neffen bewohnt wird. In Deutschland lebte das Paar zunächst von Rücklagen, die stetig weniger wurden bis sich Mietschulden anhäuften.

Das Jobcenter lehnte die Gewährung von Leistungen ab, da das Haus in Thailand verwertbares Vermögen sei und das Paar sich kaum um den Verkauf bemüht habe.

Das LSG hat das Jobcenter im Eilverfahren vorläufig zur Leistung verpflichtet. Zur Begründung hat das Gericht zwar betont, dass Grundsicherungsleistungen nur dann erbracht würden, wenn kein Vermögen mehr vorhanden sei. Eine Auslandsimmobilie müsse selbst dann verkauft werden, wenn sie im Heimatland des Leistungsbeziehers von Familienangehörigen bewohnt werde oder später Altersruhesitz sein solle. Wenn die Immobilie jedoch nicht als „bereites Mittel“ verfügbar sei, müsse eine Notlage vorläufig vom Jobcenter abgedeckt werden. Denn das gesamte Barvermögen sei inzwischen verbraucht.

Für die Zukunft hat das Gericht die Eheleute darauf hingewiesen, dass sie die Leistungen ggf. später erstatten müssen: Sie hätten nicht glaubhaft gemacht, das Haus ernstlich verkaufen zu wollen. Zwar hätten sie angeblich ein Schild („sale/hire“) aufgestellt. Dies sei jedoch wenig erfolgversprechend, da das Haus an einer kaum frequentierten Anliegerstraße liege, an der kein Durchgangverkehr fahre und deren Zustand so desolat sei, dass nicht einmal die Müllabfuhr dort fahren könne. Durch solch unzureichende Verkaufsbemühungen hätten sie ihre Hilfebedürftigkeit vorwerfbar aufrechterhalten. Dies könne zu einem Erstattungsanspruch des Jobcenters führen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 16.07.2019 zum Beschluss L 11 AS 209/19 B ER vom 22.05.2019