Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags

Voraussetzungen für die Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG und eines unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 UStG

Weist der leistende Unternehmer oder der von ihm beauftragte Dritte in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als der leistende Unternehmer nach den Vorschriften des UStG für die zugrunde liegende Leistung schuldet, schuldet der leistende Unternehmer nach § 14c Abs. 1 UStG auch den Mehrbetrag. Berichtigt der leistende Unternehmer oder der von ihm beauftragte Dritte den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist für die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags gegenüber der Finanzverwaltung grundsätzlich Voraussetzung, dass der Mehrbetrag an den Leistungsempfänger zurückgezahlt worden ist.

Mit Urteil vom 18. September 2008, V R 56/06, BStBl 2009 II S. 250, hat der BFH unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass sich in Fällen, in denen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger die vollständige oder teilweise Rückzahlung des bereits entrichteten Entgelts vereinbaren, die Bemessungsgrundlage i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur insoweit mindert, als das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird, und die Berichtigung für den Besteuerungszeitraum der Rückgewähr vorzunehmen ist. Diese Rechtsprechung beruht maßgeblich darauf, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Solleinnahme zwar zunächst die Bemessungsgrundlage bildet, für eine Sollbesteuerung aber kein Raum bleibt, soweit der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer das „Soll“-Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch (bloße) Vereinbarung einer „Entgeltsminderung“, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts. Diese Grundsätze sind auch im Zusammenhang mit der Berichtigung von unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG zu beachten.

In Fällen, in denen unberechtigt i. S. des § 14c Abs. 2 UStG Steuer ausgewiesen wurde, erfolgt die Berichtigung des geschuldeten Betrags wie bisher nach § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG. Anstelle einer Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags kommt es in diesen Fällen also auf die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens an.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 4. September 2015 – III C 2 – S-7241 / 15 / 10001 (2015/0754558), BStBl I S. 738, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. Abschnitt 14c.1 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 5 Satz 4 wie folgt gefasst:

4Wurde ein zu hoch ausgewiesener Rechnungsbetrag bereits vereinnahmt und steht dem Leistungsempfänger aus der Rechnungsberichtigung ein Rückforderungsanspruch zu, ist die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags erst nach einer entsprechenden Rückzahlung an den Leistungsempfänger zulässig (vgl. BFH-Urteile vom 18. 9. 2008, V R 56/06, BStBl 2009 II S. 250, und vom 2. 9. 2010, V R 34/09, BStBl 2011 II S. 991).“

b) In Absatz 5 wird das Beispiel wie folgt gefasst:

„Beispiel:
1Ein Unternehmer berechnet für eine Lieferung die Umsatzsteuer mit 19 %, obwohl hierfür nach § 12 Abs. 2 UStG nur 7 % geschuldet werden.

Entgelt 1 000,- Euro
+ 19 % Umsatzsteuer 190,- Euro
Rechnungsbetrag 1 190,- Euro

2Wird der Rechnungsbetrag um die zu hoch ausgewiesene Steuer herabgesetzt, ergibt sich folgende berichtigte Rechnung:

Entgelt 1 000,- Euro
+ 7 % Umsatzsteuer 70,- Euro
Rechnungsbetrag 1 070,- Euro

3Diese berichtigte Rechnung ist für Zwecke der Berichtigung des Steuerbetrags nur anzuerkennen, soweit der leistende Unternehmer vom bereits vereinnahmten Rechnungsbetrag den Differenzbetrag in Höhe von 120 Euro (= 1 190 Euro – 1 070 Euro) an den Leistungsempfänger zurück gewährt.

4Bleibt der Rechnungsbetrag in der berichtigten Rechnung unverändert, ergibt sich die richtige Steuer durch Herausrechnen aus dem bisherigen Rechnungsbetrag:

Rechnungsbetrag mit Steuer 1 190,- Euro
darin enthaltene Steuer auf der Grundlage des ermäßigten Steuersatzes von 7 % = 7/107 77,85 Euro
Rechnungsbetrag ohne Steuer 1 112,15 Euro
Berichtigte Rechnung:
Entgelt 1 112,15 Euro
+ 7 % Umsatzsteuer 77,85 Euro
Rechnungsbetrag 1 190,- Euro

5Diese Rechnungsberichtigung ist für Zwecke der Berichtigung des Steuerbetrags auch ohne Rückgewähr des Entgelts anzuerkennen.“

2. In Abschnitt 14c.2 Abs. 3 wird nach Satz 5 folgender Satz 6 angefügt:

6Die nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG erforderliche Zustimmung ist nicht von einer Rückzahlung eines vereinnahmten Betrags durch den Steuerschuldner an den Belegempfänger abhängig.“

3. Abschnitt 17.1 Abs. 10 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Die Berichtigung der wegen unrichtigen Steuerausweises geschuldeten Umsatzsteuer ist in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sowohl eine Rechnung mit geändertem Steuerausweis erteilt als auch bei Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs der zu hoch ausgewiesene Rechnungsbetrag an den Leistungsempfänger zurückgezahlt wurde (vgl. Abschnitt 14c.1 Abs. 5).“

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7282 / 13 / 10001 vom 07.10.2015

 

Zur umsatzsteuerrechtlichen Anerkennung einer privaten Arbeitsvermittlerin als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter

Mit Urteil vom 29. Juli 2015 hat der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass eine private Arbeitsvermittlerin Vermittlungsleistungen gegenüber Arbeitsuchenden mit einem sog. Vermittlungsgutschein umsatzsteuerfrei erbringen kann.

Die Klägerin war in den Streitjahren 2004 bis 2006 als private Arbeitsvermittlerin für Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) tätig und erhielt ihr Honorar aufgrund der Vermittlungsgutscheine unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Das Finanzamt behandelte die Vermittlungsleistungen als umsatzsteuerpflichtig. Die Klägerin sei nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG anerkannt; dies sei aber Voraussetzung für eine Steuerbefreiung. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt. Die Klägerin könne sich unmittelbar auf das Unionsrecht berufen. Sie erbringe Leistungen im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (dort Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g) und sei auch als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter i. S. dieser Bestimmung anerkannt. Dies ergebe sich in den Streitjahren, in denen die private Arbeitsvermittlung ohne eine zuvor von der BA erteilte Erlaubnis zulässig war, aus der sich aus dem SGB III ergebenden Kostenübernahme durch die BA.

Offengelassen hat der BFH, ob dieses Ergebnis auch für die Zeit ab dem 1. April 2012 gilt. Seitdem bedürfen auch private Arbeitsvermittler (wieder) einer Zulassung (§ 176 SGB III).

Eine Steuerbefreiung auf nationaler Ebene wurde für Leistungen nach dem SGB III erst mit Wirkung vom 1. Januar 2015 in § 4 Nr. 15b des Umsatzsteuergesetzes eingeführt.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 69/15 vom 07.10.2015 zum Urteil XI R 35/13 vom 29.07.2015

 

Abgeltungsteuer: Regelbesteuerung für Ausschüttungen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften erfordert keinen maßgeblichen Einfluss auf die Kapitalgesellschaft

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 25. August 2015 VIII R 3/14 entschieden, dass Ausschüttungen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auf Antrag nach der tariflichen Einkommensteuer besteuert werden können, auch wenn der Steuerpflichtige als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft (mindestens zu 1 %) aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung derselben ausüben kann.

Die Klägerin war zu 5 % an einer GmbH beteiligt und dort als Assistentin der Geschäftsleitung sowie im Bereich der Lohn- und Finanzbuchhaltung beruflich tätig. Aus ihrer Beteiligung an der GmbH erzielte sie Kapitalerträge, die mit dem Abgeltungsteuersatz in Höhe von 25 % besteuert wurden. In ihrer Einkommensteuererklärung stellte sie den Antrag auf Besteuerung nach der niedrigeren tariflichen Einkommensteuer (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes), da sie an der GmbH zumindest 1 % beteiligt und für diese beruflich tätig war. Das Finanzamt lehnte dies ab: Für diese Option sei ein maßgeblicher Einfluss des Anteilseigners auf die Kapitalgesellschaft erforderlich.

Der BFH gab, wie zuvor schon das Finanzgericht, der Klägerin Recht. Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ergeben sich weder qualitative noch quantitative Anforderungen an die berufliche Tätigkeit des Anteilseigners für die Kapitalgesellschaft. Ein maßgeblicher Einfluss des Anteilseigners auf die Kapitalgesellschaft sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der BFH hält weiter auch die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass eine nur untergeordnete berufliche Tätigkeit nicht für das Antragsrecht ausreiche, für rechtlich zweifelhaft. Im Urteilsfall kam es darauf allerdings nicht an, weil die berufliche Tätigkeit der Klägerin für die GmbH nicht von untergeordneter Bedeutung war.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 68/15 vom 07.10.2015 zum Urteil VIII R 3/14 vom 25.08.2015

 

Steuertransparenz: Einigung der Mitgliedstaaten auf automatischen Informationsaustausch über Steuervorbescheide

Die Kommission begrüßte die einvernehmliche Festlegung der Mitgliedstaaten auf einen automatischen Informationsaustausch über Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung nur sieben Monate, nachdem die Kommission hierzu einen ambitionierten Vorschlag vorgelegt hatte.

Die neuen Bestimmungen sollen zu einer besseren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Steuersachen führen und die Nutzung von Steuervorbescheiden missbräuchlicher Steuergestaltung erschweren. Alle Mitgliedstaaten werden die für den Schutz ihrer Steuerbasis notwendigen Informationen erhalten und jene Unternehmen ausmachen können, die versuchen, sich der Zahlung des eigentlich von ihnen geschuldeten Steueranteils zu entziehen. Die Einigung kam auf einer Tagung des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister in Luxemburg zustande.

Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, begrüßte die Einigung unmittelbar nach ihrer Bekanntgabe nachdrücklich als einen „großen Schritt nach vorne. Der automatische Informationsaustausch über Steuervorbescheide wird es den nationalen Behörden ermöglichen, aggressive Steuerplanung schon im Voraus zu erkennen. Damit sind wir mit unseren Bemühungen um mehr Koordinierung und Harmonisierung in Steuerfragen jetzt deutlich weiter. Das gegenwärtige Körperschaftsteuersystem ist ungerecht und zweckfremd. Unzählige nationale Vorschriften führen dazu, dass einige Unternehmen profitieren und andere das Nachsehen haben. Eine solche Bevorteilung Einzelner widerspricht dem Grundsatz fairen Wettbewerbs in unserem Binnenmarkt.“

Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll erklärte hierzu: „Alle EU-Mitgliedstaaten haben sich heute darauf geeinigt, mehr Informationen über Steuervorbescheide an grenzübergreifend tätige Unternehmen auszutauschen. Für die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist das ein großer Schritt vorwärts, der zu mehr Transparenz bei der Körperschaftsteuer führt und für einen faireren Wettbewerb zum Nutzen der Unternehmen und Verbraucher sorgt. Mit ihrer heutigen Einigung haben die Mitgliedstaaten ein deutliches Signal gesetzt, dass sie gewillt sind, unser gemeinsames Ziel einer fairen und effizienten Besteuerung zu verwirklichen. Die EU wird sich weiter für eine weltweite Umsetzung dieser Transparenzregeln einsetzen.“

Was sind die Kernpunkte der neuen Bestimmungen?
Die Mitgliedstaaten tauschen zurzeit nur in sehr begrenztem Umfang Informationen über Steuervorbescheide aus. Jeder Mitgliedstaat entscheidet nach eigenem Ermessen, ob ein Steuervorbescheid für einen anderen Mitgliedstaat von Belang sein könnte. Infolgedessen wissen die Mitgliedstaaten oft nicht, dass anderenorts in der EU ein Steuervorbescheid erteilt worden ist, der sich auf ihre eigene Steuerbasis auswirken könnte. Manche Unternehmen machen sich diesen Mangel an Transparenz zunutze, um ihren Steueranteil zu kürzen.

Um hier Abhilfe zu schaffen, werden die Mitgliedstaaten mit den neuen Regeln verpflichtet, automatisch Informationen über ihre Steuervorbescheide auszutauschen. Mit der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten nicht länger nach freiem Ermessen über Inhalt, Zeitpunkt und Adressat der Informationsweitergabe entscheiden können.

Die Steuervorbescheide – deren Definition möglichst breit angelegt ist, um alle ähnlichen Instrumente unabhängig von der tatsächlichen Höhe eines Steuervorteils zu erfassen – sind alle sechs Monate auszutauschen. Die Einigung erstreckt sich ebenfalls auf alle in den letzten fünf Jahren ergangenen Vorbescheide. Die Mitgliedstaaten können dann zu einem Steuervorbescheid, der für sie von Belang sein könnte, nähere Einzelheiten anfordern.

Mit Hilfe des automatischen Informationsaustauschs über Steuervorbescheide werden die Mitgliedstaaten bestimmte Formen missbräuchlicher Steuergestaltung leichter feststellen und dagegen vorgehen können. Dank der damit verbundenen gegenseitigen Kontrollen dürfte es den Steuerbehörden künftig schwerer fallen, einzelnen Unternehmen eine steuerliche Vorzugsbehandlung anzubieten. Davon verspricht sich die EU einen gesünderen Steuerwettbewerb.

Darüber hinaus wird die Kommission regelmäßig Angaben erhalten, mit deren Hilfe sie die Umsetzung dieser Richtlinie verfolgen und gewährleisten kann, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen.

Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorschriften vor Ende 2016 umsetzen, so dass die Richtlinie ab 1. Januar 2017 angewendet werden kann.

Weitere Informationen zum Steuertransparenzpaket vom 18. März 2015 (IP/2015/4610) finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 06.10.2015

 

Grundsteuererhöhung in der Stadt Rüsselsheim ist rechtens

Die unter anderem für kommunale Steuern zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt hat in einem nunmehr zugestellten Urteil vom 15.09.2015 die Klage eines Grundstückseigentümers in der Stadt Rüsselsheim gegen die Erhöhung der Grundsteuer B für das Jahr 2013 von 400 v. H. auf 800 v. H. des Steuermessbetrages abgewiesen.

In der Begründung führt die Kammer unter anderem aus, die Prüfung der Rechtmäßigkeit des kommunalen Satzungsrechts unterliege aufgrund des im Grundgesetz den Gemeinden eingeräumten Grundsteuererhebungsrechts lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob die gesetzlichen Grenzen dieses Rechts sowie das verfassungsrechtliche Willkürverbot eingehalten worden seien. Dies sei vorliegend zu bejahen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei zunächst nicht zu prüfen, ob ein Verstoß gegen § 93 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung vorliege, wonach die Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen grundsätzlich zunächst aus den Entgelten für ihre Leistungen und erst im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hätten. Insbesondere vermittle diese Vorschrift dem einzelnen Bürger kein „subjektives Recht“ auf Einhaltung dieses Grundsatzes. Dies sei vielmehr allein Sache der kommunalen Aufsichtsbehörden.

Die Grundsteuererhöhung verstoße auch nicht gegen das aus dem Sozialstaatsprinzip folgende Gebot sozialer Steuerpolitik und dem hieraus herzuleitenden „Erdrosselungsverbot“. Denn eine „erdrosselnde Wirkung“ einer Steuer sei erst dann anzunehmen, wenn nicht nur ein einzelner Steuerpflichtiger, sondern die Steuerpflichtigen allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen könnten. Vorliegend seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Grundstücksbesitzer durch die Steuererhöhung an der Grenze ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angelangt seien. Insbesondere sei in der Gemeinde kein einziger Antrag auf Erlass der Grundsteuer gestellt worden, was grundsätzlich möglich sei, um eventuell vorhandene ungerechtfertigte Härten abzumildern. Auch eine wirtschaftliche Entwertung des Eigentums durch die Grundsteuererhöhung sei im Falle des Klägers bei einer aktuellen monatlichen Grundsteuerbelastung von ca. 56 Euro nicht ersichtlich.

Weiter sei die Erhöhung des Hebesatzes auch nicht willkürlich. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn die durch die Steuererhöhung erzielten Mehreinnahmen von der Kommune nicht zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben, sondern etwa zur Kapitalbildung genutzt würden. Hiervon könne angesichts der defizitären Haushaltslage der Beklagten nicht ausgegangen werden, vielmehr benötige diese die Mehreinnahmen dringend zur Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben.

Auch sei auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht erkennbar. Insbesondere liege der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung der Grundstückseigentümer gegenüber den übrigen Bürgern der Stadt Rüsselsheim gerade darin, dass Erstere über Grundeigentum verfügten.

Schließlich sei es auch weder Aufgabe des Gerichts noch des Steuerzahlers, die kommunale Ausgabenpolitik, die nach Auffassung des Klägers zu der aktuellen Haushaltslage geführt habe, zu beurteilen, zumal im Rahmen der Steuererhebung die Frage eines Verschuldens unerheblich sei.

Gegen das Urteil kann der Kläger binnen eines Monats die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.

Quelle: VG Darmstadt, Pressemitteilung vom 02.10.2015 zum Urteil 4 K 1659/13 vom 15.09.2015

 

OECD veröffentlicht Ergebnisse des BEPS-Projekts gegen aggressive Steuergestaltung internationaler Konzerne

Die OECD hat am 5. Oktober 2015 die Ergebnisse des BEPS-Projekts veröffentlicht. Sie sollen am 8. Oktober 2015 von den G20-Finanzministern und Notenbankgouverneuren bei ihrem Treffen in Lima gebilligt werden. Mit dem BEPS-Projekt gehen OECD, G20 und Entwicklungsländer gemeinsam gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen international agierender Konzerne („Base Erosion and Profit Shifting“ – BEPS) vor.

Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble:
„Die internationale Zusammenarbeit in der Steuerpolitik hat mit dem Abschluss des BEPS-Projekts einen Meilenstein erreicht. Ich danke der OECD für ihre Leistung bei dieser hochkomplexen Thematik. Die G20 sind gut daran beraten, diese Ergebnisse jetzt anzunehmen und umzusetzen. Dafür werde ich in Lima werben. Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuervermeidung zahlt sich für uns alle aus.“

Beim BEPS-Prozess handelt sich um das bislang anspruchsvollste und weitreichendste Vorhaben der internationalen Steuerpolitik. Auf der Grundlage eines Aktionsplans mit 15 Handlungsfeldern wurden innerhalb von zwei Jahren konkrete Empfehlungen gegen schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und gegen aggressive Steuerplanung international tätiger Unternehmen erarbeitet.

Die Bundesregierung hat diesen Prozess von Anfang an nachdrücklich unterstützt. Unfairer Steuerwettbewerb und aggressive Steuerplanung führen nicht nur zu Steuerausfällen, sondern schaden auch der Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Unternehmen, die derartige Gestaltungen nicht einsetzen. Dem tritt die internationale Staatengemeinschaft jetzt mit einem umfassenden Maßnahmenpaket entgegen.

Der erfolgreiche Abschluss des BEPS-Projekts verdeutlicht den hohen Grad an Kooperation, der in der internationalen Steuerpolitik erreicht worden ist. Im Ergebnis haben sich 62 Staaten auf ein gemeinsames Handeln verständigt. Neben den Staaten der OECD und G20 waren auch Entwicklungsländer an der Erarbeitung des Maßnahmenpakets beteiligt. Zudem wirkten internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Europäische Union mit.

Die Bundesregierung wird sich auch künftig dafür einsetzen, dass der internationale Konsens bei der Lösung steuerlicher Herausforderungen bewahrt wird. Nur wenn sich die Staaten bei der Ausgestaltung ihrer Steuersysteme eng abstimmen, können Verwerfungen zwischen den Steuerrechtsordnungen und unerwünschte Gestaltungsanreize vermieden werden. Das BEPS-Projekt zeigt, dass dabei konkrete Ergebnisse erreichbar sind.

Konkrete Informationen zum BEPS-Projekt können auf der neu freigeschalteten Website des BMF www.bepsite.de abgerufen werden.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 05.10.2015

 

Steuervermeidung durch internationale Konzerne – Gesamteuropäische Lösung gefordert

Aggressive Steuerplanung und die Verschiebung der Besteuerungsbasis durch internationale Konzerne (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) erodieren die Unternehmenssteuern in Europa, verzerren den Wettbewerb und verlagern die Steuerlast auf KMUs und Privatpersonen. Doch trotz aller negativen Folgen warnt der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV), Harald Elster, anlässlich des 38. Deutschen Steuerberatertags in Wien vor Überregulierung bei der Bekämpfung und fordert ein gesamteuropäisches Vorgehen.

Der Sonderausschuss zu Steuervorbescheiden des Europäischen Parlaments schlägt in seinem Berichtsentwurf wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der BEPS-Problematik vor. Elster dämpft jedoch die Erwartungen an die Macht der EU: Ein Mandat für gesetzliche Regelungen im Bereich der direkten Steuern habe die EU nicht, die daher benötigte Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten sei nahezu unmöglich zu erreichen. Die Beseitigung von Unstimmigkeiten zwischen den Steuersystemen, die den Nährboden für BEPS liefern, müsse daher nach Elster in enger Abstimmung zwischen den Staaten und mit einem gemeinsamen Vorgehen angegangen werden.

Den Alternativplänen der EU-Kommission zu einer erhöhten Steuertransparenz im Unternehmenssteuerbereich erteilt Elster eine Abfuhr: Bloße Informationen über Steuerzahlungen würden Unternehmen nicht zu höheren Abgaben bewegen. Moralische Ansprüche, unklare Rechtsbegriffe und Forderungen an Unternehmen, ihren fairen Beitrag zu leisten, seien fehl am Platz. Unsicherheit, Überregulierung und Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen wären die Folgen. Es bedürfe klarer verbindlicher Regelungen.

Die Forderung des DStV lautet daher auch bei der Bekämpfung aggressiver Steuerplanung: Das Steuerrecht muss auf eindeutigen gesetzlichen Grundlagen fußen!

Quelle: DStV, Pressemitteilung vom 05.10.2015

 

Muster der Vordrucke im USt-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2016

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

(1) Im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren werden für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2016 die beiliegenden Vordruckmuster eingeführt:

USt 1 A Umsatzsteuer-Voranmeldung 2016
– USt 1 H Antrag auf Dauerfristverlängerung und
Anmeldung der Sondervorauszahlung 2016
– USt 1 E Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2016

(2) Die Änderungen in den beiliegenden Vordruckmustern gegenüber den Mustern des Vorjahres dienen der zeitlichen Anpassung oder sind redaktioneller oder drucktechnischer Art.

(3) Die Vordruckmuster USt 1 A und USt 1 H sind im Aufbau und insbesondere im Kopf- und Verfügungsteil – soweit sachlich möglich – mit dem Vordruckmuster der Lohnsteuer-Anmeldung abgestimmt. Steueranmeldungsvordrucke sollen einheitlich sein, deshalb sind die Vordrucke auf der Grundlage der unveränderten Vordruckmuster (Absatz 1) herzustellen.

(4) Folgende Abweichungen sind zulässig:

1. Die im Kopfteil der Vordruckmuster USt 1 A und USt 1 H eingedruckte Schlüsselzeile für die Bearbeitung im automatisierten Steuerfestsetzungsverfahren (RPFEST) kann geändert werden, wenn dies aus organisatorischen Gründen unvermeidbar ist.

2. Soweit die in den Vordruckmustern enthaltenen Kennzahlen (z. B. im Verfügungsteil) und die im Ankreuzschema enthaltene Jahreszahl „16“ für die Datenerfassung nicht benötigt werden, können sie mit Rasterungen versehen werden.

In den Fällen der Abweichung soll auf der Vorderseite der Vordruckmuster USt 1 A und USt 1 H unten rechts das jeweilige Bundesland angegeben werden. Anderenfalls soll diese Angabe unterbleiben.

(5) Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 2016 sowie der Antrag auf Dauerfristverlängerung/ die Anmeldung der Sondervorauszahlung 2016 sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung authentifiziert zu übermitteln (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG und § 48 Abs. 1 Satz 2 UStDV). Informationen hierzu sind unter der Internet-Adresse www.elster.de erhältlich.

Das Schreiben mit den Vordruckmustern finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7344 / 15 / 10002 vom 02.10.2015

 

Keine Heranziehung des Besitzers geschmuggelter Zigaretten bei unklarem Reiseweg der Zigaretten ins Steuergebiet

Im Haus des Klägers wurden bei einer Durchsuchung erhebliche Mengen von Zigaretten mit ukrainischen Steuerbanderolen gefunden. Das beklagte Hauptzollamt nahm den Kläger daraufhin wegen des Besitzes von unverzollten und im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland unversteuerten Zigaretten auf Zahlung von Tabaksteuer in Anspruch.

Seine Klage hatte Erfolg, weil nicht aufgeklärt werden konnte, wie die Zigaretten ins Steuergebiet gelangt waren, nämlich entweder über einen anderen EU-Mitgliedstaat im Wege der sog. Verbringung oder direkt aus einem Drittland per Flugzeug oder Schiff.

Zwar reiche es für die Entstehung der Tabaksteuer aus, dass alternativ die Voraussetzungen einer der beiden Steuerentstehungsnormen – entweder § 21 (Einfuhr) oder § 23 (Verbringung) TabStG – erfüllt seien. Für die Frage der Steuerschuldnerschaft sei indes eine Wahlfeststellung in diesem Sinne nicht möglich. Nach § 23 TabStG könne auf Tabaksteuer in Anspruch genommen werden, wer bloßer Besitzer von ins Inland verbrachten Zigaretten sei. Im Fall der Einfuhr sei nach dem Gesetz jedoch Steuerschuldner nur, wer selbst an der Einfuhr der Tabakwaren beteiligt gewesen sei. Dass der Kläger an einer Einfuhr beteiligt gewesen sei, könne indes – schon weil der Reiseweg der Tabakwaren unbekannt sei – nicht festgestellt werden. Da der Sachverhalt insoweit nicht aufgeklärt werden konnte, hob das Finanzgericht den gegen den Kläger ergangenen Tabaksteuerbescheid auf.

Quelle: FG Hamburg, Mitteilung vom 02.10.2015 zum Urteil 4 K 43/15 vom 15.07.2015 (rkr)

 

Wechselkursbedingt höhere Tilgungsleistungen für Fremdwährungsdarlehen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Zur Finanzierung einer Mietimmobilie, deren Kaufpreis in Euro zu zahlen war, hatte die Klägerin ein Darlehen über Schweizer Franken aufgenommen. Den Schuldendienst erbrachte sie in Euro. Eine Änderung des Wechselkurses in den Streitjahren führte dazu, dass trotz der Tilgungsleistungen die Darlehensvaluta nicht sank, sondern sogar anstieg. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin, ihre wechselkursbedingten Währungsverluste als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die Klage blieb erfolglos. Fremdwährungsverluste, die sich aus dem Kursverlust des Euro gegenüber dem Schweizer Franken ergeben, seien auch dann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn die den Verlusten zu Grunde liegenden Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs, der Sanierung oder der Errichtung eines Gebäudes dienten. Bei den von der Klägerin vorrangig geltend gemachten wechselkursbedingten Erhöhungen der Darlehensstände zum Jahresende nebst erbrachter Tilgungsleistungen handele es sich um (noch nicht realisierte) Vermögensverluste in der nicht steuerbaren Privatsphäre, nicht jedoch um Werbungskosten. Anders als bei den Gewinneinkünften blieben bei den Überschusseinkünften, zu denen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehörten, Wertveränderungen des Vermögens des Steuerpflichtigen außer Betracht, auch wenn es der Einkünfteerzielung diene. Aus der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergebe sich nichts anderes. Sie erweitere lediglich das Tatbestandsmerkmal des Veranlassungszusammenhangs, der Einkünftedualismus werde dadurch nicht in Frage gestellt.

Gegen das Urteil des 2. Senats vom 21.05.2015, 2 K 197/14, ist Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) eingelegt worden; Aktenzeichen des BFH: IX B 85/15.

Quelle: FG Hamburg, Mitteilung vom 02.10.2015 zum Urteil 2 K 197/14 vom 21.05.2015 (nrkr – BFH-Az.: IX B 85/15)