Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

BFH: Maßgeblichkeit ausländischer Buchführungspflichten im deutschen Besteuerungsverfahren

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. November 2018 I R 81/16 entschieden, dass eine auf ausländischem Recht beruhende Buchführungspflicht eines Steuerpflichtigen zugleich als Mitwirkungspflicht im (inländischen) Steuerverfahren zu beurteilen ist.

Nach der Vorschrift des § 140 der Abgabenordnung (AO) sind Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten aus anderen als Steuergesetzen auch für Besteuerungszwecke zu erfüllen. Dadurch werden insbesondere die Buchführungspflichten nach dem deutschen Handelsgesetzbuch in steuerliche Mitwirkungspflichten „transformiert“. Das entlastet einerseits den Gesetzgeber, der nicht erst spezifische Buchführungspflichten schaffen muss. Für den Steuerpflichtigen ergibt sich der Vorteil, dass er die ohnehin zu fertigenden Buchführungsunterlagen zugleich auch für Steuerzwecke verwenden kann. Der BFH hat nun entschieden, dass auch etwaige ausländische Buchführungspflichten durch § 140 AO in steuerliche Mitwirkungspflichten transformiert werden.

Der vom BFH entschiedene Fall betrifft eine liechtensteinische Aktiengesellschaft mit inländischen Vermietungseinkünften, die nach liechtensteinischem Recht buchführungspflichtig ist. Das Finanzamt wollte die Gesellschaft zusätzlich zur Buchführung nach deutschem Steuerrecht verpflichten. Der BFH hat entschieden, dass eine solche Verpflichtung nicht erforderlich ist, weil die Gesellschaft bereits nach § 140 AO für Steuerzwecke zur Buchführung verpflichtet ist.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 22/19 vom 17.04.2019 zum Urteil I R 81/16 vom 14.11.2018

BFH: Organ einer Kapitalgesellschaft kann ständiger Vertreter sein

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23. Oktober 2018 I R 54/16 entschieden, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ständiger Vertreter sein kann. Dies führt zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens, selbst wenn dieses im Inland keine Betriebsstätte unterhält.

Der vom BFH entschiedene Fall betrifft eine luxemburgische Aktiengesellschaft, deren Geschäftsführer sich regelmäßig in Deutschland aufhielt, um dort Goldgeschäfte für diese anzubahnen, abzuschließen und abzuwickeln. Das Finanzamt ging von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Aktiengesellschaft aus, weil der Geschäftsführer ständiger Vertreter des Unternehmens im Sinne des § 13 AO gewesen sei. Das Finanzgericht (FG) sah die Sache allerdings anders und gab der Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid statt.

Der BFH hob das Urteil des FG auf. Nach § 13 der Abgabenordnung (AO) ist ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Da die Regelung einen Vertreter und daneben ein Unternehmen voraussetzt, ist umstritten, ob der Geschäftsführer als Organ der Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen erfüllen kann. Denn nach deutschem Zivilrecht handelt das Unternehmen selbst, wenn seine Organe tätig werden. Der BFH hat den Streit nunmehr entschieden. Nach dem Zweck des Gesetzes und seinem Wortlaut können im Steuerrecht grundsätzlich auch solche Personen ständige Vertreter sein, die im Zivilrecht als Organe der Kapitalgesellschaft anzusehen sind. Für die ausländische Kapitalgesellschaft, die weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland hat, folgt hieraus die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, ohne dass es noch auf das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ankäme.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 21/19 vom 17.04.2019 zum Urteil I R 54/16 vom 23.10.2018

Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz – FZulG)

Forschung und Entwicklung (FuE) ist für viele Unternehmen eine wichtige Investition zur Steigerung ihrer Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. In einem schnelllebigen Umfeld muss FuE mittel- und langfristig ausgerichtet sein. Hier kann die steuerliche FuE-Förderung aufgrund ihrer Planbarkeit signifikante und wertvolle Unterstützung leisten. Das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz – FZulG) sieht die Einführung einer steuerlichen Forschungszulage vor, die nicht an der Bemessungsgrundlage der Einkünfteermittlung und auch nicht an der festzusetzenden Steuer ansetzt. Sie soll unabhängig von der jeweiligen Gewinnsituation bei allen Unternehmen gleichermaßen wirken. Vorgesehen ist die Einführung einer neuen Regelung zur steuerlichen Förderung von FuE mit ihren Komponenten Grundlagenforschung, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung, die bei den Personalausgaben ansetzt und für alle steuerpflichtigen Unternehmen unabhängig von deren Größe oder der Art der im Unternehmen ausgeübten Tätigkeit (im Sinne der Einstufung nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige) Anwendung findet. Die Förderung wird in einem eigenständigen steuerlichen Nebengesetz zum Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz geregelt.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 17.04.2019

Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 35 EStG

Das Inhaltsverzeichnis des BMF-Schreibens vom 3. November 2016 – IV C 6 – S-2296-a / 08 / 10002-003, DOK 2016/0944407 (BStBl I S. 1187) – wird wie folgt gefasst:

1. Anwendungsbereich Rn. 1 – 3

2. Tarifliche Einkommensteuer Rn. 4

3. Anrechnungsvolumen Rn. 5 – 13

4. Gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 35 EStG Rn. 14 – 15

5. Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags Rn. 16 – 18

6. Steuerermäßigung bei Mitunternehmerschaften

6.1 Aufteilung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel Rn. 19 – 24

6.2 Besonderheiten bei mehrstöckigen Personengesellschaften Rn. 25 – 26

6.2.1 Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags (§ 35 Absatz 1 Satz 2 EStG) Rn. 25

6.2.2 Begrenzung des Ermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG) Rn. 25a – 26

6.3 Der anteilige Gewerbesteuermessbetrag bei einer KGaA Rn. 27

6.4 Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags bei unterjähriger Unternehmensübertragung und Gesellschafterwechsel Rn. 28 – 30

6.5 Gesonderte oder gesonderte und einheitliche Feststellung Rn. 31 – 32

6.6. Behandlung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen i. S. d. § 7 Satz 2 GewStG Rn. 33

7. Anwendungszeitraum Rn. 34

Die Rn. 9, 25 und 26 des BMF-Schreibens vom 3. November 2016 – IV C 6 – S-2296-a / 08 / 10002-003, DOK 2016/0944407 (BStBl I S. 1187) – werden wie folgt gefasst: Außerdem wird Rn. 25a eingefügt:

Sind dem Steuerpflichtigen als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer Einkünfte aus mehreren Gewerbebetrieben oder aus Mitunternehmerschaften mit gewerblichen Einkünften zuzurechnen, sind die jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge für jeden Gewerbebetrieb und für jede Mitunternehmerschaft getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 zu vervielfältigen und auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zu begrenzen (betriebsbezogene Ermittlung, BFH-Urteil vom 20. März 2017, X R 62/14, BStBl 2019 II S. xxx). Die so ermittelten Beträge sind zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrag zusammenzufassen. Zu den Besonderheiten bei mehrstöckigen Gesellschaften vgl. Rn. 25 und 26.

6.2. Besonderheiten bei mehrstöckigen Gesellschaften

6.2.1 Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags (§ 35 Absatz 1 Satz 2 EStG)

25 Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften sind bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchst-betrags nach § 35 Absatz 1 Satz 2 EStG die Einkünfte aus der Obergesellschaft (einschließlich der Ergebnisse der Untergesellschaft(en)) als gewerbliche Einkünfte zu berücksichtigen, soweit es sich um gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 35 EStG (vgl. Rn. 14, 15) handelt. Die gewerblichen Einkünfte i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 3 EStG sind im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 35 Absatz 2 EStG) nachrichtlich mitzuteilen. Neben dem anteiligen Gewerbesteuermessbetrag und der anteiligen tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer der Obergesellschaft sind den Mitunternehmern der Obergesellschaft zudem die anteilig auf die Obergesellschaft entfallenden Gewerbesteuermessbeträge der Untergesellschaften nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels zuzurechnen (§ 35 Absatz 2 Satz 5 EStG). Dies gilt auch für die Zurechnung eines anteiligen Gewerbesteuermessbetrags einer Untergesellschaft an den mittelbar beteiligten Gesellschafter, wenn sich auf der Ebene der Obergesellschaft ein negativer Gewerbeertrag und damit ein Gewerbesteuermessbetrag von 0 Euro ergibt.

6.2.2 Begrenzung des Ermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG)

25a Die Beschränkung des Steuerermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG) (Vergleich zwischen dem mit dem Faktor 3,8 vervielfältigten anteiligen Gewerbesteuermessbetrag und der anteiligen tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer) ist bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften betriebsbezogen jeweils getrennt für Obergesellschaft und Untergesellschaft(en) zu ermitteln (BFH-Urteile vom 20. März 2017, X R 12/15, BStBl 2019 II S. xxxx und X R 62/14, BStBl 2019 II S. xxx).

Der ggf. auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzte Steuerermäßigungsbetrag nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG sowie die gewerblichen Einkünfte i. S. d. § 35 EStG sind im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 35 Absatz 2 EStG) stets nachrichtlich mitzuteilen.

26 Beispiel:

A ist zu 70 % an der GmbH & Co KG I (KG I) beteiligt, die wiederum zu 50 % an der GmbH & Co KG II (KG II) beteiligt ist. Die KG II erzielt einen Gewinn von 100.000 Euro. Für die KG II wird unter Berücksichtigung von §§ 8 und 9 GewStG ein Gewerbesteuermessbetrag von 1.000 Euro festgestellt. Die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer der KG II beträgt 3.600 Euro. Dies führt damit zu einem der KG I zuzurechnenden anteiligen Gewerbesteuermessbetrag von 500 Euro (50 % von 1.000 Euro entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel) und einer zuzurechnenden anteiligen tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer von 1.800 Euro (50 % von 3.600 Euro entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel).

Der KG I werden aus der Beteiligung an der KG II Einkünfte von 50.000 Euro zugewiesen. Die KG I erzielt aus dem eigenen operativen Geschäft einen Gewinn von 120.000 Euro. Es wird ein Gewerbesteuermessbetrag von 1.500 Euro festgestellt. Dies führt zu einer zu zahlenden Gewerbesteuer von 6.000 Euro.

Lösung:

Der auf A entfallende Gewerbesteuermessbetrag beträgt 1.400 Euro (70 % von (1.500 Euro + 500 Euro)) und die auf A entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer 5.460 Euro (70 % von (6.000 Euro + 1.800 Euro)). Bei A ist eine Steuerermäßigung nach § 35 EStG in Höhe des 3,8-fachen des auf ihn entfallenden anteiligen Gewerbesteuermessbetrags von 1.400 Euro (= 5.320 Euro), höchstens der Ermäßigungshöchstbetrag nach § 35 Absatz 1 Satz 2 EStG und begrenzt auf die auf ihn entfallende anteilige tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG (3.990 Euro lt. unten stehender Berechnung) zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags für A sind positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 119.000 Euro anzusetzen.

Die Begrenzung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer berechnet sich betriebsbezogen wie folgt:

KG II:

auf die KG I entfallender Anteil am Gewerbesteuermessbetrag: 500 Euro (50 % von 1.000 Euro)

auf die KG I entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer: 1.800 Euro (50 % von 3.600 Euro)

500 Euro x 3,8 = 1.900 Euro > 1.800 Euro, d. h., die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer ist geringer als das 3,8-fach des Gewerbesteuermessbetrags

Der für die KG II betriebsbezogen ermittelte nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG begrenzte Steuerermäßigungsbetrag der KG I beträgt 1.800 Euro. Dieser nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG begrenzte Steuerermäßigungsbetrag ist dem für die KG I zuständigen Finanzamt nachrichtlich mitzuteilen.

KG I:

auf A entfallender Anteil am Gewerbesteuermessbetrag: 1.050 Euro (70 % von 1.500 Euro)

auf A entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer: 4.200 Euro (70 % von 6.000 Euro)

1.050 Euro x 3.8 = 3.990 Euro < 4.200 Euro, d. h., das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrags übersteigt nicht die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer

Der für die KG I betriebsbezogen ermittelte Steuerermäßigungsbetrag des A beträgt 3.990 Euro.

Das für die KG I zuständige Finanzamt hat ferner dem für den A zuständigen Finanzamt den auf A entfallenden Teil des Steuerermäßigungsbetrags aus der KG II mitzuteilen (70 % von 1.800 Euro = 1.260 Euro).

Einkommensteuer des A

Der Ermäßigungsbetrag nach § 35 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG beträgt 5.320 Euro (das 3,8-fache des festgestellten anteiligen Gewerbesteuermessbetrags von 1.400 Euro).

Für Zwecke der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 Absatz 1 Satz 2 EStG sind für A positive gewerbliche Einkünfte in Höhe von 119.000 Euro anzusetzen.

Der Steuerermäßigungsbetrag ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG). Die Beschränkung ist betriebsbezogen zu ermitteln (vgl. Rn. 9) und führt zu einer Begrenzung auf 5.250 Euro (3.990 Euro + 1.260 Euro).

Dieses Schreiben, das im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, ist ab Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist das Schreiben auch für Veranlagungszeiträume vor 2020 anzuwenden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2296-a / 17 / 10004 vom 17.04.2019

Steuer bei Sportveranstaltungen

Um Steuererleichterungen bei Sportgroßveranstaltungen geht es in einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion ( 19/9261 ). Die Abgeordneten wollen unter anderem erfahren, ob es besondere Kriterien für den Erlass oder den teilweisen Erlass von Steuern bei Sportereignissen und anderen Großveranstaltungen gibt. Auch wird nach Kriterien oder Richtlinien gefragt, die dazu anhalten, alle Sportarten gleich zu behandeln.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 442/2019

DBA-Österreich vom 24. August 2000, zuletzt geändert duch das Änderungsprotokoll vom 29. Dezember 2010

Zur einheitlichen Anwendung und Auslegung der Grenzgängerregelung in Artikel 15 Absatz 6 des DBA-Österreich haben die zuständigen Behörden, gestützt auf Artikel 25 Absatz 3 des DBA-Österreich, am 4./9. April 2019 folgende Konsultationsvereinbarung geschlossen, die auf alle offenen Fälle anzuwenden ist:

Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art. 15 Abs. 6 des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. August 2000

Gestützt auf Artikel 25 Absatz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag vom 24. August 2000, zuletzt geändert durch das Protokoll vom 29. Dezember 2010, (im Folgenden als „Abkommen“ bezeichnet) haben die zuständigen Behörden Deutschlands und Österreichs die folgende Konsultationsvereinbarung zur Anwendung des Abkommens zur Auslegung der Grenzgängerregelung nach Artikel 15 Absatz 6 i. V. m. Ziffer 8 des Protokolls zum Abkommen erzielt:

1. Grundsätzliche Auslegungsfragen zur Grenzgängerregelung:

1. Die für die Grenzgängerregelung des Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens maßgebliche Grenzzone umfasst einen Grenzstreifen entlang der Grenze von 30 km, wobei für die Berechnung der Entfernung die Luftlinie und nicht die Zahl der Straßenkilometer maßgeblich ist.

2. Die Eigenschaft als Grenzgänger erfordert grundsätzlich eine tägliche Rückkehr zum Wohnort im Ansässigkeitsstaat in der Grenzzone.

3. Nach dem Wortlaut des Abkommens steht die Grenzgängereigenschaft nur Personen zu, die ihren Wohnsitz in der maßgebenden Grenzzone haben. Die Begründung eines bloßen Zweitwohnsitzes in der Grenzzone reicht nicht für die Inanspruchnahme der Grenzgängerregelung des Abkommens aus. Allerdings besteht Einvernehmen, dass dann, wenn ein Grenzgänger seinen Hauptwohnsitz in der Grenzzone hat, ein außerhalb dieser Zone im Ansässigkeitsstaat oder ein in einem Drittstaat gelegener Zweitwohnsitz nicht zur Aberkennung der Grenzgängereigenschaft führt. Auch ein Zweitwohnsitz außerhalb der Grenzzone im Tätigkeitsstaat schließt die Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung dann nicht aus, wenn nachweisbar ist, dass dieser Zweitwohnsitz nicht in einer Art und Weise genutzt werden kann, dass hierdurch Zweifel an der arbeitstäglichen Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat auftreten.

2. Rechtsfolgen bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft:

4. Entfällt die Grenzgängereigenschaft, beispielsweise weil die schädlichen Tage im maßgeblichen Zeitraum überschritten werden (siehe Pkt 3), entfällt die Anwendung von Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens (Grenzgängerregelung) und Artikel 15 Absätze 1 bis 3 des Abkommens finden wieder Anwendung.

5. Dies bedeutet, dass soweit die Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers oder im Staat, in dem der Arbeitgeber eine Betriebsstätte hat, welche die Vergütungen trägt, ausgeübt wird, der Tätigkeitsstaat nach Artikel 15 Absatz 1 Satz 2 des Abkommens das Besteuerungsrecht erhält. Soweit die Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers ausgeübt wird, verbleibt das Besteuerungsrecht nach Artikel 15 Absatz 1 Satz 1 des Abkommens im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers.

3. Schädlichkeitsregelung:

a. Allgemeines

6. Die Grenzgängereigenschaft im Sinne von Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens setzt voraus, dass die abgabepflichtige Person „täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt„. Kehrt ein Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnsitz zurück oder ist er ausnahmsweise an Arbeitsorten außerhalb der Grenzzone beschäftigt, so geht die Grenzgängereigenschaft nicht verloren,

a) wenn der Arbeitnehmer während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist und in dieser Zeit höchstens an 45 Arbeitstagen nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist, oder

b) falls der Arbeitnehmer nicht während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist – wenn die Tage der Nichtrückkehr oder der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone 20 % der tatsächlichen Werk- bzw. Arbeitstage im Rahmen des Arbeits-verhältnisses (der Arbeitsverhältnisse) während des Kalenderjahres nicht übersteigen, jedoch in keinem Fall mehr als 45 Tage betragen.

7. Ist der Arbeitnehmer in der Grenzzone des einen Staates ansässig und wird er im Ansässigkeitsstaat oder im anderen Staat außerhalb der Grenzzone oder in sog. Drittstaaten tätig, sind diese Tage als Tage der Nichtrückkehr zu werten, wenn sich der Arbeitnehmer dort an einem Arbeitstag überwiegend (d. h. mehr als die Hälfte der täglichen Arbeitszeit) aufhält. Solche Arbeitstage sind bei der Berechnung der Schädlichkeitsgrenze zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz gilt für alle Berufsgruppen.

b. Sonderfälle inkl. Heimarbeit (Home Office)

8. Überschreiten die Tage der Nichtrückkehr bei einem ganzjährig bestehenden Arbeits-verhältnis das Ausmaß von 45 Tagen, entfällt somit für das gesamte Jahr die Grenzgängereigenschaft. Hierbei zählen Krankheits- oder Urlaubstage sowie Elternkarenz bzw. Elternzeit nicht als Tage der Nichtrückkehr.

9. Sieht man von den Sonderfällen der Krankheit, des Urlaubs, der Elternkarenz bzw. Elternzeit und dergleichen ab, ist es unerheblich, aus welchen Gründen der tägliche Grenzübertritt nicht stattfindet. Auch Tage, an denen der Arbeitnehmer die Grenze deshalb nicht passiert, weil er im Rahmen eines Teleworking-Programms des Arbeitgebers die Möglichkeit hat, zu Hause seiner Arbeit nachzugehen (sog. Home-Office), sind Tage der Nichtrückkehr.

c. Teilzeitbeschäftigung

10. Bei Teilzeitbeschäftigten, die nur tageweise im anderen Staat beschäftigt sind, ist die Grenze der schädlichen Arbeitstage entsprechend der 20 %-Regelung in Tz. 6 bemessen auf die vereinbarten Arbeitstage zu ermitteln.

Beispiel 1:

B, wohnhaft in Deutschland innerhalb der Grenzzone, ist teilzeitbeschäftigt und arbeitet im ganzen Kalenderjahr lediglich zwei Tage pro Woche in Österreich innerhalb der Grenzzone. Im Zuge seiner Tätigkeit ist B an 17 Tagen aus dienstlichen Gründen in einem Drittstaat tätig.

Die tatsächlichen Arbeitstage im Kalenderjahr betragen:

a) 90 Tage.

b) 80 Tage.

Unschädlich sind

bei a) 18 Nichtrückkehrtage (90 x 20 % = 18 Tage)

bei b) 16 Nichtrückkehrtage (80 x 20 % = 16 Tage).

B ist im Fall a) Grenzgänger und im Fall b) kein Grenzgänger.

11. Bei Teilzeitbeschäftigten, die lediglich die tägliche Arbeitszeit reduzieren, nicht jedoch die Anzahl der Wochenarbeitstage im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten verringern, erfolgt keine Kürzung der 45-Tage-Grenze.

d. Mehrere Arbeitgeber

12. Hat der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in der Grenzzone des einen Staates und wird er im Laufe des Kalenderjahres im anderen Staat bei mehreren Arbeitgebern in der Grenzzone tätig, sind die anfallenden schädlichen Tage zusammenzurechnen und es ist eine Jahresbetrachtung vorzunehmen. Dabei werden mehrere Zeiträume innerhalb eines Kalenderjahres mit einer einheitlichen Berechnung ermittelt; es dürfen max. 45 schädliche Arbeitstage während des Kalenderjahres vorliegen.

e. Unterjähriger Zuzug / Wegzug

13. Bei Zuzug in die Grenzzone bzw. Wegzug aus der Grenzzone während des Kalenderjahres wird der jeweilige Zeitraum der Ansässigkeit in der Grenzzone des einen Staates bei gleichzeitiger Tätigkeit in der Grenzzone des anderen Staates betrachtet. In diesem Zeitraum sind daher ggf. anfallende schädliche Tage anteilig – 20 % der Arbeitstage im jeweiligen Zeitraum der Ansässigkeit in der Grenzzone des einen Staates bei gleichzeitiger Tätigkeit in der Grenzzone des anderen Staates, jedoch in keinem Fall mehr als 45 Tage – zu ermitteln.

Die Tage vor dem Zuzug in die Grenzzone oder nach dem Wegzug aus der Grenzzone sind unbeachtlich und gelten dabei insgesamt als nichtschädliche Tage.

14. Beispiel 2:

Grenzgängereigenschaft vom 12.05. bis zum 11.11. eines Kalenderjahres mit 120 tatsächlichen Arbeitstagen:

20 % von 120 tatsächlichen Arbeitstagen = 24 Arbeitstage als Obergrenze für schädliche Arbeitstage, die für den Erhalt der Grenzgängereigenschaft nicht überschritten werden darf. Dieser Wert überschreitet auch nicht den absoluten Wert von max. 45 Arbeitstagen.

Beispiel 3:

Der Arbeitnehmer ist in Deutschland ansässig, hat seinen Hauptwohnsitz in der Grenzzone in Deutschland und verrichtet seine Tätigkeit in der Grenzzone in Österreich. Damit ist der Grenzgänger-Tatbestand in diesem Zeitraum erfüllt. Verlegt nun der Arbeitnehmer während des Kalenderjahres seine Ansässigkeit von der Grenzzone seines bisherigen Ansässigkeitsstaates Deutschland in die Grenzzone Österreichs, stimmen Ansässigkeitsstaat und Tätigkeitsstaat überein. Die Grenzgängereigenschaft entfällt ab diesem Zeitpunkt. Die schädlichen Tage sind anteilig zu überprüfen. Die Tage nach Wegfall der Grenzgängereigenschaft stellen dabei keine schädlichen Arbeitstage dar.

Beispiel 4:

Der Arbeitnehmer mit Ansässigkeit in der deutschen Grenzzone arbeitet zunächst auch in der Grenzzone in Deutschland, also seinem Ansässigkeitsstaat. Dann nimmt er in der Grenzzone in Österreich ein Beschäftigungsverhältnis auf. Ab diesem Zeitpunkt ist der Grenzgänger-Tatbestand erfüllt. Die Arbeitstage vor Erfüllen des Grenzgänger-Tatbestandes, also der Arbeitsausübung in Deutschland, gelten als nicht schädliche Arbeitstage.

f. Schichtdienst

15. Bei Schichtdienst, der an einem Kalendertag beginnt und am nächsten Kalendertag endet, (z. B. 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr am Folgetag) entsteht hierdurch kein weiterer schädlicher Kalendertag im Sinne der Schädlichkeitsregelung. Entsprechendes gilt auch bei Bereitschaftsdiensten, wenn die Bereitschaft am Arbeitsort abgeleistet wird.

4. Besonderheiten betreffend bestimmte Berufsgruppen

a. Für Berufskraftfahrer gilt:

16. Verlässt ein als Berufskraftfahrer tätiger Grenzgänger in Ausübung seiner Berufstätigkeit im Zuge einer Tagestour (ein- oder mehrmals) die Grenzzone von 30 km, so ist eine Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nur anzunehmen, wenn sich der Berufskraftfahrer während der Tagestour überwiegend (d. h. mehr als die Hälfte der täglichen Arbeitszeit) außerhalb der Grenzzone des Tätigkeitsstaates aufhält. Arbeitstage mit überwiegendem Aufenthalt außerhalb der Grenzzone sind in die 45-Tage-Grenze, die für die Beibehaltung der Grenzgängereigenschaft maßgeblich ist, einzubeziehen. Arbeitstage mit überwiegendem Aufenthalt innerhalb der Grenzzone des Tätigkeitsstaates bleiben für die Berechnung der 45-Tage-Grenze außer Ansatz.

b. Für Ärzte gilt:

17. Das Besteuerungsrecht für Arbeitslohnzahlungen an in der Grenzzone Deutschlands ansässige Ärzte, die mit Kliniken in der Grenzzone Österreichs Arbeitsverträge haben und dort ihre Tätigkeit ausüben, steht aufgrund der Grenzgängerregelung im Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens Deutschland zu.

18. Neben den Lohnzahlungen werden sog. Sonderklassegebühren gezahlt. Deutschland sieht diese Sonderklassegebühren aufgrund der abgeschlossenen Verträge als Arbeitslohnzahlungen an. Die österreichische Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich bei den Sonderklassegebühren, soweit diese Entgelte nicht von einer Krankenanstalt im eigenen Namen vereinnahmt werden, um Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt.

19. Sofern eine feste Einrichtung in Österreich fehlt, steht sowohl nach Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens als auch nach Artikel 14 des Abkommens Deutschland das Besteuerungsrecht für diese Zahlungen zu. Liegt hingegen eine feste Geschäftseinrichtung vor, besteuert Österreich die Sonderklassegebühren nach Artikel 14 Absatz 1 des Abkommens als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Deutschland besteuert nach Artikel 15 Absatz 6 des Abkommens.

20. Aufgrund der in Nummer 16 des Protokolls zum Abkommen enthaltenen Maßgeblichkeit des OECD-Musterkommentars zur Auslegung des Abkommens, ist bei einem positiven Qualifikationskonflikt, der aus der Anwendung des nationalen Rechts resultiert, der Qualifikation des Quellenstaates zu folgen (vgl. Tz. 32.1 zu Artikel 23 OECD-Musterkommentar und Tz. 8.4 zu Artikel 15 OECD-Musterkommentar). Im Fall der Sonderklassegebühren wird somit die Doppelbesteuerung in analoger Anwendung des Artikels 28 Absatz 1 lit. a des Abkommens im Ansässigkeitsstaat, in diesem Fall Deutschland, durch Anrechnung gelöst.

21. Sind in Österreich ansässige Ärzte in Kliniken in Deutschland beschäftigt und gelangt die Grenzgängerregelung des Artikels 15 Absatz 6 des Abkommens zur Anwendung, so verbleibt das Besteuerungsrecht an den Vergütungen in Österreich. Sonderklassegebühren wären nach österreichischer Auffassung grundsätzlich in Deutschland zu besteuern, sofern dort eine feste Einrichtung zur Ausübung der Tätigkeit besteht. Sollte Deutschland die Sonderklassegebühren als Arbeitslohnzahlungen ansehen und aufgrund der Grenzgängerregelung nicht besteuern, werden die Vergütungen also aufgrund der durch das maßgebliche innerstaatliche Recht Deutschlands gebotenen Anwendung des Abkommens nicht im Tätigkeitsstaat besteuert (negativer Qualifikationskonflikt), können diese Vergütungen gemäß Artikel 28 Absatz 1 lit. a des Abkommens im Ansässigkeitsstaat, in diesem Fall Österreich, besteuert werden.

Wien, den 9. April 2019 – Dr. Sabine Schmidjell-Dommes, Bundesministerium für Finanzen, Wien

Berlin, den 4. April 2019 – Silke Bruns, Bundesministerium der Finanzen, Berlin“

Das BMF-Schreiben vom 30. Januar 1987, BStBl I 1987, 191, wird aufgehoben und durch dieses Schreiben ersetzt. Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben IV B 3 – S-1301-AUT / 07 / 10015-02 vom 18.04.2019

Randzeitenbetreuung in Kita sozialversicherungsfrei

Die Stadt Köln muss keine Sozialabgaben für Tagesmutter in der Randzeitenbetreuung tragen.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem jüngst rechtskräftig gewordenen Urteil vom 19.09.2018 festgestellt, dass eine Tätigkeit als Tagespflegerin in der Randzeitenbetreuung nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt (Az. L 8 R 800/16).

Die klagende Kommune betreibt eine Kindertagesstätte. Im Rahmen eines Pilotprojektes bot sie über die Kinderbetreuung in der Kita hinaus eine sog. Randzeitenbetreuung in Form der Kindertagespflege gem. § 22 SGB VIII an und erteilte der beigeladenen Tagespflegeperson eine Erlaubnis für die gleichzeitige Betreuung von maximal fünf Kindern in den Räumen der städtischen Kindertagesstätte. Deren Betreuung erfolgte auf der Grundlage einer „Verbindlichen Erklärung“ zu dem zusätzlichen, über die Öffnungszeiten der Kita hinausgehenden Betreuungsbedarf, die von der Beigeladenen und den Erziehungsberechtigten unterzeichnet wurde. Vertragliche Vereinbarungen zwischen diesen und der Klägerin bestanden insoweit nicht.

Der beklagte Rentenversicherungsträger und nachfolgend das Sozialgericht Köln nahmen eine Versicherungspflicht der Tagespflegerin in allen Zweigen der Sozialversicherung an. Deren Entscheidungen hat das LSG nun korrigiert.

In der Gesamtabwägung überwögen in diesem Einzelfall deutlich die Gesichtspunkte für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und damit der Versicherungsfreiheit in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung, zumal sich die gesetzlich ausdrücklich hervorgehobenen Kriterien für eine abhängige Beschäftigung, Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation, auch nach der Beweisaufnahme nicht feststellen ließen. Insbesondere habe die Beigeladene mit der Klägerin einen Dienstvertrag ohne arbeitsvertragstypische Regelungen geschlossen, der auch so praktiziert worden sei. Zudem seien die beiden Bereiche des dualen Betreuungssystems (Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege) hier weder inhaltlich noch personell verzahnt.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 15.04.2019 zum Urteil L 8 R 800/16 vom 19.09.2018

Miniatur-Bullterrier kein gefährlicher Hund im Sinne des Gesetzes

Das Verwaltungsgericht Halle hatte zu entscheiden, ob ein Miniatur-Bullterrier als gefährlicher Hund im Sinne des Hundegesetzes Sachsen-Anhalt gilt. Die Behörde hatte dem Halter eines Miniatur-Bullterriers aufgegeben, einen Wesenstest zu dessen Sozialverträglichkeit nachzuweisen, weil dieser als sog. Listenhund nach dem Gesetz als gefährlich gelte. Hiergegen wendet sich der Kläger.

Nach dem Hundegesetz Sachsen-Anhalt müssen als gefährlich geltende Hunde um gehalten werden zu dürfen, einen sog. Wesenstest bestehen. Als gefährlich gelten u. a. Hunde, die aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit als gefährlich vom Gesetzgeber eingestuft wurden. Hierzu zählen u. a. der Bullterrier, nicht aber der Miniatur-Bullterrier, der heute als eigene Rasse anerkannt ist. In der Verordnung des Innenministeriums zum Hundegesetz Sachsen-Anhalt wird in der Anlage 6 zu § 4a der Miniatur-Bullterrier dem Bullterrier indes gleichgestellt, sodass er deshalb von den Behörden allein aufgrund seiner Rasse ebenfalls als gefährlicher Hund behandelt wird.

Das Gericht hat dem Kläger Recht gegeben und durch Urteil vom 21. März 2019 entschieden, dass der Miniatur-Bullterrier des Klägers nicht als gefährlicher Hund im Sinne des Hundegesetzes Sachsen-Anhalt gilt. Soweit diese Rasse in der Hundeverordnung des Landes Sachsen-Anhalt der Bullterrierrasse gleichgestellt wird, sei dies rechtswidrig. Die entsprechende Anlage 6 in der Verordnung sei nichtig, weil der Verordnungsgeber zu einer solchen Regelung nicht ermächtigt sei, die Vorgaben des Gesetzes nicht eingehalten habe und die maßgebliche Regelung überdies missverständlich und damit nicht hinreichend bestimmt sei. Zudem sei das vom Bundesverfassungsgericht vorgebende Beobachtungsgebot nicht eingehalten.

Das Gericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen, weil eine andere Kammer des Verwaltungsgerichtes Halle im Januar 2019 entschieden hatte, dass der Halter eines Miniatur-Bullterriers wegen dessen Gefährlichkeit aufgrund seiner Rasse erhöhte Hundesteuer zahlen muss.

Quelle: VG Halle, Pressemitteilung vom 17.04.2019 zum Urteil 1 A 241/16 HAL vom 21.03.2019

Tariflicher Zuschlag – Ostersonntag ist ein hoher Feiertag

Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Backwarenindustrie beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Betriebe und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, die Betriebe der Großbäckereien und die Betriebe des Brot- und Backwarenvertriebs für das Land Nordrhein-Westfalen (MTV) Anwendung. In § 4 MTV waren folgende Zuschläge vorgesehen. Arbeit an Sonntagen: unter 3 Stunden 75 % (1,75-faches Entgelt je Stunde), mehr als drei Stunden 50 % (1,5-faches Entgelt je Stunde); Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen 150 % (2,5-faches Entgelt je Stunde); Arbeit an hohen Feiertagen (Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten) 200 % (3-faches Entgelt je Stunde). Bis einschließlich 2016 zahlte die Arbeitgeberin für Oster- und Pfingstsonntag den Zuschlag in Höhe von 200 %. Im Jahr 2017 informierte sie die Mitarbeiter, dass für diese Tage nur noch Sonntagszuschläge gezahlt würden, weil es sich bei diesen Tagen nicht um gesetzliche Feiertage handele. Der Kläger arbeitete am Ostersonntag 2017. Er begehrt mit seiner Klage 282,56 Euro weitere Feiertagsvergütung, die der Differenz zwischen Sonntagszuschlag und dem Zuschlag in Höhe von 200 % entspricht, sowie die Feststellung, dass die Arbeitgeberin Oster- und Pfingstsonntag jeden Jahres als Arbeit an hohen Feiertagen mit 200 % Zuschlag zu vergüten habe.

Die Klage hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Auch wenn Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag ist, handelt es sich um einen hohen Feiertag im Sinne von § 4 MTV. Dies ergibt die Auslegung. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff hoher Feiertag zumindest die hohen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten in Gänze und damit unter Einbezug von Oster- und Pfingstsonntag. Der Klammerzusatz in § 4 MTV definiert die hohen Feiertage u. a. als Ostern und Pfingsten. Diese Feste umfassen den Oster- und Pfingstsonntag. Auch der erkennbare Sinn und Zweck spricht für eine Zahlung des erhöhten Zuschlages für Arbeit an Oster- und Pfingstsonntagen. Die Arbeitnehmer sollen für die besondere Belastung entschädigt werden, die sich daraus ergibt, dass sie bestimmte als besonders wichtig erachtete Tage nicht frei bestimmt – insbesondere im Kreise der Familie – verbringen können, sondern stattdessen Arbeitsleistungen erbringen müssen. Diese Beeinträchtigung liegt am Ostersonntag mindestens in gleicher Weise – wenn nicht sogar stärker – vor wie am Ostermontag. Entsprechendes gilt für Pfingstsonntag.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 18.04.2019 zum Urteil 6 Sa 996/18 vom 22.02.2019

Zeitgrenzen bei kurzfristiger Beschäftigung

Die „dauerhafte Entfristung der 70-Tage-Regelung bei kurzfristiger Beschäftigung“ ist Thema der Antwort der Bundesregierung ( 19/9176 ) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ( 19/8653 ). Danach stellt die Möglichkeit, saisonale Arbeitskräfte für drei Monate ohne aufwendigen Personalwechsel kurzfristig beschäftigen zu können, für viele Betriebe eine Entlastung dar. Das gelte insbesondere „im Sonderkulturbereich der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe, da Saisonarbeit in diesen Bereichen einen besonders hohen Stellenwert hat“.

In der Antwort verweist die Bundesregierung zugleich auf Beschlussempfehlung und Bericht zum Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 2. Juli 2014, „wonach die zeitlichen Grenzen der kurzfristigen Beschäftigung übergangsweise eingeführt wurden, damit dies nicht zu einer generellen Ausweitung der versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung führt'“. Seit Einführung dieser Übergangsregelung zum 1. Januar 2015 seien jedoch keine sozialpolitisch bedenklichen Entwicklungen festgestellt worden, die einer Entfristung der erhöhten Zeitgrenzen entgegenstehen würden. Die Anzahl der kurzfristigen Beschäftigungen habe sich in diesem Zeitraum kaum verändert. Vor diesem Hintergrund habe sie sich „für eine dauerhafte Anhebung der Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung auf drei Monate oder 70 Arbeitstage entschieden“, führt die Bundesregierung weiter aus.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 446/2019